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Bertha Engers (geborene Valk) * 1866

Eppendorfer Landstraße 46 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
BERTHA ENGERS
GEB. VALK
JG. 1866
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.7.1943

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 46:
Alfred Aron, Bertha Margaretha Haurwitz, Dr. Rudolf Haurwitz, Henriette Hofmann, Siegfried Marcus, Martha Markus, Elsa Meyerhof, Käte Meyerhof, Olga Reyersbach

Bertha Engers, geb. Valk, geb. am 5.2.1866 in Hamburg, am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, dort gestorben am 23.7.1943

Stolperstein Eppendorfer Landstraße 46

Bertha Engers` Eltern waren Abraham Joseph Valk (9.8.1831-29.1.1908) und Betty Valk, geb. Hertz (8.7.1833-19.8.1918). Abraham Joseph Valk, in Emden geboren, siedelte um 1852 nach Hamburg über und erwarb hier 1857 das Bürgerrecht als Schneidermeister. Im Juli desselben Jahres wurde er mit der aus Altona stammenden Betty Hertz in der Hansestadt getraut. Das Paar bekam mindestens sechs Kinder. Uns bekannt sind: Hanna, später verheiratete Goldfarb (1862-1911, gestorben in Budapest), Bertha, später verheiratete Engers, Joseph Valk (1867-1942, gestorben in England), Rosa, später verheiratete Hirschel (1868-1940, gestorben in Brasilien), Frieda, später verheiratete Karseboom (1871- 1942, umgekommen im Getto Theresienstadt) und Moritz Valk (1873-1922, gestorben in Hamburg).

Über Berthas Kindheit und Jugend wissen wir nichts. Im Alter von 21 Jahren heiratete sie den Kaufmann Emil Engers (geb. 16.1.1862) aus Altona. Das Hamburger Adressbuch von 1887 verzeichnet ihn als Mitinhaber der Firma "Engers & Gumplowitz, Metall, Eisen und Bergwerks-Producte". 1890 gründete er sein eigenes Unternehmen, Emil Engers, "Agentur und Commission" und importierte Erze und Metalle.

Im August 1889 wurde Gertrud, die erste Tochter des Ehepaares geboren, im Mai 1891 folgte die zweite Tochter namens Anita. Bertha Engers nahm wahrscheinlich ihre Rolle als Mutter und Hausfrau wahr, über eine Berufstätigkeit ist nichts bekannt. Seit spätestens 1908 wohnte die Familie in der Klosterallee 39. Gertrud, die ältere Tochter, verließ 1913 ihr Elternhaus. Sie heiratete den aus Ritzebüttel stammenden Kaufmann Alwin Julius Brady. Ihre Kinder Kurt und Irmgard wurden 1916 und 1917 in Hamburg geboren.

Berthas jüngere Tochter Anita erhielt nach der mittleren Reife Privatunterricht in Sprachen, Kurzschrift und Maschineschreiben und arbeitete als Sekretärin, seit 1912 im elterlichen Geschäft. 1919 heiratete sie den Zivilingenieur Ernst Ehrenhaus, geboren 1884 in Oberglogau, Schlesien. Das Ehepaar bekam eine Tochter, Liesel, geboren 1921.

Als Emil Engers Gesundheitszustand sich verschlechterte, trat Ernst Ehrenhaus als Mitinhaber in die Firma seines Schwiegervaters ein. Außerdem führte er unter dem Namen "Engers und Ehrenhaus" ein eigenes technisches Büro und arbeitete als vereidigter Börsenauktionator und Handelsmakler.

Im Jahr 1924 musste Bertha Engers zwei schwere Verluste hinnehmen. Im September starb ihre Tochter Gertrud an einer Blutvergiftung. Nur drei Monate später, im Dezember, fand ihr Mann den Tod. Sein Grab befindet sich ebenso wie das der Tochter Gertrud auf dem Jüdischen Friedhof in Ohsldorf.

Mit 58 Jahren war sie nun Witwe. Ihr Schwiegersohn Ernst Ehrenhaus übernahm es, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Bis 1932 ist sie im Hamburger Adressbuch in der Klosterallee 39 verzeichnet, ihr Haushalt wurde allerdings bereits im Spätsommer 1931 aufgelöst. Laut einer schriftlichen Erklärung vom 30. September 1931 überließ Bertha ihrem Schwiegersohn ihr "Gesamtgut an Moebel, Waesche, Kleider, Bilder, Schmucksachen u.s.w. […] zur freien Verfügung". In dem Dokument heißt es: "[...] Herr Ehrenhaus ist berechtigt nach freiem Ermessen die Sachen zu verkaufen oder selbst als Eigentum zu behalten. Der inzwischen vorgenommene Verkauf der Wohnungseinrichtung geschah auf meinen ausdruecklichen Wunsch."

In den folgenden Jahren lebte Bertha Engers im Loogestieg 21, in der Eppendorfer Landstraße 36 bei Heymann und, wahrscheinlich seit Ende 1939, in der 5-Zimmerwohnung von Anita und Ernst Ehrenhaus im zweiten Stock in der Eppendorfer Landstraße 46.

Da Ausgrenzung und Entrechtung die Lebensbedingungen für Jüdinnen und Juden immer unerträglicher gestalteten, suchten auch Berthas Nachkommen und Verwandte nach Möglichkeiten, sich ins Ausland zu retten. Ihre Nichte Margot Valk, Tochter ihres Bruders Joseph, erkannte früh genug, dass sie in NS-Deutschland keine Chance hatte, jemals als Lehrerin zu arbeiten und fand eine Stelle in England. 1934 heiratete sie einen Briten und konnte später mit Hilfe ihres Mannes ihren Bruder und ihre Eltern ins Land holen. Damit rettete sie ihnen das Leben. Ihr Bruder Anselm Herbert Valk war wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" mehrere Monate in Hamburg in Haft gewesen.

Berthas Enkel Kurt Brady reiste 1936 zu Freunden seiner Stiefmutter nach Südafrika aus. Nach dem Tod von Gertrud, Berthas älterer Tochter, hatte ihr Schwiegersohn Alwin Brady 1926 wieder geheiratet und mit seiner zweiten Frau einen weiteren Sohn bekommen. Kurt wie geplant nach Südafrika zu folgen, war wegen einer inzwischen dort in Kraft getretenen Einreisesperre für Familie Brady unmöglich. Sie konnte 1939 schließlich nach Chile flüchten.
Bertha Engers` Schwester Rosa war bereits 1938 zu ihren Kindern nach Südamerika gezogen.

Die jüngere Tochter Anita und der Schwiegersohn Ernst beabsichtigten, nach England zu emigrieren. Sie waren mit Hilfe von englischen Geschäftsfreunden bereits im Besitz der erforderlichen Dokumente. Im Zuge des Novemberpogroms wurde Ernst Ehrenhaus jedoch 1938 verhaftet und im KZ Sachsenhausen inhaftiert. (Im Frühjahr 2020 zeigte das Hamburger Mahnmal St. Nikolai eine Sonderausstellung zu den Novemberpogrom-Gefangenen des KZ Sachsenhausen. Auf einem der ausgestellten Dokumente war auch Ernst Ehrenhaus` Name zu lesen.) Seine Entlassung erfolgte am 7. Dezember 1938. Ihm drohte die erneute Verhaftung, falls er nicht bis zu einem bestimmten Termin ausreisen würde. Durch die erlittenen Misshandlungen war er jedoch nicht reisefähig.

Um wenigstens ihre Tochter Liesel in Sicherheit zu bringen, schickten Anita und Ernst diese mit einem Kindertransport nach Großbritannien. Ein Dreivierteljahr später begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg, und der Fluchtweg über den Ärmelkanal war abgeschnitten. Nun blieb nur noch Schanghai als Zufluchtsort, denn für die chinesische Hafenstadt benötigten Jüdinnen und Juden kein Visum. Das Ehepaar Ehrenhaus traf 1940 mit dem letzten italienischen Schiff dort ein.

Bertha Engers und ihre Schwester Frieda Karseboom, beide schon betagt, blieben mit Friedas Enkelin Ellen Ingrid Berger (s. www.stolpersteine-hamburg.de) zurück. Für Bertha bedeutete die Ausreise von Tochter und Schwiegersohn auch den Verlust ihrer Unterkunft. Ernst Ehrenhaus brachte sie in einem jüdischen Altersheim unter und bezahlte, wie er später angab, ihren dortigen Aufenthalt für die nächsten drei Jahre im Voraus. Die Nationalsozialisten wandelten das Haus in der Hochallee 66 später in ein sogenanntes Judenhaus um.

Der Hausstand von Familie Ehrenhaus, darunter diverse Kunstgegenstände, eine Bibliothek sowie Berthas gesamter Besitz an Kleinmöbeln, Wäsche, Kleidern, einem Persianerpelzmantel und Silberbestecken, wurde in große hölzerne Transportcontainer verladen und im Hamburger Freihafen gelagert. Diese "lifts" sollten nach einem neutralen Hafen gesandt werden, Ernst Ehrenhaus bezahlte die Fracht im Voraus. Das Ehepaar erhielt sein Eigentum allerdings nie zurück, denn im Juni 1941 wurde der Inhalt der Kisten zugunsten des Deutschen Reiches versteigert.

Anita und Ernst Ehrenhaus überlebten den zweiten Weltkrieg unter schwierigen Bedingungen in Schanghai, ab 1943 mussten sie im dortigen Getto leben. Ihre Tochter Liesel hatte in England einen Angehörigen des britischen Militärs geheiratet und eine Tochter bekommen, Berthas Urenkelin. Da Liesels Mann nach Karatschi (heute Pakistan) versetzt werden sollte, entschlossen Anita und Ernst sich, nach der Befreiung nach Australien auszuwandern, um ihrer Tochter näher zu sein, anstatt, wie eigentlich geplant, in die USA zu ziehen. Nach acht Jahren Trennung sollten Eltern und Tochter sich 1947 endlich wiedersehen. Liesel erkrankte jedoch während der Schiffsreise nach Australien an Typhus und musste in Colombo (heute Sri Lanka) in ein Krankenhaus gebracht werden. Dort starb sie kurze Zeit später im Alter von nur 26 Jahren. Ihre Eltern blieben in Australien und adoptierten ihre nun mutterlose Enkeltochter. Ernst Ehrenhaus starb 1967, Anita Ehrenhaus 1974.

Zurück nach Hamburg. Im April 1942 musste Bertha Engers zusammen mit ihrer Schwester Frieda Karseboom in das "Judenhaus" Beneckestraße 6 ziehen. Dort erhielten die beiden 76 und 71 Jahre alten Damen den Deportationsbefehl für das "Altersgetto" Theresienstadt. Sammelplatz war die Volksschule in der Schanzenstraße.

Der Transport verließ Hamburg am 15. Juli 1942. Frieda Karseboom starb am 22. November 1942, Bertha Engers am 23. Juli 1943 in Theresienstadt. Da der Teil der Klosterallee, in dem sie viele Jahre mit ihrer Familie gelebt hatte, nicht mehr existiert, liegt der Stolperstein für Bertha Engers dort, wo sie zuletzt mit Tochter und Schwiegersohn wohnte.

Für Bertha Engers fünf Jahre jüngere Schwester Frieda Karseboom liegen Stolpersteine in der Hansastraße in Hamburg sowie an ihrem langjährigen Wohnort Wismar. Durch die Recherche zur Familie von Berthas Bruder Joseph Valk konnte der Kontakt zwischen seiner Enkelin in Großbritannien und den Nachkommen von Frieda Karseboom in den USA vermittelt werden. Die beiden Familienzweige hatten nichts von einander gewusst.

Stand: April 2021
© Sabine Brunotte

Quellen: 1; 3; 5; Adressbuch Hamburg 1887, https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/start, letzter Zugriff 16.06.2020; StaH 332-5_2713; StaH 332-5_2191; StaH 332-5_8690; StaH 332-5_9809; StaH 332-5_9064; StaH 332-5_8728; StaH 332-5_8078; StaH 332-5_7992; StaH 332-5_ 9765; StaH 314-15_F408; StaH 213-13_3127; StaH 213-13_3129; StaH 351-11_12948; StaH 351-11_13097; StaH 351-11_41407; StaH 351-11_10956; Schriftliche Auskunft Jürgen Sielemann, E-Mail vom 11. 2.2019; https://www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/ betr. Bertha Engers Todesfallanzeige Getto Theresienstadt, Zugriff 9.6.2020; jfhh.org zu Jüdischer Friedhof Ohlsdorf, letzter Zugriff 16.6.2020; https://www.medienberatungev.org/?p=6320 zu Rosa Hirschel, letzter Zugriff 7.7.2020.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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