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IIka Feis (geborene Hess) * 1896

Heimhuder Straße 17 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz
ermordet

Ilka Feis, geb. Hess, geb. 17.9.1896 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz

Ilka Alice Hess wurde 1896 als jüngstes Kind des Hamburger Hausmaklers Julius Hess (1853–1935) und seiner Frau Gertrud, geb. Levy (1871–1944) im Alsterkamp 13 in Hamburg-Harvestehude geboren. Im Februar 1889 hatte der Vater das Hamburger Bürgerrecht erhalten und drei Monate später geheiratet. Zwischen 1890 und 1894 waren die Kinder Lothar, Richard und Felix geboren worden. Die Familie zog kurz vor Jahresende 1904 in die Abteistraße 14 (Harvestehude). Der Vater war bis 1907 Teilhaber der Firma Anton Emden & Julius Hess, Hausmakler (Große Bleichen 46).

1917 bis 1920 lautete die Wohnadresse der Familie Isestraße 121 (Harvestehude).
Ilka Hess heiratete 1925 den Bankier Albert Feis (geb. 1.10.1888 in Spiesen bei Saarbrücken als Sohn des Metzgers Moses Feis), der seit 1908 in Hamburg lebte und seit 1915 alleiniger Inhaber einer Privatbank in Hamburg war (1919–1930: Große Bleichen 31/Kaufmannshaus, 1931–1938 Neuer Wall 42 II.Stock). Im März 1919 wurde er Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg.

1925 und 1927 wurden die beiden Töchter Ellen-Ruth und Marion geboren. Die vierköpfige Familie wohnte bis 1927 in der Rothenbaumchaussee 20. Nach der Geburt des zweiten Kindes erwarb Albert Feis die Villa Fernsicht 5, Ecke Blumenstraße (Winterhude) von der Witwe des Kommerzienrates Buchholz. Die 1905/1906 von dem Hamburger Architekten August Ott für den Kaufmann Sophus Koch erbaute Villa wurde dem Zeitgeschmack entsprechend im Auftrag von Albert Feis modernisiert, so wurde u. a. eine Warmwasserheizung eingebaut und eine "Kraftwagenhalle" innerhalb des Gebäudes geschaffen.

1935 erbte Ilka Feis von ihrem Vater Julius Hess "größere Vermögenswerte", so dass noch im selben Jahr ein kostspieliger Umbau des Einzelwohnhauses in ein Großwohnhaus für rund 24000 Mark beauftragt werden konnte. Nach dem Umbau standen mit Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss und ausgebautem Dachgeschoss vier abgeschlossene Wohnungen zur Verfügung.

Die antijüdischen Gesetze und Vorschriften des NS-Staates zerstörten nur wenige Jahre später die Existenz der Familie. 1936 wurde Feis’ Antrag "auf Wiederzuerkennung der Devisenbankeigenschaft" abgelehnt, die er von 1914–1932 bereits besessen hatte. 1937 wies die Bank einen Verlust von 6000 RM aus. Anfang September 1938 erschien ein Prüfer der Devisenstelle und kontrollierte drei Tage lang die materiellen Verhältnisse des Bankhauses sowie die der Eheleute Feis. Vier Wochen später erfolgte eine Anzeige der Zollfahndungsstelle wegen des Verdachts "nicht angemeldeten Auslandsbesitzes", was sich aber als haltlos herausstellte.

Das Ende der Firma und die Drangsalierungen schilderte eine Tochter später dem Amt für Wiedergutmachung: "Die Firma trat im November 1938 in Liquidation, weil Feis von der Gestapo die Anweisung erhalten hatte, seine Auswanderung zu betreiben und Deutschland bis zum 10. Februar 1939 zu verlassen. Die Zulassung der Firma zur Hamburger Wertpapierbörse war bereits im Juni 1938 zurückgezogen worden, weil die Firma sich nicht durch einen Arier an der Börse vertreten ließ". Am 30. Dezember 1938 erfolgte die Löschung im Handelsregister.

Die Bescheide für die "Judenvermögensabgabe" in Höhe von 27500 RM für das Ehepaar Feis trafen am 17. Dezember 1938 und 14. Januar 1939 ein. Daneben waren Auswanderungskosten für die Kinder von 3200 RM zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits die Sicherungsanordnung über das Vermögen der Eheleute Feis verfügt worden, denen per Beschluss vom 7. November 1938 ein monatlicher Betrag von 2800 RM aus ihrem Vermögen zur Abhebung zugestanden wurde.

Ende Juli 1938 war bereits das Haus Fernsicht 5 in einem notariellen Vertrag an Frau Elisabeth Thomsen, geb. Voss, zum realen Marktwert von 117500 RM verkauft worden. Davon waren allerdings noch die Hypotheken zu tilgen, die rund 2/3 des Wertes ausmachten. Das Fernsprechbuch wies Staatsanwalt a. D. Willy Johs Thomsen, Mitinhaber der Firma Lehmann & Voss & Co. Chemische Fabrik, ab 1940 als Mieter aus.

Familie Feis verzog in die Haynstraße 9 II. Stock (Eppendorf). Eine zweite Immobilie der Feis’ im Stadtteil St. Pauli wurde am 19. Januar 1939 veräußert. Nach der Abwicklung ihrer finanziellen Angelegenheiten versuchte Familie Feis nun, die Emigration aller Familienmitglieder zu bewerkstelligen. Für die geplante Auswanderung nach Südamerika kaufte sich Albert Feis bei Klockmann am Hauptbahnhof einen Kabinenkoffer mit seinem aufgemalten Monogramm sowie Kleidung, die den dortigen Klimabedingungen entsprach. Alle Gegenstände, die außer Landes gebracht werden sollten, mussten aufgelistet und mit der Angabe des Wertes und dem ungefähren Kaufdatum versehen werden. Die Listen und "das Umzugsgut" wurden von einem Beamten der Zollfahndungsstelle in der Wohnung kontrolliert. Auf diese Gegenstände wurde dann bei Albert Feis eine "Dego-Abgabe (Abgabe auf Auswanderungs-Gut)" in Höhe von 437 RM zugunsten der Deutschen Golddiskontobank (Dego) erhoben.

Probleme gab es bei der Bewilligung der Ausreise für die beiden Töchter sowie für Ilka Feis. Bis zum Ausreisetermin für Albert Feis am 19. Februar 1939 fehlten die Ausreisebestätigungen für die übrigen Familienmitglieder. Erst am 27. April 1939 lag für die 11- und 13-jährigen Kinder eine befristete Unbedenklichkeits-Bescheinigung vor, auf der Kultussteuerkarte wurde "U. B. erteilt" vermerkt. Eine Ausreise nach England war nun möglich. Eine der Töchter fasste die Ereignisse für die in den 1950er Jahren beantragten Wiedergutmachungszahlungen später so zusammen:

"Albert Feis ist im Frühjahr 1939 aus unserer Heimatstadt Hamburg ueber Boulogne nach Brasilien ausgewandert. Vor seiner Abreise beschlossen meine Eltern, dass meine Schwester Marion und ich nach England geschickt werden und die Schule in Oxford besuchen sollen, um erst nach Brasilien nachzukommen, wenn mein Vater dort Fuss gefasst haben wird. Tatsächlich sind wir etwa 2–3 Wochen nach der Auswanderung meines Vaters nach Oxford gefahren, wo wir die Headington School for Girls besuchten. Wir haben ausser unserer Waesche und Kleidungsstuecken je ein komplettes Schlaf-Wohnzimmer mitbekommen. Im Herbst 1940 gab uns unser Vater Weisung, nach Brasilien zu kommen. Er beschaffte die Schiffspassagen durch Ueberweisung eines bestimmten Pfundbetrages, und wir traten die Ueberfahrt in der I. Klasse der ,Highland Princess‘ der Royal Mail Line in Liverpool an. (…)".

Die Kinder durften ebenfalls ein Grammophon samt Schallplatten von Wolters (Geschenk der Großmutter Gertrud Hess, geb. Levy) sowie ein Ölbild mit dem Portrait ihrer Mutter nach England mitnehmen.

Ilka Feis gelang es nicht mehr, Deutschland zu verlassen. Ihr Bruder Felix Hess (geb. 17.8.1894), wohnhaft Isestraße 139, hatte sich bereits nach dem Pogrom am 9. November 1938 das Leben genommen. Im Mai 1939 wurde von Ilka Feis eine "Reichsfluchtsteuer" in Höhe von 29000 RM gefordert. Sie zog im September 1939 in die Lenhartzstraße 3 (Eppendorf). 1940 wurde sie in ein sogenanntes Judenhaus in der Heimhuder Straße 17 (Rotherbaum) einquartiert. Nach einem für Juden verbotenen Kino-Besuch im Mai 1941 soll sie auf der Straße verhaftet worden sein. Es folgte am 22. Mai 1941 die Einlieferung ins KZ Hamburg-Fuhlsbüttel und am 12. Juni 1941 die Überstellung ins "Stadthaus", die Hamburger Gestapo-Zentrale. Am 25. Oktober 1941 wurde sie ins Getto Lodz deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Am 17. April 1950 wurde Ilka Feis, geb.Hess, vom Amtsgericht Hamburg für tot erklärt.

Ihre siebzigjährige Mutter Gertrud Hess wurde am 15. Juli 1942 aus dem zum "Judenhaus" umfunktionierten jüdischen "Z. H. May und Frau-Stift" in der Bogenstraße 27 (Eimsbüttel) nach Theresienstadt und von dort am 15. Mai 1944 weiter ins KZ Auschwitz deportiert und ermordet.

Vor dem Haus Heimhuder Straße 17 erinnert ebenfalls ein Stolperstein an Ilka Feis.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 4; 8; AfW 170996; StaHH, 314-15, Akten des Oberfinanzpräsidenten, F 502; StaHH, 741-4, Alte Einwohnermeldekartei; StaHH, 221-11, Entnazifizierungsakte J (c) 1095; Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH), 35363 Fuhlsbüttel Häftlingslisten; Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Fernsicht 5; AB 1904, 1920, 1926, 1936, 1937, 1941; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1895–1908, 1910, 1914, 1918–1920, 1926-1931, 1939–1941, 1943; Hamburger Börsenfirmen 34. Auflage, Hamburg Februar 1933, S. 223; Standesamt Neunkirchen/Saar, Geburtsurkunde von Albert Feis; Telefonat mit Herrn G.H. (Neffe von Ilka Feis), Hamburg, 3.5.2007; Gespräch mit Herrn G. M. (ehemals Blumenstraße 33), Hamburg 16.6.2007.

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