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Gertrud Embden * 1876

Kurzer Kamp 6 Altenheim (Hamburg-Nord, Fuhlsbüttel)


gedemütigt / entrechtet
Flucht in den Tod
15.07.1942

Weitere Stolpersteine in Kurzer Kamp 6 Altenheim:
Dr. Julius Adam, Johanna Hinda Appel, Sara Bromberger, Therese Bromberger, Friederike Davidsohn, Margarethe Davidsohn, Katharina Embden, Katharina Falk, Auguste Friedburg, Jenny Friedemann, Mary Halberstadt, Käthe Heckscher, Emily Heckscher, Betty Hirsch, Hanna Hirsch, Regina Hirschfeld, Clara Horneburg, Anita Horneburg, Emma Israel, Jenny Koopmann, Franziska Koopmann, Martha Kurzynski, Laura Levy, Chaile Charlotte Lippstadt, Isidor Mendelsohn, Balbine Meyer, Helene Adele Meyer, Ida Meyer, Ella Rosa Nauen, Celine Reincke, Friederike Rothenburg, Benny Salomon, Elsa Salomon, Martha Rosa Schlesinger, Louis Stiefel, Sophie Stiefel, Louise Strelitz, Eugenie Hanna Zimmermann

Gertrud Embden, geb. am 27.5.1876 in Hamburg, nahm sich das Leben, verstorben am 15.7.1942 in Hamburg
Katharina Embden, geb. am 6.12.1877 in Hamburg, nahm sich das Leben, verstorben am 14.7.1942 in Hamburg

Kurzer Kamp 6

Die beiden Schwestern Gertrud und Katharina Embden entstammten alteingesessenen Hamburger jüdischen Familien. Ihre Mutter Elisabeth, geb. Dehn (geb. 7.6.1852 in Hamburg), Tochter von Bernhard Adolph Dehn und Merle Marianne, geb. Goldschmidt, gehörte einer etablierten Kaufmannsfamilie an. Bereits im Alter von elf Jahren hatte sie ihren Vater verloren. Am 25. Juni 1863 war Bernhard Adolph Dehn im Alter von 55 Jahren in Marienbad verstorben und in Hamburg auf dem Jüdischen Begräbnisplatz Grindel bestattet worden.

Die Familie väterlicherseits lässt sich auf den Urgroßvater, den Kaufmann Lion von Embden, zurückverfolgen. Der Vater der beiden Schwestern, Dr. George Heinrich Embden (geb. 22.9.1839 in Hamburg), war der Sohn von Henriette, geb. Friedländer, und des Kaffeemaklers Barthold Embden; sie hatten am 22. Juni 1823 in Hamburg geheiratet. Schon im Jahre 1808 hatte der Großvater der Schwestern das traditionsreiche Kaffeehandelshaus Embden Drishhaus und Epping mitbegründet. 1859 war er verstorben und auf dem Jüdischen Friedhof Ottensen beigesetzt worden.

Sein Bruder Moritz Embden (1789–1866), der Großonkel von Gertrud und Katharina Embden, war mit Charlotte Heine (1800–1899) verheiratet, der Schwester des bekannten Dichters Heinrich Heine.

Der Vater der Schwestern, George Heinrich Embden, war nach dem Besuch der Gelehrtenschule des Johanneums, nach seinem Jurastudium in Heidelberg, Berlin und Göttingen und seiner Dissertation in Hamburg "Advocat" (Anwalt) geworden und hatte am 30. Mai 1862 den Hamburger Bürgereid abgelegt. Wie eine Eintragung in den Suppliken (Bittschriften/Gesuche) der Senatskanzlei aufzeigt, scheint er selbstbewusst und nicht unterwürfig gewesen zu sein: Der Bürgergardist Dr. juris Heinrich Embden habe, nachdem er im Juni 1863 in dem Bierlokal Hartmann beim Dammthor einem Lieutenant gegenüber mangelnde Unterordnung gezeigt habe, eine Militärstrafe wegen "Insubordination" von 24 Stunden, erhöht auf 40 Stunden Arrest hinnehmen müssen. Am 12. April 1870 hatten George Heinrich Embden und Elisabeth, geb. Dehn, die Eltern der Schwestern, in den Geestlanden, dem heutigen Eppendorf, geheiratet.

Nach einem von George Heinrich Embden erfolgreich geführten Handelsprozess vor einem Londoner Gerichtshof war ihm seit 26. April 1872 die angesehene Stellung als "Consulent und ersten Secretairs" der Handelskammer übertragen worden. Ein kurzzeitiges Mandat in der Hamburger Bürgerschaft hatte er niedergelegt, da es sich mit seinem Amt in der Handelskammer nicht vereinbaren ließ. Er wurde auch Anwalt und Freund des angesehenen Hamburger Kaufmanns Edmund Siemers.

In den Großen Bleichen 42/44, dort wo auch seine Kanzlei ihre Geschäftsräume hatte, waren der älteste Bruder der Schwestern, Heinrich Georg, am 19. März 1871 und die ältere Schwester Marianne Elisabeth eineinhalb Jahre später, am 25. Oktober 1872, zur Welt gekommen. Ihr Bruder Gustav Georg wurde am 10. November 1874 in Pöseldorf in der Alten Rabenstraße 8 geboren. Gertrud Magdalene Elisabeth kam als viertes Kind am 27. Mai 1876 vormittags um ein Uhr in der neuen Wohnung ihrer Eltern, Weidenallee 23, auf die Welt. Inzwischen war die Familie zum christlichen Glauben konvertiert. Eineinhalb Jahre später, am 6. Dezember 1877, wurde in der Weidenallee auch die jüngste der fünf Geschwister, Katharina Elisabeth, geboren.

In diesem Jahr im Oktober legte George Heinrich Embden auf eigenen Wunsch sein Amt in der Handelskammer nieder, blieb jedoch noch einige Jahre beratend dort tätig. Als Gertrud eingeschult wurde, arbeitete der Vater in seiner Anwaltskanzlei Große Bleichen 52 und die Familie wohnte in der Hansastraße 8.

Die Großmutter, die Witwe Henriette Embden, blieb bis zu ihrem Tode in der Nähe ihres Kaffeehandelsgeschäftes wohnen. Am 10. Dezember 1886 verstarb sie mit 76 Jahren in ihrer Wohnung, Brandsende 11. Neben ihrem Ehemann wurde sie auf dem Jüdischen Friedhof Ottensen beigesetzt.

Im Februar 1892 verzog die Familie der Schwestern in die Oberstraße 95. Die beiden Brüder hatten das Wilhelm-Gymnasium besucht und dort die Reifeprüfung abgelegt, Heinrich im Jahre 1889, Gustav 1893. Beide wurden Mediziner. Heinrich Embden studierte im Elsass und in Freiburg im Breisgau, promovierte und erhielt seine Approbation als Arzt im Jahre 1893. Nach Beendigung des Militärdienstes wurde er im Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf Assistenzarzt und unter Max Nonne* bis 1897 zum Neurologen ausgebildet. Max Nonne erinnert sich in seinen "Lebenserinnerungen" an ihn: "Dr. Embden war ungewöhnlich intelligent, las viel und behielt alles, konnte über alles glänzend reden und hatte eine ungewöhnliche Gabe, Dinge darzustellen." Als Facharzt für Neurologie und Nervenleiden ließ sich Heinrich Embden in Hamburg nieder. Die Ernennung zum leitenden Arzt der Abteilung für Nervenkrankheiten und Elektrotherapie im Israelitischen Krankenhaus erfolgte im Jahre 1898.

Die Großtante der Schwestern, Charlotte Embden, geb. Heine, verstarb hochbetagt mit fast 99 Jahren am 14. Oktober 1899. Es ist anzunehmen, dass die Geschwister Gertrud und Katharina Embden mit ihrer Familie an der Beisetzung der Schwester des Dichters Heinrich Heine auf dem Friedhof der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde Altona in Ottensen teilnahmen.

Der Bruder Heinrich George Embden heiratete 1903 Gertrud Ida, geb. Küchler. Sie bekamen vier Kinder, die in der Heilwigstraße 33, später Nr. 39, heranwuchsen: Mathilde (geb. 1904), Helmuth (geb. 1905), Gertrud Mathilde (geb. 1907) und Heinrich (geb. 1909).

Der Bruder Gustav Embden war nach dem Staatsexamen nach Straßburg und Zürich gegangen und übernahm dann die Leitung des Laboratoriums im Städtischen Krankenhaus Frankfurt. Er habilitierte sich an der Universität Bonn und wurde im Jahre 1909 Direktor des chemisch-physiologischen Instituts in Frankfurt. Die Ernennung zum Professor für Physiologie erfolgte in der neu gegründeten Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er heiratete seine Assistentin Hanni, geb. Fellner, die Enkelin des Senators und letzten "Ältesten Bürgermeisters" der Freien Stadt Frankfurt, Carl Fellner. Dieser hatte sich das Leben genommen, da er nicht zum Verräter an seiner Stadt bei der Unterwerfung durch Preußen im Juli 1866 werden wollte. Gustav und Hanni Embden bekamen vier Kinder: Maria (geb. 1912), Dietrich (geb. 1914), Hildegard (geb. 1917) und Klara (geb. 1921).

Gertrud und Katharina Embden hatten vermutlich wie ihre Schwester Marianne Embden eine höhere Töchterschule besucht und eine angemessene Ausbildung erhalten. Die älteste Schwester Marianne wurde Lehrerin und unterrichtete für ein Jahr seit April 1905 an der angesehenen privaten Töchterschule von Antonie Milberg. Gertrud Embden hatte seit 1899 bei verschiedenen Wohlfahrtseinrichtungen in der Wohlfahrtspflege gearbeitet. Im März 1903 war sie als Lehrerin der Hauswirtschaftskunde in Berlin tätig und im Anna-Heim, der "Dienstboten-Lehranstalt" in Alsterdorf, Lohkoppelweg, als Kochlehrerin in Praxis und Theorie beschäftigt gewesen. Die Leiterin Bertha Wentzel bescheinigte ihr im Oktober 1909 ein großes Organisationstalent und einen einfühlsamen Umgang mit den Schülerinnen – "[…] versteht es vorzüglich den jungen Mädchen die Arbeit zu einer angenehmen Pflicht zu machen". Der Ausbildungsweg von Katharina Embden ist bisher nicht bekannt. Vermutlich war sie im gemeinschaftlichen Haushalt für die Versorgung verantwortlich.

Die Großmutter mütterlicherseits, Marianne Dehn, geb. Goldschmidt (geb. 7.11. 1825 in Hamburg), seit ihrem 37. Lebensjahr Witwe, hatte in ihrer Nähe gewohnt. Sie verstarb am 23. Juli 1906 im Alter von 80 Jahren in ihrer Wohnung in der Rothenbaumchaussee 137, 1. Stock. Auch der Onkel der Schwestern, der Bruder ihrer Mutter, Rechtsanwalt Dr. Otto Dehn, lebte mit seiner Ehefrau und seinen vier Söhnen in nächster Nähe im Eigenheim in der Rothenbaumchaussee 158.

Der Vater der Schwestern verstarb ein Jahr später, am 12. Juli 1907, mit 68 Jahren in seiner Wohnung Oberstraße 95. Er hatte an Darmkrebs gelitten. Sein Sohn Heinrich Georg Embden, war in seinen letzten Stunden bei ihm gewesen. Zwei Tage später wurde er auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt, Grablage AC 23 IV, Nr. 54.

Drei Jahre später, am 27. Juni 1910, verstarb die Mutter Elisabeth Embden, geb. Dehn, bei einem Sommeraufenthalt in Hahnenklee im Harz. Sie war 61 Jahre alt. Nach der Überführung fand sie vier Tage später neben ihrem Ehemann in dem Familiengrab mit sechs Grabplätzen auf dem Ohlsdorfer Friedhof ihre letzte Ruhe, Grablage AC 23 IV, Nr. 53, heute eine leere Grabstelle zwischen Rhododendronbüschen.

Nach dem Tod der Eltern blieben die drei unverheirateten Schwestern zusammen, zunächst lebten sie in der elterlichen Wohnung, wo sie 18 gemeinsame Jahre verbracht hatten. Am 1. April 1911 verzogen sie dann in eine Wohnung im Jungfrauenthal 12, 3. Stock. In dieser Zeit nahmen Marianne Embden und ihre Schwestern die dreijährige Elisabeth Margarethe Anna Ottilie Vahl (geb. 11.4.1908 in Hiddensee) als Ziehtochter bei sich auf. Sie stammte aus einer Familie mit neun Kindern, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befand. Elisabeth Vahl wurde in der Wohngemeinschaft der Schwestern wie ein eigenes Kind aufgezogen.

Gertrud Embden arbeitete in der Hamburgischen Gesellschaft für Wohltätigkeit, die am 1. August 1914 in die neu gegründete Hamburgische Kriegshilfe überging. Sie blieb dort bis zum September 1919. Dr. O. Lohse, Direktor des öffentlichen Armenwesens, fand in einem Zeugnis anerkennende Worte für sie:
"An beiden Stellen hat sie Hervorragendes geleistet. In der Hamburgischen Kriegshilfe war sie die rechte Hand des Hauptgeschäftsführers. Der ganze Aufbau der Kriegshilfe ist zu einem großen Teil ihr Werk. Kaum eine Frage organisatorischer Art wurde entschieden, ohne ihren Rat mit Erfolg einzuholen. In der Behandlung schwieriger Einzelfälle und in der Vermittlung des Verkehrs zwischen der Hauptgeschäftsstelle und den Bezirken der Kriegshilfe waren ihre Leistungen mustergültig. Ohne Übertreibung darf gesagt werden, dass es nach ihrem Austritt im September 1915 nicht gelungen ist, auch nur einigermassen einen Ersatz zu beschaffen, dass vielmehr dauernd eine recht fühlbare Lücke geblieben ist. Auch sonst ist mir die Tätigkeit von Fräulein Embden auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge seit vielen Jahren bekannt. Sie besitzt umfassende Kentnisse, ist mit den Verhältnissen und Bedürfnissen der unbemittelten Kreise durchaus vertraut, ist bei der Ausübung ihrer Tätigkeit von sozialem Geist beseelt und hat eine ungewöhnliche Begabung, praktisch zu handeln und richtig zu entscheiden."

Auch Agnes Wolffson, Vorsitzende der Leiterinnen der Kriegsküchen, bescheinigte Gertrud Embden wertvolle Verdienste als vieljährige Leiterin der Kriegsküche Landungsbrücken und hoffte, "dass sie Gelegenheit finden wird, ihr grosses praktisches Können, ihr Organisationstalent und ihre unerschöpfliche Arbeitskraft auf einem verantwortlichen Posten zu verwerten, auf dem sie zum Nutzen ihrer Mitmenschen wirken kann". Bis zum Jahre 1920 übte Gertrud Embden ihre Tätigkeiten stets ehrenamtlich aus. Erst nach dem Verlust ihres Vermögens im Krieg und in der Inflationszeit musste sie sich eine bezahlte Arbeit suchen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Seit Februar 1920 arbeitete sie als Angestellte.

Dass der Kontakt der Schwestern zur Familie ihres Bruders Gustav in Frankfurt eng geblieben war, lässt sich aus der Eintragung im Melderegister schließen, nach der ihre Schwägerin Johanna, geb. Fellner, mit ihren Kindern, der vierjährigen Hildegard, dem sechsjährigen Dietrich und der neunjährigen Maria, fünf Wochen lang im März und April 1921 bei ihnen in der Wohnung zu Besuch waren.

Aus dem Passprotokoll Juni 1926 anlässlich einer Reise der Schwestern Gertrud und Marianne Embden in die Schweiz ist zu erfahren, dass Gertrud Embden, damals 50 Jahre alt und von Beruf Fürsorgerin, mittelgroß war, graue Augen und graumelierte Haare hatte, wohingegen ihre ältere Schwester Marianne Embden, von Beruf Oberlehrerin, dunkelhaarig war.
Im November 1927 wurde Gertrud Embdens Arbeitsstelle als Fürsorgerin in eine Inspektoren-Beamtenstelle umgewandelt. Ein Jahr später konnte am 24. Dezember 1928 die Hochzeit ihrer namensgleichen Nichte, vermutlich ihr Patenkind, gefeiert werden. Gertrud Mathilde Embden (geb. 17.7.1904 in Hamburg), die Tochter des Bruders Heinrich, heiratete ebenfalls einen Mediziner, Dr. Hans Ernst Wassermeyer (geb. 30.12.1899 in Bonn, Rhein). Aus dieser Verbindung wurde 1931 eine Tochter geboren. Die Ehe wurde 1935 jedoch geschieden, möglicherweise als Folge der "Nürnberger Rassegesetze".

Marianne Embden war seit 1911 Studienrätin an der Hansa Oberrealschule, der späteren Helene-Lange-Oberrealschule. An diesem staatlichen Mädchenlyzeum konnte ab dem Jahre 1912 das Abitur erworben werden. Es war die erste staatliche höhere Mädchenschule in Hamburg, in der dieser Abschluss möglich war.

Marianne Embden wurde nur 56 Jahre alt. Sie verstarb in der Nacht vom 26. März 1929 an einem Herzfehler mit Hirnembolie. Seit Jahren war sie in Behandlung bei ihrem Bruder Heinrich Embden, der seit August 1923 als Chefarzt der vierten medizinischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek tätig war. Ein Nachruf ihres Kollegiums und ihrer Schülerinnen beschreibt sie folgendermaßen: "Sie hat sich mit ihrem lebhaften pädagogischen Interesse, ihrem ausgeprägten sozialen Sinn ihrem überlegenen Geist 18 Jahre hindurch unermüdlich für das Wohl der Schülerinnen und Schule eingesetzt." In der Familien-Todesanzeige in den "Hamburger Nachrichten" drei Tage später ist auch der Name Elisabeth Vahl zu lesen, der Name von Katharina Embden fehlt hingegen – vielleicht wurde er versehentlich vergessen. Zwei Tage später fand im Krematorium Ohlsdorf die Trauerfeier "in Stille" und im Familienkreis statt. Ihre Asche wurde am 30. März 1929 nahe dem Familiengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt, Grablage AC 22, Nr. 165. In der Helene-Lange-Oberrealschule wurde sie mit einer Gedenkfeier, Freund*innen und ehemalige Schülerinnen waren dazu eingeladen, am Sonnabend, dem 6. April 1929, um 10.00 Uhr, verabschiedet.

Gertrud und Katharina Embden verzogen am 22. April 1929, einen Monat nach dem Tod ihrer Schwester Marianne, vom Jungfrauenthal in den Braamkamp 42. Ein lebenslanger Wohnplatz war ihnen mit dem Einzug in die zwei Zimmer im 3. Stock in der Wohnanlage der "Senator Erich Soltow Stiftung" gegen eine Monatsmiete von 79,- RM zugesichert worden.
Im gleichen Stock bewohnte Eleonore du Bois-Reymond ein weiteres Zimmer. Sie hatte schon vorher zusammen mit den Schwestern im Jungfrauenthal gewohnt und war mit ihnen umgezogen. Eleonore du Bois-Reymond war 17 bzw. 18 Jahre jünger als die Schwestern, gebürtige Berlinerin und gehörte der reformierten Glaubensgemeinschaft an. Sie arbeitete als Konsulatsangestellte. Vermutlich entstammte sie der bekannten Berliner Hugenottenfamilie und war mit dem namenhaften Physiologen Emil du Bois-Reymond verwandt.

Kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme war der Bruder der Schwestern, Gustav Embden, in Frankfurt antijüdischen Verfolgungen ausgesetzt. Von Studenten aus seinem Institut wurde er gezwungen, mit einem Schild "Ich bin ein Jude" durch die Stadt zu laufen. Am 25. Juli 1933 verstarb er im Nervensanatorium in Nassau, laut Eintrag in der Sterbeurkunde an "Depression Cholecystitis, Embolie". Er wurde 58 Jahre alt. Noch kurz vor seinem Tod hatte er sich mit der Erforschung des Glycosezyklus große Verdienste erworben. Von einer Enkelin ist überliefert: "Gustav Embden, their father (my grandfather) was also a victim of the Nazis. He was prevented from returning to his lifes work, he could no longer go to his laboratory. As a result he went into a deep depression for which he was hospitilized. During that time he died. He would have received the Noble prize for biochemistry that year.” Nach ihm ist das "Gustav Embden-Zentrum für Biologische Chemie" der Universität in Frankfurt benannt. Sein Schüler E. Lehnhatz verfasste einen Nachruf auf ihn: "Gustav Embden war – das erkennen wir Zurückgebliebenen von Stunde zu Stunde mehr – ein Einmaliger, ein Überragender. Seine Art, seine Forschung zu betreiben, Physiologie zu erleben und zu lehren, die strenge Kritik an sich selbst, die Zuverlässigkeit der Arbeit und die Hingabe an das Werk als eine innere Verpflichtung, all das hat er uns, seinen Schülern und seinen Freunden, als ein Vermächtnis hinterlassen, das für ihn Zeugnis ablegen soll, als ein Stück im besten Sinne deutscher wissenschaftlicher Tradition."

Ein Stolperstein erinnert an ihn an seinem Wohnort in Frankfurt am Main, Kennedyallee 99 (ehemals Forsthausstraße).

Gertrud Embden war Beamtin im Ruhestand. Sie war zum 1. Oktober 1933 als "Inspektorin beim Jugendamt" "versetzt" und ohne Pension in den "Ruhestand entlassen" worden, obwohl sie 22 Jahre in der Hamburger Wohlfahrtspflege gearbeitet hatte. Zunächst ehrenamtlich, erst als im Krieg und in der Inflationszeit ihr Vermögen verloren gegangen war, hatte sie eine besoldete Stelle beim Jugendamt Hamburg angenommen. Vier Jahre als Angestellte und neun Jahre als Beamtin war sie dort tätig. An den vorgeschriebenen zehn Jahren Beamtenzeit fehlten ihr ein Jahr für die Auszahlung einer Pension. Von daher war sie auf die Hilfe ihrer Schwester Katharina Embden angewiesen, die in der Verwaltung des Erich-Soltow-Stifts eine Tätigkeit hatte finden können und dafür monatlich 160,- RM erhielt. Daneben war ihre "Ziehtochter" Elisabeth Vahl ihre einzige Hilfe. Elisabeth Vahl arbeitete als ausgebildete Kindergärtnerin im Seminarkindergarten in der Bundesstraße und verdiente monatlich 145,- RM.

Der Bruder Heinrich Embden wurde seines Chefarztpostens am Allgemeinen Krankhaus Barmbek enthoben und wegen seiner jüdischen Herkunft am 31. Dezember 1933 entlassen.

Gertrud Embden sah sich gezwungen, ein Gesuch für eine "Gnadenpension" einzureichen. Prof. Dr. Franz Nobiling aus Charlottenburg (NSDAP-Mitglied seit dem 1. Juni 1929) unterstützte sie dabei. Im August 1933 reichte er beim Senat einen Brief an Staatsrat Schulz ein, in dem er ausführlich ihre Verdienste hervorhob: "[…] hat sie aufgrund ihrer Friedens- wie Kriegsarbeit für unser deutsches Volk das Recht zu ihrer Bitte um Gewährung einer Gnadenpension". Darüber hinaus schickte er seinen Sohn, "Scharführer cand. theol." Friedrich Nobiling, zur Rücksprache zu Senatsrat Hey. Familie Nobiling war verwandtschaftlich verbunden mit der "Ziehtochter" Elisabeth Vahl.

Die "Gnadenpension" wurde über Senatsrat Hey nach Erörterung im Senat ab Oktober 1933 zunächst für die Zeit eines Jahres gewährt. Das "Übergangsgeld" von 80,- RM monatlich sollte den üblichen Gehaltskürzungen unterliegen. Im August 1934 bat Gertrud Emden um die weitere Gewährung dieser Pension. Mit Frist zum 1. April 1935 wurde sie ihr bewilligt. Im Februar 1935 musste sie erneut einen Bittbrief schreiben. Die Antwort lautete: "Der Senat beschließt dem früheren Inspektor beim Jugendamt Gertrud Embden vom 1. April 1935 ab bis auf weiteres eine kürzungspflichtige widerrufliche Rente von monatlich 80,- RM zu gewähren."

Die "Ziehtochter" Elisabeth Vahl zog 1937 aus der gemeinsamen Wohnung im Braamkamp aus.

Gertruds Bruder Heinrich Embden wurde vom nationalsozialistischen Staat, wie allen jüdischen Ärzten, bis auf wenige sog. "Krankenbehandler", die ausschließlich Juden behandeln durften, am 1. September 1938 die Approbation als Arzt entzogen. Er emigrierte mit seiner Ehefrau und den vier Kindern am 30. Dezember 1938 nach Brasilien.

Am 28. Februar 1939 mussten Gertrud und Katharina Embden den zusätzlichen Vornamen "Sara" als Zwangsnamen annehmen. Nach dem Reichsgesetz vom 17. Februar 1938 waren alle jüdischen Frauen, deren Vornamen nicht als jüdische Namen offiziell klassifiziert worden waren, verpflichtet diesen zusätzlichen Vornamen zu führen; bei den jüdischen Männern lautete dieser "Israel".

Die beiden evangelisch-lutherisch getauften Schwestern wurden ab 31. Juli 1940 nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als Jüdinnen der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" zugeordnet, d.h. sie mussten zwangsweise Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes in Hamburg werden. Am 28. April 1942 wurden sie in das "Judenhaus", das Mendelson-Israel-Stift, Wohnung Nr. 10, die ehemalige Wohnung von Emily und Käthe Heckscher, eingewiesen. Aus dem Braamkamp kamen sie zusammen mit ihren ehemaligen Nachbarinnen Emilie Ascher, Auguste Friedburg, Hanna Hirsch und Ella Rosa Nauen. Mit Ella Nauen waren die Schwestern Embden verwandtschaftlich verbunden (ihre Großmutter mütterlicherseits, Marianne Dehn, geb. Goldschmidt, war die Schwester von Ella Nauens Vater Martin Goldschmidt).

Der älteste Bruder der beiden Schwestern, Heinrich Embden, verstarb am 3. April 1941 mit 70 Jahren in der Emigration in Sao Paulo, Brasilien. Auch ihr Neffe Dietrich Embden, der Sohn ihres verstorbenen Bruders Gustav, verstarb in diesem Jahr am 14. August 1941. Er war für Deutschland als Soldat an die Ostfront in den Krieg gezogen. Gertrud und Katharina Embden waren nun gänzlich auf sich allein gestellt. Nach seinem Tod und der Anordnung ihrer Deportation nach Theresienstadt müssen sich die Schwestern in großer Hoffnungslosigkeit und innerer Not befunden haben. Gemeinsam nahmen sie sich das Leben.

Am Morgen des 14. Juli 1942 fand Herr Kloth, der Verwalter des Mendelson-Israel-Stifts, Gertrud und Katharina Embden bewusstlos in ihren Betten liegend. Er benachrichtigte das Polizeirevier 11. Oberwachtmeister Grabow und Hauptwachtmeister Schmidt der Schutzpolizei 3830 kamen und fanden vier Hülsen mit Schlaftabletten Progymongynon. Da noch Lebenszeichen vorhanden waren, wurden die Schwestern gegen 12 Uhr mit dem Krankenwagen in das Israelitische Krankenhaus in die Johnsallee 68 gebracht. Katharina Embden verstarb noch am selben Tag um 20:00 Uhr. Einen Tag später erlag Gertrud Embden der Schlafmittelvergiftung; um 18:30 Uhr wurde ihr Tod festgestellt. Auf Anfrage beim Jüdischen Krankenhaus erhielt Kriminalsekretär Kruse von "Frl." Stillschweig die Todesmitteilungen. In der Liste der Staatlichen Kriminalpolizei ist als Motiv "Evakuierung" angegeben. Dr. med. Wolffson stellte die Todesbescheinigungen aus und händigte sie zusammen mit den Bescheinigungen dem Beerdigungsunternehmer Heinrich Sabban zur Einäscherung aus. Die Schwestern fanden ihre letzte Ruhe auf dem Ohlsdorfer Friedhof, neben dem Grab ihrer Schwester Marianne, Grablage AC 22, Nr. 164–167. Ihre Gräber sind nicht mehr erhalten.

Gertrud und Katharina Embden waren mit 66 und 65 Jahren "ausgesprochen gesund und stark", wie in dem Zeitzeugenbericht von Alice Kruse zu lesen ist.

Die Freundin der Schwester, Eleonore du Bois-Reymond, verließ Hamburg und verzog am 29. März 1943 nach Babelsberg, Potsdam, in die Berliner Straße 122.

Elisabeth Vahl, das "Ziehkind" der Schwestern Embden, verstarb am 6. Januar 1999 im Alter von 90 Jahren in Horb am Neckar. Nachfahren des Bruders Heinrich Embden leben heute in Brasilien. Die Witwe ihres Bruders Gustav, Hanni, geb. Fellner, emigrierte nach Kriegsende 1947 mit ihren Töchtern Hildegard Ter Horst, geb. Embden, und Maria Jansen, geb. Embden, in die USA.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH, 131-1 I Senatskanzlei I, Suppliken; StaH, 131-10I Senatskanzlei-Personalabteilung I, 1933 KF 27; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, 23; StaH, 331-5 Polizeibehörde, Unnatürliche Sterbefälle, 3 Akten 1942/1152 Gertrud Emden, 3 Akten 1942/1154 Katharina Embden; StaH, 332-3 Zivilstandsaufsicht, Geburtsregister, A 107 Nr. 1957/1871 Heinrich Georg Embden, A 141 Nr. 7287/1872 Marianne Embden, A 288 Nr. E 322/1874 Gustav Embden; StaH, 332-3 Zivilstandsaufsicht, Heiratsregister, B 102, Nr. 84/1870 George Embden u. Elisabeth Dehn; StaH, 332-5 Standesämter, Geburtsregister, 8914 u. 1401/1876 Gertrud Embden, 8926 u. 3503/1877 Katharina Embden; StaH, 332-5 Standesämter, Heiratsregister, 8825 u. 552/1928 Gertrud Mathilde Embden u. Hans Ernst Wassermeyer; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 200 u. 5166/1886 Henriette Embden, 451 u. 1763/1899 Charlotte Embden, 7985 u. 278/1906 Marianne Dehn, 7988 u. 328/1907 George Embden, 7997 u. 474/1909 Barthold Embden, 8097 u. 210/1929 Marianne Embden; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, A I f Bd. 89 Nr. 792 Barthold Embden, A I f Bd.132, Nr. 733 Georg Heinrich Embden, B I a 1862, Nr. 733; StaH, 332-8 Meldewesen, A 24 Bd. 338 Nr. 11861, Nr. 11792; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 1860 Heinrich George Embden, 1862 Mathilde Münster; StaH, 352-5 Gesundheitsbehörde, Todesbescheinigungen, 1907 Sta 3 Nr. 328 George Embden, 1929 Sta 3 Nr. 210 Marianne Embden; StaH, 362-6/16 Antonie Milberg, 1 Bd. 1; StaH, 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium, 675 Bd. 1, 675 Bd. 2; 377-6_I a 69 Angestellte der Kriegsküchen, Gertrud Embden; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Geburten 696 d Nr. 59/1851 Elisabeth Dehn, 696 e Nr. 101/1852 Otto Carl Isaac Dehn; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Trauungen 702a Nr. 17/1823 Moritz Embden u. Charlotte Heine; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Sterbefälle 725 k Nr. 131/1863 Bernhard Dehn, 725 l Nr. 48/1866 Moritz Embden, 727 i Nr. 52/1859 Barthold Embden; StaH, 741-4 Fotoarchiv, K 6042, K 2350, S 4537; StaH, Hamburger Börsenfirmen, A 909/0022 Nr. 11, 1910/11, Nr. 12, 1912/13; StaH, A 576/0001, Verzeichnis der Hamburger Volksschullehrer und -Lehrerinnen des Stadt- und Landgebiets sowie der Lehrer an den Vorschulen der höheren Staatsschulen hrsg. von der Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und Erziehungswesens und vom Verein der Hamburger Landschullehrer, Hamburg Jahrgänge 1896–1915; 1918/19; StaH, A 576/0001, Hamburgisches Lehrerverzeichnis, hrsg. von der Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und Erziehungswesens, Hamburg Jahrgänge 1920–1933; Hamburger Adressbücher 1870–1942; Auskünfte Standesamt Horb am Neckar, Sterberegister, 1999/Nr. 7; Auskünfte Standesamt Kloster, Geburtsregister, 1908/Nr. 7; Auskünfte Standesamt Nassau, Martin Steinhäuser, Sterberegister, Nr. 47/1933; Auskünfte Petra Schmolinske und Barbara Schulze, Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e. V., Grablage AC 22, Nr. 164–167; AC 23, Nr. 53–58; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister, Nr. 7509/1907, Nr. 6875/1910, Nr.1122/1929, Grabbrief 43286/1907; Renate Hauschild-Thiessen: Agnes Wolffson (1849–1936), in: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter 10 (1981), Nr. 9, Hamburg 1980, S. 201–218; Franklin Kopitsch/Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Bd. 2, Göttingen 2003; Max Nonne: Anfang und Ziel meines Lebens. Erinnerungen, 2., verb. Aufl., Hamburg 1972, S. 118 f.; Dirk Pette, Festansprache zum 125jährigen Jubiläum des Wilhelm-Gymnasiums, 28. April 2006; Christine Pieper: Die Sozialstruktur der Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbek, Hamburg/Münster 2003; Jürgen Sielemann: Quellen zur jüdischen Familienforschung, in: Maajan (2003), Nr. 67, S. 2186; Rita Bake: Selly Agnes Wolffson, in: http://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3100&qN=Wolffson, eingesehen am: 18.2.2022; Dehn family tree, http://www.loebtree.com/dehn.html, eingesehen am: 18.2.2022; Stolperstein-Biographien in Sachsenhausen: Embden, Gustav, https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/stolpersteine/stolperstene-in-sachsenhausen/familien/embden-gustav, eingesehen am: 28.3.2022; Alice Kruse, unveröffentl. Manuskript, und Photos der Familie Nauen/Goldschmidt, im Juni 2008 freundlicherweise bereitgestellt von Dr. Carl-Ludwig Kruse (verst. 2016). Herzlichen Dank an Ingrid Jansen und Hilary Holt!
*Zu Max Nonne, in der NS-Zeit "Euthanasie"-Befürworter siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Nonne?msclkid=6e86e861cde311eca9c58500735ab26b#Diskussion_um_den_Stra%C3%9Fennamen_in_Hamburg-Langenhorn (eingesehen 7.5.2022)
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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