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Robert Fischer * 1887

Buxtehuder Straße 56 (Harburg, Harburg)


HIER WOHNTE
ROBERT FISCHER
JG. 1887
FLUCHT ÖSTERREICH
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 7.6.1944

Robert Fischer, geb. am 30.7.1887 in Harburg, deportiert von Wien am 21.8.1942 nach Theresienstadt, dort am 6.6.1944 verstorben

Stadtteil Harburg-Altstadt, Buxtehuder Straße 56

Robert Fischer war der einzige Sohn des jüdischen Fabrikbesitzers Hermann Fischer und seiner Ehefrau Emma, geb. Pokorny, (8.7.1859–24.3.1935), die am Ende des 19. Jahrhunderts aus der Donaumonarchie Österreich-Ungarn nach Harburg gezogen waren.

Mit der Gründung seiner Harburger Gummiwarenfabrik in der Buxtehuder Straße 37–41 hatte Hermann Fischer auf seine Weise zu der rasanten industriellen Entwicklung der Stadt in den Jahren nach 1871 beigetragen, an deren Spitze die Gummiindustrie stand. Die fünf Harburger Werke dieser Branche beschäftigten noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mehr Arbeiter als alle anderen Industriebetriebe der Stadt. Am 12. September 1901 erwarb Hermann Fischer die preußische Staatsangehörigkeit.

Auf dem Fabrikgelände befand sich neben dem Werk noch ein Mietshaus, in dem die Familie allerdings nicht wohnte. Sie hatte ihr Domizil zunächst in der Heimhuder Straße 1 im Hamburger Stadtteil Rotherbaum.

Nach Abschluss seiner Schul- und Berufsausbildung trat Robert Fischer in die Firma seines Vaters ein und arbeitete sich mit der Zeit zum Prokuristen empor. Am 15. Februar 1921 heiratete er die drei Jahre jüngere Dora Schlesinger, (geb. 29. 4.1900), die aus einer Wiener jüdischen Familie stammte. Am 10.12.1921 wurde ihr erster Sohn Heinz geboren, und am 31.1.1923 folgte ihr zweiter Sohn Walter.

Im Jahre 1930 verlegte die Familie ihren Wohnsitz von der Heimhuder Straße in Hamburg nach Harburg. Von ihrer Villa in der Buxtehuder Straße 56 mussten Vater und Sohn nur einen kurzen Weg zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen. Sie wurden zugleich Mitglieder der Harburger Jüdischen Gemeinde.

Die Weltwirtschaftskrise und die nationalsozialistische Herrschaft bewirkten einschneidende Veränderungen im Leben der beiden Männer und ihrer Familien. Der Umsatz der Gummiwarenfabrik brach dramatisch ein, was dazu führte, dass Hermann Fischer sich gezwungen sah, die Villa in der Heimhuder Straße zunächst mit einer Hypothek zu belasten und einige Jahre später weit unter Wert zu verkaufen. Die Situation verbesserte sich dadurch jedoch nur vorübergehend. Als seine Zahlungsschwierigkeiten immer gravierender wurden, griffen die Banken ein, beschlagnahmten die Harburger Gummiwarenfabrik und verkauften sie an einen neuen Besitzer.

Robert Fischer litt nicht nur unter diesen materiellen Verlusten, sondern wurde gleichzeitig auch noch von zwei privaten Schicksalsschlägen heimgesucht. Am 24. März 1935 starb seine Mutter und bald darauf am 2. November 1935 sein vierzehnjähriger Sohn Heinz. Beide wurden auf dem Harburger Jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg beigesetzt.

Anfang 1936 versuchte Dora Fischer, sich nach dem tragischen Tod ihres ältesten Sohnes dem zunehmenden Verfolgungsdruck dadurch zu entziehen, dass sie mit ihrem jüngeren Sohn Walter nach Wien übersiedelte, wohin ihr Mann ihr später nach der Regelung aller finanziellen Angelegenheiten folgen wollte.

Diese Pläne musste er jedoch bald aufgeben, als die Lage immer gefährlicher wurde. Im Sommer des Jahres 1936 flüchtete er mit seinem 85-jährigen Vater Hals über Kopf in dessen jugoslawische Heimat. Die beiden Männer mussten ihr restliches Vermögen in Harburg zurücklassen und konnten lediglich ihr nacktes Leben retten. Nach dem Tod seines Vaters wurde Robert Fischer im Dezember 1938, da seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wurde, über Ungarn in die "Ostmark” (Österreich) abgeschoben. Seiner Frau war kurz vorher mit ihrem Sohn Walter die Flucht in die Schweiz gelungen. Von dort aus konnten sie später nach Australien entkommen. Die Ehe Dora Fischers mit ihrem Mann wurde am 29. April 1939 geschieden.

Robert Fischer konnte sich nicht durch Emigration retten. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf, seinen Sohn eines Tages wiedersehen zu können, obwohl sich seine Lage zusehends verschlechterte. Bald konnte er sich nicht einmal mehr eine eigene Wohnung leisten und musste froh sein, bei der Familie Goldberg in der Seilerstraße 12 Unterschlupf zu finden. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er zu Straßenbauarbeiten herangezogen. Als tiefe Erniedrigung dürfte er im September 1941 die Anordnung empfunden haben, in Zukunft in der Öffentlichkeit den "Gelben Stern" tragen zu müssen.

Am 20. August 1942 wurde er von Wien nach Theresienstadt deportiert. Wie alle anderen Gettobewohner war er den unmenschlichen Lebensbedingungen dieses Ortes schutzlos ausgeliefert – dem ständigen Hunger, der katastrophalen Enge, den primitiven sanitären Verhältnissen, der mangelhaften medizinischen Versorgung und der permanenten Angst vor den Weitertransporten in den Osten. Keiner weiß, wie groß seine ganz persönliche Not war und wie sein Leben in diesem Lager schließlich endete.

Nach Auskunft des tschechischen Roten Kreuzes wurde sein Leichnam am 7. Juni 1944 im Krematorium eingeäschert.

© Klaus Möller

Quellen: 1; 8; StaH, 351-11, AfW, Abl. 2008/1, 300787; Heyl (Hrsg.), Harburger Opfer; Heyl, Synagoge; Kändler/Hüttenmeister, Friedhof.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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