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Henriette Dugowski * 1867

Isestraße 61 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
HENRIETTE
DUGOWSKI
JG. 1867
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Isestraße 61:
Josepha Ambor, Else Baer, Hedi Baer, Ingrid Baer, Joseph Baer, Minna Benjamin, Rosalie Benjamin, Emma Dugowski, Hermann Dugowski, Ida Dugowski, Moritz Dugowski, Wanda Dugowski, Selly Gottlieb, Heinrich Ilse, Ella Meyer, Max Meyer, Otto Meyer, Gregor Niessengart, Sophie Philip, Michael Pielen, Gertrud Rosenbaum, Edmund Sonn

Henriette Dugowski, geb. 29.4.1867 in Eydkuhnen, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiter deportiert nach Treblinka, dort ermordet

Wanda Dugowski, geb. 15.3.1869 in Eydkuhnen, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.09.1942 weiter deportiert nach Treblinka, dort ermordet

Ida Dugowski, geb. 10.3.1871 in Lyck am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiter deportiert nach Treblinka, dort ermordet

Moritz Dugowski, geb. 11.7.1873 Prostken, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiter deportiert nach Treblinka, dort ermordet

Hermann Dugowski, geb. 1.3.1875 in Prostken, am 11.7.1942 deportiert nach Auschwitz

Emma Dugowski, geb. 17.9.1877 in Prostken, am 11.7.1942 deportiert nach Auschwitz

Isestraße 61

In der Isestraße 61 wohnten die sechs Geschwister Dugowski in zwei Wohnungen in der zweiten, heute dritten, Etage.

Ihr Vater, Jeremias Dugowski, war am 18. August 1838 in Wilna im russischen Zarenreich geboren worden. Die Familie zog nach Eydkuhnen in Preußen, direkt an der russischen Grenze. Die Töchter Henriette und Wanda wurde dort 1867 und 1869 geboren. Seit 1870/71 wohnten die Dugowskis, wie man an den Geburtsorten der Kinder erkennt, in Prostken im Landkreis Lyck.

Als erster zog Moritz Dugowski nach Hamburg. Am 28. April 1894 trat er hier in die Jüdische Gemeinde ein. 1897 war er als Kaufmann, Schmiedestraße 6, im Hamburger Adressbuch verzeichnet. 1899 gründete er eine eigene Firma "Ein und Ausfuhr von Waren aller Art, speziell Drogen und Vegetabilien". Der Firmensitz lag zuerst in der Fuhlentwiete 92, wo Moritz auch wohnte, dann bis 1904 am Neuen Wall 26. Im Jahr 1905 wurde Hermann Dugowski als Mitbesitzer genannt, der Firmensitz befand sich jetzt in der Schmiedestraße 8. Die Firma war an der Börse registriert und die Brüder hatten dort einen festen Platz "Am Kandelaber".

Hermann Dugowski war schon 1903 in die Jüdische Gemeinde Hamburg eingetreten. Er war verheiratet mit Jenny, geborene Kleve und wohnte in der Hochallee 125. Am 26.6.1909 wurde ihre Tochter Ingeborg, genannt Inge, geboren. Die Familie zog 1913 in die Klosterallee 29. Jenny Dugowski starb 1919, als Inge 10 Jahre alt war.

Im Jahr 1910 folgten die Eltern, Jeremias Dugowski, schon 72 Jahre alt, und seine zwei Jahre jüngere Frau Johanna, geborene Berlowitz, nach Hamburg. Mit den Töchtern Henriette, Wanda, Ida sind sie per 2. Dezember 1910 in die Kultussteuerkartei der jüdischen Gemeinde eingetragen. Es ist als sicher anzunehmen, dass auch Emma, die jüngste, mit ihnen kam.

Alle vier Schwestern arbeiteten später und hatten als zahlende Gemeindemitglieder später eigene Karteikarten. Aber nur von Wanda wissen wir, dass sie einen Beruf ausübte. Sie arbeitete als Buchhalterin in der Firma ihrer Brüder.

Moritz hatte für sich und die Familie eine Wohnung in der Grindelalle 93 gemietet. Dort zogen alle außer Hermann ein.
Jeremias Dugowski starb 1913, seine Frau Johanna lebte bis 1930.

1935 wechselten alle Geschwister in die Hansastraße 65, nun auch Hermann mit seiner Tochter Inge. Sie arbeitete als Kontoristin. Am 30. Januar 1937 schied sie aus der Jüdischen Gemeinde aus, Grund: Sie wanderte nach Singapur aus.

Während die Brüder zuerst die unterschiedlichsten Waren wie Kakao, Fischmehl, Futtermittel und Drogen vermittelt hatten, handelten sie seit 1935 nur noch mit "Drogen und Vegetabilien" (= Pflanzliche Heilmittel). Die Firma konnte offenbar bis in die frühen 1930er Jahre die große Geschwisterschar gut ernähren. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gingen die Einkünfte zurück. Ausfuhr war nicht mehr möglich, weil die Firma keinen "arischen" Angestellten hatte, der Zusatz-Ausfuhr Anträge bearbeiten konnte. Bei der Einfuhr kam es nur noch zu Zufallsgeschäften. Das Geschäft schrumpfte auf geringen Binnenhandel zusammen. Ihr Kontor in der Schmiedestraße mussten die Brüder am 1. September 1938 aufgeben und in eine der zwei Wohnungen in der Isestraße 61 verlegen, die sie im März 1937 gemietet hatten.

Am 1. September 1938 ordnete die Oberfinanzdirektion eine ausführliche Devisenprüfung an. Zu dieser Zeit lebten die Geschwister schon in bitterer Armut. Die Prüfung ergab, dass Moritz und Hermann Dugowski nicht einmal eine Vermögenserklärung abgeben mussten "da die Firmeninhaber kein Vermögen besitzen". Ganz im Gegenteil, die Bilanz zum 1. Juli 1938 wies ein Minus von 10.655 RM aus. Die Geschwister mussten inzwischen sogar eine "jüdische Unterstützungseinrichtung in Anspruch nehmen". Sie hätten keine Absichten auszuwandern. In der Überprüfungsakte heißt es: "In Anbetracht dessen, dass der eine Bruder 63 und andere 65 ist, hält der Prüfer die Angaben für glaubhaft. Obendrein haben die Brüder noch mehrere Schwestern, die z.T. noch älter sind und bisher mit ernährt werden müssen. Sicherheitsanordnungen dürften also nach Lage der Sache nicht in Frage kommen."

Hermanns verstorbene Ehefrau Jenny war die Schwester von Selma Satz, die vier Häuser weiter in der Isestraße 69 wohnte. Seit 1935 war Selma Satz verwitwet, ihr Sohn Werner wanderte 1938 in die USA aus. Aus den Briefen, die sie an ihn schrieb, erfahren wir viel über ihren Schwager Hermann Dugowski und seine Geschwister.
Hermann Dugowski hatte Selma Satz seit Ende 1938 bei den Gängen zum Finanzamt und zur Bank begleitet, um "die geschäftlichen Dinge" nach der "Arisierung" ihrer Firma zu erledigen. Sie half im Gegenzug mit Lebensmitteln aus, gab Hermann auch einmal 30 RM, weil sie wusste, wie die Geschwister "auf den Pfennig" achten mussten.
Hermann und sein Bruder Moritz Dugowski besuchten sie häufig. Dort trafen sie Selmas Onkel Michael Frankenthal, der bei ihr wohnte, und den Untermieter Wolff, mit denen sie gern zum Kartenspiel zusammen saßen.

Das Verhältnis zwischen Selma Satz und den Dugowskis wurde durch ihre Fürsorge immer enger. Im April 1939 erkrankte Hermann Dugowski schwer, erholte sich aber im Laufe des Jahres wieder, wohl auch mit Hilfe guter Lebensmittel, die Selma Satz schickte. Seit 1940 besuchte sie die Dugowskis regelmäßig zum Nachmittagskaffe und brachte Kaffee und Kuchen mit.

Hermann Dugowskis nach Singapur emigrierte Tochter war inzwischen mit einem Inder verheiratet und hieß jetzt Ingeborg Abdulhussain Saif. Den Briefen der Selma Satz entnehmen wir, dass sie seit 1938 in Indien lebte und im Frühjahr 1939 noch einmal für kurze Zeit zurückkam und mit ihrem Mann bei den Geschwistern in der Isestraße wohnte. Danach hörte Hermann Dugowski ein Jahr lang nichts von ihr. Im November 1940 gab es ein Lebenszeichen, aber keine Adresse, unter der Hermann Dugowski seiner Tochter schreiben konnte. Es soll ihn sehr bedrückt haben, dass er keine Verbindung zu ihr mehr hatte.

Selma Satz hatte den Dugowskis auch geraten, ihr Einkommen durch Untervermietung aufzubessern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten sie für kurze Zeit je ein Zimmer an Edmund Sonn und Gregor Niessengart vermieten. Gregor Niessengart meldete sich freiwillig zur ersten Deportation aus Hamburg, für den Transport nach Lodz am 25. Oktober 1941. Edmund Sonn wurde am 8. November 1941 nach Minsk deportiert.

Die Geschwister Dugowski mussten im Februar 1942 in das "Judenhaus" Bornstrasse 22 ziehen. Am 11. Juli 1942 – es war der 69. Geburtstag von Moritz - wurden die beiden jüngsten, Emma und Hermann, von dort abtransportiert, direkt in den Tod nach Auschwitz.
Vier Tage später kamen Henriette, Wanda, Ida und Moritz nach Theresienstadt. Am 21. September 1942 wurden sie von dort mit dem Transport Bp nach Treblinka gebracht und ermordet.

Epilog:
Nach dem Krieg wurde kein Wiedergutmachungsantrag gestellt, obwohl Hermanns Tochter Inge bis 1970 noch am Leben war. Im November 1940, als ihr Vater die letzte Nachricht erhielt, lebte sie in Indien und hatte eine Tochter, Yasmin. Mit ihr zog sie nach dem Tod ihres Mannes 1955 nach Singapur, wo sie eine erfolgreiche Modedesignerin wurde und ihre Tochter als Ballettlehrerin und Model arbeitete, sowie eine Wohlfahrtsorganisation für Kinder unterstützte.
Es bleibt dahingestellt, ob Inge im fernen Indien nichts über das Schicksal ihres Vaters und über das Verfahren der Wiedergutmachung wusste oder annahm, dass wegen der großen Armut der Geschwister Wiedergutmachung nicht in Frage kam.

Am 21. November1950 leitete daher die Jewish Trust Corporation for Germany beim Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg ein Rückerstattungsverfahren ein für eine ungarische Kriegsanleihe und eine ungarische Goldrente aus dem Besitz der Brüder Dugowski in einem Gemeinschaftsdepot der Hansa-Bank. Die beiden Wertpapiere waren bei der Vermögenseinziehung 1938 von der Oberfinanzdirektion Hamburg nicht erfasst worden. Am 15. September 1942 waren sie von der Oberfinanzdirektion aus Hamburg an die Deutsche Reichsbank in Berlin abgeliefert worden. 1948 wurden sie wieder nach Hamburg zurück überwiesen an das Gemeinschaftsdepot der Hansa-Bank, die nun praktisch Eigentümerin des Vermögens war. Der Jewish Trust trat ein, wenn keine Erben in einem Wiedergutmachungsverfahren Ansprüche erhoben. Er ließ im Jahr 1954 das Rückerstattungsverfahren "bis auf Weiteres" ruhen. Offensichtlich konnte Hermanns Tochter bis dahin nicht ausfindig gemacht werden.

Nach dem Globalabkommen des Jewish Trust mit dem Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, in dem die Verwendung von jüdischem Vermögen, das keinem Erben zugeordnet werden konnte, geregelt wurde, zog der Trust letztendlich die Anmeldung zurück. Das entsprechende Schreiben traf am 1. September 1957 im Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg ein.

Erst nach 2000 fanden entfernte Verwandte von Ingeborg Dugowski heraus, dass sie noch bis 1970 lebte.

Stand: Juli 2020
© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Bd.4; STAH 213-13 Landgericht Hamburg Wiedergutmachung; "Eydkuhnen Grenzstadt an der Ostbahn" wiki-de.genealogy.net, Zugriff 20.02.2020; Briefe von Selma Satz an ihren Sohn Werner in den USA, Privatbesitz; Auskunft per E-mail am 15.04.2019 von Joan Poulin, Enkeltochter von Selma Satz; Zeitungsauschnitte: The Straits Times, Singapore 16.11.1968, dieselbe 26.10.1973. Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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