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Heinz Leon Freschel * 1918

Hamburger Straße 164 (Hamburg-Nord, Barmbek-Süd)

1938 Zbaszyn / Polen
ermordet

Weitere Stolpersteine in Hamburger Straße 164:
Maier David Freschel, Henny Freschel

Maier David Freschel, geb. 28.5.1888, am 28.10.1938 nach Bentschen (Zbaszyn), Polen, ausgewiesen, später verschollen
Henny Freschel, geb. Urich, geb. 20.3.1889, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert
Heinz Leon Freschel, geb. 13.1.1918, am 28.10.1938 nach Bentschen (Zbaszyn), Polen, ausgewiesen, später verschollen

Hamburger Straße 164

Der Kürschner Maier David Freschel, genannt Max, wuchs in dem kleinen Städtchen Przemysl im äußersten Südosten Polens an der Grenze zur Ukraine auf. Seine Eltern Leon (Leib) und Schajndel Freschel (auch als Freschl oder Fröschel notiert) hatten noch vier weitere Kinder: Adolf, Eva, Heinrich und Michael. Bis auf den jüngsten Bruder Adolf und die Mutter Schajn­del wanderte die gesamte Familie nach Hamburg aus.
Max Freschel heiratete die gebürtige Hamburgerin Henny Urich, welche die Tochter von David und Anita, geb. Italiener, war. Henny hatte noch zwei Brüder. Hermann kam im Jahr 1887 zur Welt, Jacob 1892.

In Hamburg baute sich Max Freschel sein eigenes Geschäft auf, die Textilfirma Max Freschel. Der gelernte Kürschner fertigte hier meist für Hamburger Damen Pelzmäntel und andere Acces­soires aus Tierfell an. Auch Max’ Bruder Michael war gelernter Kürschner und betrieb am Schulterblatt 41 ein Pelzwarengeschäft.
Max und Henny wurden 1918 das erste und einzige Mal Eltern. Ihr Sohn wurde am 13.Ja­nuar geboren und erhielt den Namen Heinz Leon, benannt nach seinem Großvater Leon Fre­schel. Die Familie lebte gemeinsam in einer Wohnung in der Hamburger Straße 164, wo sich auch die eigene Firma gefand.

Im Oktober 1924 wurde Heinz Leon in die Talmud Tora Schule eingeschult und verbrachte dort seine gesamte Schulzeit bis zum Abschluss. In den dreißiger Jahren musste Familie Fre­schel in die Heinrich-Barth-Straße 11 umziehen. Dies war ihre letzte gemeinsame Adresse in Hamburg vor ihrer Abschiebung nach Polen am 28. Oktober 1938. Sie gehörte zu den insge­samt 17000 während der sogenannten Polenaktion aus Deutschland abgeschobenen Juden.

Am 31. März 1938 verabschiedete die polnische Regierung ein Gesetz, welches vorsah, allen pol­nischen Staatsbürgern, die länger als fünf Jahre ununterbrochen im Ausland lebten, die Staats­­bürgerschaft zu entziehen. Um einer Massenausweisung aus dem Deutschen Reich zu­vor­zukommen, forderte die polnische Regierung ihre Staatsbürger im Ausland auf, sich bei ihrem zuständigen Konsulat zu melden, um sich ihren Pass mit einem Kontrollvermerk versehen zu lassen. Ansonsten wäre der Pass zum 30. Oktober 1938 ausgelaufen und der Besitzer staa­­tenlos geworden. Familie Freschel ließ keinen derartigen Kontrollvermerk in ihren Pass auf­neh­men, da Henny im Deutschen Reich geboren war und auch Max sich als Deutscher fühlte.

Als dieser Erlass über die deutsche Botschaft in Warschau auch in Berlin bekannt wurde, er­hiel­ten kurz darauf tausende polnischer Juden im Deutschen Reich einen Ausweisungs­be­fehl. Zwischen dem 27. und dem 29. Oktober 1938 wurden sie zu Fuß oder in einem Sam­meltransport über die deutsche Grenze nach Polen geschickt. Familie Freschel ereilte dieses Schicksal am 28. Oktober. Mit ihnen wurden auch Max’ ältester Bruder Heinrich Freschl mit seinen Söhnen Kurt, Erwin und Herbert sowie der Ehemann der Schwester Eva, Leon Kitz, aus dem Deutschen Reich abgeschoben.

Die Familie wurde zusammen mit ca. 4800 anderen polnischstämmigen Juden zum Grenzort Bentschen (Zbaszyn) getrieben. Dort herrschten chaotische Zustände, die Menschen irrten im Niemandsland umher, drängten sich auf dem Bahngelände, hausten im Stationsgebäude oder auf einem der nahegelegenen Plätze in Bentschen. Die polnischen Grenzbeamten wa­ren völlig überfordert und wussten nicht, was sie mit den vielen Menschen anfangen sollten. Waren in Polen Verwandte vorhanden, durften einzelne Personen ins Landesinnere einreisen. Familie Freschel gehörte dazu, weil Max Freschels Eltern noch immer in seinem Heimatort Przemysl wohnten.

Ob Familie Freschel wirklich nach Przemysl reiste und dort zusammen wohnte, lässt sich nicht mehr feststellen. Bis zum deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 lebten Max und Heinz Leon Freschel definitiv in Polen. Henny Freschel wurde hingegen im Juni 1939 aus Polen ausgewiesen und ins Deutsche Reich abgeschoben.

Mit einer Einreisegenehmigung für sechs Wochen kehrte Henny Freschel nach Hamburg zu­rück, offiziell galt sie jetzt als staatenlos. Bei ihrer Mutter Anita Urich konnte sie in der Bun­des­straße 35 unterkommen. In den folgenden Wochen bemühte sich Henny Freschel um eine Auswanderung nach Polen. Zudem erhoffte sie sich, ihren Hausrat, den die Familie hatte zu­rücklassen müssen, nach Polen überführen zu können.
Bevor die Familie 1938 abgeschoben worden war, hatte sie ihren Hausrat bei der Spedition Brasch&Rothenstein unterbringen können. Außerdem existierte noch ein Schließfach bei der Deutschen Bank, Filiale Hamburg, in dem Schmuck aufbewahrt war. Diese Gegenstände sollten nun mit nach Polen genommen werden. Doch Henny Freschel gelang es nicht, sich gegen die Bürokratie durchzusetzen und langsam lief ihr die Zeit davon. Ihr deutsches Visum musste verlängert werden und am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Nun musste Henny Freschel erfahren, dass sie nicht mehr zu Mann und Sohn gelangen konnte.

Im Oktober 1939 ließ die Deutsche Bank den Schließfachinhalt verkaufen. Der Erlös in Höhe von 1080 RM wurde auf ein Auswandererkonto eingezahlt, auf das Henny Freschel keinen Zugriff hatte. Die Devisenstelle genehmigte ihr lediglich eine monatliche Summe von 80 RM. Henny Freschel musste in eine kleine Wohnung in der Bornstraße 8 umziehen, von wo aus sie am 25. Oktober 1941 ins Getto nach Lodz deportiert wurde. Seit diesem Zeitpunkt gilt sie als verschollen.

Max und Heinz Leon Freschel gelten als an einem unbekannten Deporta­tionsort umgekommen. Sollten sie sich zu Beginn des Zweiten Welt­krie­ges in der Stadt Przemysl aufgehalten ha­ben, kamen sie wahrscheinlich beim Mas­sa­ker an der jüdischen Be­völkerung am 16. Sep­tember 1939 ums Leben, welches durch deutsche Einsatz­grup­pen verübt wurde.

Max‘ Brüder Heinrich und Michel wurden nach Auschwitz deportiert und kamen dort ums Leben. Heinrich wurde am 23. Mai 1942 ermordet und Michel starb am 16. Januar 1943. Hennys Mut­ter Anita wurde am 15. Juli 1942 nach There­sien­stadt deportiert und starb dort am 18. Dezember desselben Jahres.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaHH 314-15, OFP, F 592; StaHH 314-15, OFP, R 1939/2932; StaHH 621/86, Firmenarchiv, 21; StaHH 741-4, Fotoarchiv, Sa 1244; Jung­bluth/ Ohl-Hinz: Stolpersteine in Hamburg-St. Pauli, S. 92ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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