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Alfred Gutmann * 1866

Hohenzollernring 8 (Altona, Ottensen)


HIER WOHNTE
ALFRED GUTMANN
JG.1866
1940 FUHLSBÜTTEL
"SCHUTZHÄFTLING"
DEPORTIERT
THERESIENSTADT GHETTO
ERMORDET
21.9.1942
TREBLINKA

Alfred Gutmann, geb. am 26.12.1866, 1940 verhaftet, am 19.6.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiterdeportiert nach Treblinka und dort ermordet

Hohenzollernring 8

Alfred wurde als Kind der jüdischen Eheleute Nathan Gutmann und seiner Frau Cäcilie, geb. Freund, am 26.12.1866 als zweites von fünf Kindern in Hamburg geboren. Julia, am 9.9.1865 war die Erstgeborene, es folgten am 17.12.1869 Manfred, am 30.3.1871 Hedwig und am 8.12.1874 Eugen Peter.

Über die Kindheit und Schulbildung von Alfred konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Sein Vater Nathan Gutmann war Inhaber der Firma Alexander Gutmann, eines Manufakturen Warenlagers in der Bahrenfelder Straße 108. Die Gutmanns waren bereits in der zweiten Generation in Hamburg als Kaufmannsfamilie ansässig und sind zu großem Wohlstand gelangt. Alfred Gutmann stieg später in das Geschäft seines Vaters mit ein.

Alfred heiratete am 27. Juni 1903 in Köln die katholische Elisabeth Maria Wierzbowski, geb. am 16.9.1876 in Graudenz (Westpreußen). Ihre Eltern waren der Brigadekommandeur Joseph Wierzbowski und Anna Hedwig Caroline, geb. Schrewe. Sie hatte eine Schwester, Frieda Olga Brigitta, die am 19.1.1884 in Saarlouis geboren wurde.

Alfred konvertierte Elisabeth zuliebe nach der Heirat vom jüdischen zum katholischen Glauben. Die Ehe blieb kinderlos. Sie bewohnten zunächst eine Wohnung in der Fritz-Reuter-Straße 6 (heute Onckenstraße) in Othmarschen. 1910 bezogen sie in eine Wohnung in der Altonaer Bahnhofstraße 88, die sie bis 1916 bewohnten.

Am 5. März 1932 starb Alfred Gutmanns Schwager Gustav Arthur Weber in Hamburg. Alfred fühlte sich nach dem Tod seines Schwagers für seine Schwester verantwortlich, nahm sie in seiner Eigentumswohnung Flottbeker Chaussee 195 (heute Elbchaussee) auf und zahlte ihr bis zu ihrer Deportation eine Rente von 150 RM monatlich.

Laut Hamburger Adressbüchern arbeitete Alfred ab 1904 bei den Pal(l)asch Werken in Hamburg Eidelstedt. Diese stellten hauptsächlich Fischmehl her, das aus gemahlenen getrockneten Fischen oder Fischteilen bestand. Es wurde als Beimischung zu Futtermitteln genutzt.

Alfred Gutmann erwarb dann die Pal(l)asch Werke an der Ottenser Straße 16 in Eidelstedt (früher zu Altona gehörig) und machte sich damit am 6. März 1914 selbstständig. Er kaufte das 6.460 m² große Grundstück für 77.520 RM.

Für den Erwerb der Fischmehlwerke stellte ihm seine Ehefrau 20.000 RM zur Verfügung. Der restliche Betrag von 57.520 RM setzte sich aus Aktien, Hypotheken und Geldanleihen, (die er anderen Leuten zur Verfügung gestellt hatte,) zusammen.

Bei der Überlassung des Grundstücks fürchteten Anwohner schon im Vorwege Geruchsbelästigung durch den Fischbetrieb. Alfred Gutmann sicherte zu, jede vom Magistrat verlangte Verbesserung oder Neuerung durchzuführen, um den Fischgeruch zu vermeiden.

Am 21. Januar 1915 beantragte er, auf dem Gelände Gleise anlegen zu dürfen, was ihm von der Stadt Altona genehmigt wurde. Er erweiterte das Gelände zudem durch den Zukauf von Grundstücken. Durch den Gleisanschluss konnte er dann wirtschaftlicher arbeiten.

Am 1. April 1919 wandelte er die Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung um. Die Mitgesellschafter waren aus wirtschaftlichen Interessen für die Maschinen und den Grundbesitz verantwortlich.

Am 7. Mai 1924 verkaufte Alfred Gutmann die Firmenrechte an den nichtjüdischen Kaufmann Leopold Heldman, wohnhaft Heilwigstraße 126 in Hamburg, den zukünftigen Alleininhaber. Am 23. Oktober 1925 wurde ein Konkursverfahren gegen die Pal(l)asch Werke vor dem Amtsgericht in Altona eröffnet.

Nach dem Firmenverkauf blieb Alfred Gutmann den Pal(l)asch Werken weiter eng verbunden. So übernahm er die Schuldverschreibungen für das Konkursverfahren und zahlte ab 1. Oktober 1928 mit 2% Zinsen die Schulden in Höhe von 176.384,54 RM zurück. Die Pal(l)asch Werke wurden dann 1930 an die Firma Lübcke & Co KG verkauft.

Brigitte Bromstein, die einzige lebende Schwester von Elisabeth Gutmann, war an den Extraktions- und Fischmehlwerken Lübcke & Co. KG in Eidelstedt finanziell beteiligt. Als die Firma in finanzielle Schwierigkeiten geriet, unterstützte Alfred Gutmann sie mit einem Betrag von 29.000 RM.

Alfred Gutmann pflegte viele Kontakte und hatte viele Freunde, so unter anderem den Architekten Carl Hugo Dehn. Er benötigte 225.000 RM für den Bau eines Hauses im Heidenkampsweg 244–246. Alfred und Elisabeth liehen ihm das Geld und sicherten sich damit eine Leibrente.

Zudem ließ er sich als Sicherheit das Gebäude im Grundbuch von St. Georg am 6. Juli 1929 auf seinen Namen eintragen. Als die Nationalsozialisten später an der Macht gekommen waren, drückten sie den Zinssatz von 8% auf 6%. (Carl Hugo Dehn starb am 27. Oktober 1942, drei Monate nach Alfreds Deportation, an Magenkrebs in Hamburg.)

Alfred führte ein Konto bei der Deutschen Bank in Altona, über das er jedoch – wie alle Juden, gegen die eine "Sicherungsanordnung" erlassen worden war – nicht frei verfügen durfte. Die Devisenstelle erließ die "Sicherungsanordnung" am 22.12.1938. Er musste sich nun genehmigen lassen, welchen Betrag er zum monatlichen Lebensunterhalt aufwenden durfte. Die Devisenstelle befürchtete angeblich, dass das Ehepaar flüchten könnte.

Alfred durfte noch über 1000 RM monatlich verfügen, dann über 750 RM, dann über 800 RM. Er erhielt von dem Geld, das er den Fischmehlwerken geliehen hatte, nur 1.000 RM zurück, die auf sein Sperrkonto überwiesen wurden.

Die Eheleute Gutmann bewohnten weiter ihre Eigentumswohnung in der Flottbeker Chaussee 195a (heute Elbchaussee) bis 1940. Wegen der geplanten Elbhochbrücke mussten sie die Wohnung räumen. Im Februar 1939 stellte Elisabeth Gutmann beim Stadtplanungsamt Hamburg-West einen Antrag für die Genehmigung eines Neubaus am Hohenzollernring 8. Er wurde am 27. Juni 1939 positiv beschieden. Die Freigabe aller Mittel zur Begleichung der für das Haus erforderlichen Auslagen mussten die Eheleute bei der Devisenstelle beantragen. Sie erhielten die Genehmigung am 4. September 1940.

Im Bankschließfach der Eheleute Gutmann lagen Wertpapiere, Sparbücher und Bargeld. Elisabeth gehörten 20.000 RM, die sie ihm für die Fischmehlwerke geliehen hatte. Nach dem Einzug in das Haus Hohenzollernring 8 senkte die Devisenstelle den monatlichen Freibetrag, über den Gutmanns verfügen durften, auf 600 RM.

Das Ehepaar beantragte immer wieder eine Erhöhung des monatlichen Freibetrags. Elisabeth war körperbehindert, welcher Art die Behinderung war, wissen wir nicht. Sie besaß ein Auto und benötigte es für die Arztbesuche. Zudem mussten teure Medikamente bezahlt werden. Alfred Gutmann benötigte pflegerische Unterstützung. Auch über seine körperlichen Beeinträchtigungen wissen wir nichts.
Außerdem beschäftigte das Ehepaar eine Köchin und stundenweise eine Aushilfskraft zur Unterstützung im Haushalt. Sie beschenkten regelmäßig 20 Personen zu den Feiertagen, und die Köchin Lina Urbat bekam ein Extragehalt.

Alfred hatte in seiner Funktion als Kaufmann anderen Leuten immer mal wieder Geld zur Verfügung gestellt, so unter anderem dem Doktor der Naturwissenschaften für Philosophie Oskar Isey. Mit dem geliehenen Geld konnte sich Oskar Isey ein Grundstück in Klein Flottbek kaufen. Die Rückzahlung dieser Hypotheken durfte ebenfalls nur auf das Sperrkonto von Alfred Gutmann bei der Deutschen Bank eingezahlt werden.

Am 31. Januar 1939 wurde gegen das Ehepaar Gutmann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es war denunziert worden: Im Haus befand sich ein Schließfach mit Sparbüchern, Bargeld und Schmuck. Außerdem lagen im Safe Unterlagen über eine bereits abgelaufene Hypothek von 1928 über 60.000 RM, die Alfred dem Staatsrat Dr. Emil Helfferich zur Verfügung gestellt hatte. Alfred Gutmann sagte aus, dass die Sparkassenbücher seiner Ehefrau gehörten.

Die Anschuldigungen gegen ihn erwiesen sich im Ermittlungsverfahren als haltlos und dieses wurde am 18. April 1939 eingestellt. Die Sparkassenbücher stammten aus den Jahren 1925/1926, so konnte Alfred kein Betrug nachgewiesen werden. Vermutlich hatte der ehemalige Prokurist Adolf Lüdders, den Alfred Gutmann in früheren Zeiten entlassen hatte, seinen damaligen Chef denunziert. Er hatte ihm auch regelmäßig Drohbriefe geschickt.

Am 25. November 1940 setzte Elisabeth Gutmann in ihrem Testament ihren Mann Alfred als alleinigen Erben für das Haus an der Flottbeker Chaussee 16 ein. Der geschätzte Wert für Haus und Grundstück betrug 40.000 RM. Von 1941 bis 1942 lebte das Ehepaar dann am Hohenzollernring 8 im selbsterbauten Haus.

Am 23. April 1941 verstarb Elisabeth in den Abendstunden in ihrem Haus am Hohenzollernring 8 durch einen Bombenangriff. Alfred kaufte für sie ein Doppelgrab, Abteilung 19 Lager I Nummer 8-9, auf dem Friedhof Altona in der Stadionstraße. Vermutlich wollte er später ebenfalls dort beigesetzt werden. Elisabeth wurde am 26. April 1941 in dem neuerworbenen Grab beerdigt.

(In den 1970er Jahren bekam sie eine Ehrengrabstätte bei den Bombenopfern in der Mitte des Friedhofes und wurde dorthin umgebettet. Das Grab wird bis zum heutigen Tag durch die Friedhofsgärtner gepflegt.)

Wie schwer das Haus durch den Bombenangriff beschädigt wurde, wissen wir nicht. Alfred lebte weiterhin dort bis zu seiner Deportation.

Die Ehe der Gutmanns galt in der nationalsozialistischen Terminologie als nichtprivilegierte Mischehe. Jüdische Ehepartner, die in einer solchen lebten, waren vor einer Deportation nicht geschützt, wurden aber zurückgestellt und dann meist nach Theresienstadt deportiert. Nach dem Tod seiner Ehefrau verlor Alfred Gutmann auch diesen fragilen Schutz und musste mit der Deportation rechnen. Die für Theresienstadt bestimmten Jüdinnen und Juden wurden bis Sommer 1942 zurückgestellt, dann begannen die Transporte dorthin. Vermögende Juden hatten in diesem Fall einen "Heimeinkaufsvertrag" abzuschließen, in dem sie ihr Vermögen der ehemaligen Jüdischen Gemeinde übertrugen, die es an den NS-Staat weiterleiten musste.

So übertrug er noch kurz vor seiner Deportation seinem Freund, dem Fischräuchereibesitzer Detlef Frick, wohnhaft in Altona, Kleine Fischerstraße 48–50, 30.830 RM zur Verwahrung. (Detlef Frick ließ diesen Betrag im Juli 1949 Alfred Gutmanns Erben zukommen.) Unter der drohenden Zwangsenteignung verkaufte Alfred Gutmann das Haus an den Konsul Georg Rademacher.

Die Summe, die er laut "Heimeinkaufsvertrag" entrichten musste, belief sich auf 18.500 RM. Mit dem Vertrag wurde ihm die kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankversorgung in Theresienstadt zugesagt.
Die Realität waren überfüllte Baracken, ungeheizte Wohnstätten, mangelhafte Ernährung und komplett unzureichende ärztliche Versorgung. Die Menschen hatten, wenn überhaupt, ein Bett, einen Stuhl und einen Schrank. Mehr wurde ihnen nicht bewilligt.

Alfred Gutmann wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und ungeachtet des "Heimeinkaufsvertrages" von dort am 21. September 1942 nach Treblinka weiterdeportiert und ermordet.

Am 13. Oktober 1942 fand eine Versteigerung seines Mobiliars und Hausrats statt. Der Erlös betrug 272 RM für das Silber und 22.177,50 RM für den restlichen Hausstand. Das Protokoll vermerkte, die Versteigerung "freiwillig" erfolgte.


Alfred Gutmanns Angehörige:
Alfred Gutmann hatte – wie oben erwähnt – noch drei weitere Geschwister: Julia Weber wurde am 15. Juli 1942 ebenfalls nach Theresienstadt und mit demselben Transport wie ihr Bruder am 21. September 1942 weiter nach Treblinka deportiert und dort ermordet. Ein Stolperstein liegt in der Isestraße 21.

Der Bruder Manfred wurde mit seiner Ehefrau Rosa, geb. Epstein, am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Manfred Gutmann am 15. August 1942, seine Ehefrau Rosa am 5. März 1943 verstarb. Für sie liegen Stolpersteine im Jungfrauenthal 28. (siehe www.Stolpersteine-hamburg.de)

Eine weitere Schwester, Hedwig, flüchtete nach Schottland und verstarb dort nach dem Krieg.

Der Bruder Eugen Peter wurde am 1. November 1905 in Hamburg in der Brahmsallee 6 tot aufgefunden. Er wurde auf dem nichtjüdischen Friedhof Ohlsdorf in dem Grab A.G.32 Nr. 67 beigesetzt.

In dem Grab neben Eugen Peter Gutmann wurden auch seine Eltern Nathan und Cäcilie Gutmann und sein Schwager Gustav Arthur Weber beigesetzt.


Stand: Februar 2019
© Bärbel Klein

Quellen: StaH 1; 2; 3; 4; 5; 7; 8; 136-1_927; 213-13_4670; 213-13_4671;213-13_4672; 213-13_4673; 214-1_313; 353-2 II_312 Dr. Helfferich; 731-8_A 6758 Helfferich; 424-111_D c 1849; 424-13_2546; 424–111_5262; 332-3_A290_156/1869, 332-2_A292_56/1871; 332-2_A 295_282/1874; 332-5_527/1941; 332- 5_454/1905; 332-5_130/1907; 332-5_257/1932; 332-5_287/1942; 332-5_267/1926; 332-5_260/1931; 332-5_72/1908; 741-4_K6175; Korrespondenzakte, 2016, 6.3.3.1 [106568005]/[7105]/ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Stadtteilarchiv Eidelstedt zur Geschichte der Pal(l)asch Werke eingesehen 7.9.2018; Hauptfriedhof Altona Grabstätte Gutmann; Kopie der Graburkunde vom Friedhof Ohlsdorf.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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