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Benno Hauptmann * 1917

Bartelsstraße 30 Ecke Susannenstr. (Altona, Sternschanze)

1941 Lodz
1942 ermordet in Chelmno

Weitere Stolpersteine in Bartelsstraße 30 Ecke Susannenstr.:
Ruth Hauptmann, Rieckchen Hauptmann

Benno Hauptmann, geb. 17.8.1917 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, deportiert am 10.5.1942 nach Kulmhof (Chelmno), dort ermordet
Rieckchen (Rickchen, Riekchen, Jenny, Fanny) Hauptmann, geb. Bloch (Blach), geb. 26.9.1883 (25.9.1883) in Abterode, deportiert am 23.9.1940 aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn, ermordet am selben Tag in der Tötungsanstalt in Brandenburg a. d. Havel
Ruth Hauptmann, geb. 5.10.1915 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 13.7.1942

Benno und Ruth Hauptmann waren leibliche Kinder von Rieckchen Hauptmann, der zweiten Ehefrau Fabian Hauptmanns. Sie hatten vier weitere Brüder, die fast 20 Jahre älter waren und sehr wahrscheinlich alle aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Martha, geborene Salomon, stammten: Siegmund und Kurt überlebten den Nationalsozialismus – Kurt, in Mischehe verheiratet, leistete mehr als fünf Jahre Zwangsarbeit bei verschiedenen Firmen und wurde im Februar 1945 ins Getto Theresienstadt deportiert; Siegfried zog 1926 oder 1927 nach Berlin, wurde 1938 inhaftiert, ins Konzentrationslager Buchenwald verbracht und 1945 für tot erklärt; Rudolf fiel im Ersten Weltkrieg.

Rieckchen führte mit ihrem Mann Fabian, der aus Lissa in Posen stammte, ein Möbelgeschäft in der Bartelsstraße 34/36, in dem sie neue und gebrauchte Möbel anboten. Auf einer Wählerliste der Jüdischen Gemeinde für das Jahr 1930 wird die Bartelsstraße 34 als Anschrift für Fabian, Jenny und Kurt genannt. Das Geschäft wurde Hauptmanns entzogen. Später wohnten Rieckchen und Fabian mit ihren Kindern Ruth und Benno in der Marthastrasse 28/30. 1937 zogen sie in die heute nicht mehr existierende Schlachterstraße. Die Hausnummern 40/42, in denen Hauptmanns eine Wohnung mieteten, gehörten dem Marcus-Nordheim-Stift. Am 29. August 1938 kam Fabian einundsiebzigjährig in die Psychiatrische Klinik Friedrichsberg. Dort wurde eine Depression in Senium diagnostiziert. Am 6. Oktober 1938 wurde er mit einem Sammeltransport in die Staatsanstalt Langenhorn überstellt und verstarb dort elf Tage später.

Rieckchen kam ebenfalls 1938 in psychiatrische Behandlung in die "Landesirrenanstalt" Ochsenzoll. Bei der Volkszählung im Mai 1939 wurde sie in Langenhorn, Zählbez.-Nr. 333, registriert. Die Registerkarte gibt außerdem einen Hinweis auf ihren Verbleib. Dort steht: "Deportationsziel Cholm=Chelm, 23.09.1940". Wie heute bekannt ist, diente die "Irrenanstalt Cholm, Post Lublin", als Deckadresse für den angeblichen Bestimmungsort dieses und anderer Transporte in das ehemalige Zuchthaus Brandenburg, in dem alle Patientinnen und Patienten am Tag der Ankunft in Gaswagen ermordet wurden.

Die Historikerin Beate Meyer erklärt, wie die Verschleierung gelang: "Ein fiktives Standesamt beurkundete den Tod der Patienten, der den Angehörigen bzw. den Bezirksstellen der Reichsvereinigung oder den Jüdischen Gemeinde später schriftlich mitgeteilt wurde." Der Deportation und Ermordung der jüdischen Insassen psychiatrischer Kliniken Hamburgs ging eine Fragebogenaktion voraus, in der die leitenden Ärzte und Ärztinnen der Heil- und Pflegeanstalten mittels eines Runderlasses des Reichsinnenministeriums aufgefordert waren, neben Angaben zur Person der einzelnen Patientinnen und Patienten auch die "Diagnose" und "Staatsangehörigkeit und Rasse" zu erfassen und an das Reichsinnenministerium zurückzuschicken. Langenhorn diente ab Mitte 1940 als Sammelanstalt für jüdische Patienten und Patientinnen aus dem norddeutschen Raum. Von hier wurden am 23. September 1940 auf zentrale Anweisung aus Berlin 136 jüdische Patienten direkt in die Tötungsanstalt Brandenburg deportiert.

Ruth war gelernte Hausangestellte und arbeitete – so ist es auf ihrer Kultussteuerkarte vermerkt – als Kindermädchen. Im August 1933 zog sie nach Altona in die Bergstraße 125, wenige Monate später in die Bartelsstraße 30. Sie trat Ende Dezember 1933 in die Jüdische Gemeinde ein, wurde jedoch in den Jahren 1934 bis 1939 steuerlich nicht veranlagt. 1940 zahlte sie eine geringe Kultussteuer. Bis 1938 lebte sie wieder bei der Familie in der Marthastraße und in der Schlachterstraße. Als ihre Eltern in psychiatrische Kliniken eingeliefert wurden, zog sie in die Haynstraße 15 zu Levy und weiter in das "Judenhaus" in der Frickestraße 24, wo sie ebenfalls bei Levy wohnte. Sie arbeitete bis zu ihrer Deportation als Hausgehilfin.

In Lodz wohnte sie zunächst in der Rembrandtstraße 12, Wohnung 32, später in der Kreuzstraße 2a. Wenige Wochen nach der Ermordung ihres Bruders Benno starb auch Ruth. Die Chronisten des Gettos notierten für Montag, den 13. Juli 1942, 65 Sterbefälle und 4 Geburten.

Ruths Bruder Benno hatte die Talmud Tora Realschule besucht. Zeugnisse sind aus den Jahren 1924 bis 1932 erhalten. Er trat dem Jüdischen Religionsverband 1936 bei. In den folgenden Jahren hatte er geringe Einkünfte, für die er – außer 1937 – steuerlich nicht veranlagt wurde. Auch er verließ die elterliche Wohnung 1938. Er zog in die Klosterallee 33, in die Werderstraße 7 und in die Kaiser-Wilhelm-Straße 115. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei Isaacsohn und Bühring, einem Im- und Exportgeschäft in der Kaiser-Wilhelm-Straße, die er im September 1939 abschloss. Noch im selben Jahr wechselte er seinen Wohnsitz an den Hegestieg 12, kurz darauf in den Grindelhof 95. Er arbeitete als kaufmännischer Angestellter bei der 1920 gegründeten Firma de Vivanco & Co. Für 1940 findet sich eine Bemerkung auf der Kultussteuerkarte: "Miete wird von der Fürsorge bezahlt. Arbeitet im Heim Rothenbaumchaussee gegen Verpflegung u. 10,– Taschengeld."

Als seine Schwester Ruth den Deportationsbefehl ins Getto von Lodz erhielt, wohnte Benno in der Parkallee 12. Er meldete sich freiwillig für den Transport am 25. Oktober 1941. In Lodz war er in der Hausierergasse 1, Wohnung 11, untergebracht und arbeitete in der Bekleidungsfabrikation als Konfektionist. Das Getto "Litzmannstadt" diente der SS als Produktionsgetto. Auch der Judenälteste Chaim Rumkowski hoffte, über Arbeitsleistung Lebenszeit erkaufen zu können. Die Produktion diente in erster Linie der Wehrmacht, zu einem Teil wurden die Produkte auch an Privatfirmen verkauft. Im Mai 1942 begann in Lodz die "Aussiedlung" – d. h. die Ermordung – der westeuropäischen Juden.

Die Deportationskarten – im Gettojargon "Hochzeitskarten" genannt – wurden seit Anfang Mai in erster Linie an Menschen verschickt, die nicht in Arbeit standen. Zwischen dem 4. und dem 15. Mai ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 10000 der Menschen, die im Herbst 1941 aus dem "Altreich" in das jüdische Getto von Lodz "eingesiedelt" worden waren, im Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno in Gaswagen. Benno Hauptmann war einer von ihnen.

© Christiane Jungblut

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; AB 1936, T. 1, 1938, T. 1; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 7, Seite 491; ITS/ARCH/Ghetto Litzmannstadt, Ordner 7, Seite 492; StaH 314-15 OFP, Abl. 1998/1, H 959; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 291095 Hauptmann, Kurt; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2/1995, 25298; StaH 362-6/10 Talmud-Tora-Schule, TT 19; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 1 Band 1; Feuchert/Leibfried/Riecke (Hrsg.), Chronik, 1942, 2007, S. 7 f, 142, 360; Löw, Litzmannstadt, 2006, S. 309; Meyer, unveröffentlichtes Dokument, 2008; Rüter/de Mildt, Justiz, http://www1.jur.uva.nl/junsv/ Excerpts/697002.htm (17.2.2009); Wunder, Anstaltsfürsorge, in: Ebbinghaus/Linne (Hrsg.), Kein abgeschlossenes Kapitel, 1997, S. 400.

Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.
Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939

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