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Erich Freund * 1892

Landwehr 63 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
ERICH FREUND
JG. 1892
MEHRMALS VERHAFTET
ZULETZT 1940
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Erich Freund, geb. 2.3.1892 Budapest, mehrfach in Konzentrationslagers inhaftiert,
am 8.11.1941 deportiert nach Minsk

Landwehr 63 (früher: Landwehr 61)

Erich Freund wurde 1892 in Budapest geboren, das damals zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörte, und erwarb später die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine Wurzeln hatte er jedoch im Siegerland. Die Eltern, Siegfried Freund und Helene, geb. Goslar, waren nach ihrer Heirat am 2. Februar 1891 nach Budapest gezogen, wo Siegfried Freund als Elektroingenieur bei der Firma Bernhard Béla Egger in Budapest angestellt war. Die Tätigkeit führte ihn auf Reisen nach Russland, Polen, Skandinavien, England und Deutschland. Dem 1892 geborenen Sohn Erich folgten die Töchter Anna (25.7.1893) und Hedwig (4.1.1895).

Siegfried Freund starb im August 1898 an Malaria. Seine Witwe Helene kehrte mit den Kindern nach Siegen zurück, wo ihre Eltern noch lebten. Sie bekleidete um 1900 das Amt der Vorsitzenden des Israelitischen Frauenvereins. Die Kinder wuchsen in einem Milieu auf, das einerseits kaufmännisch, andererseits musisch geprägt war. Ihr Großvater Israel Goslar führte zusammen mit einem Kompagnon ein Textilgeschäft; er starb 1918. Erichs Großmutter, Emma Goslar, geb. Bernthal, verfasste und veröffentlichte Gedichte, auch unter dem Pseudonym Eva Bernthal, und erteilte Klavier- und Gesangsunterricht. Sie starb 1922.

Ob Erich Freund als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnahm, ist nicht bekannt. Er verzog 1922 nach Hamburg. Die Mutter Helene blieb in Siegen. Anna und Hedwig hatten sich dort mit einem Modegeschäft selbstständig gemacht.

Erich Freund ließ sich als Kaufmann und Handelsvertreter in Hamburg nieder, seine Firma wurde 1923 ins Handelsregister eingetragen. Bis zur Abwicklung seines Geschäfts im Jahr 1941 zahlte er regelmäßig Beiträge an die Handelskammer und an seine Fachgruppe. Allerdings war seine Tätigkeit nicht sehr einträglich, 1927 wurde er zum letzten Mal steuerlich veranlagt.

Erstmals 1924 wurde Erich Freund im Hamburger Adressbuch aufgeführt, unter der Adresse Landwehr 61. Dort wohnte er bis zu seinem Umzug in die Otto-Speckter-Straße 3 in Barmbek 1933. Er war mit einer evangelischen nicht-jüdischen Frau verheiratet, Marie Nagel aus Vaethen in der Altmark (heute: Tangerhütte). Die Ehe blieb kinderlos und wurde zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt geschieden.

Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Erich Freund inhaftiert, zunächst im KZ Fuhlsbüttel und dann im KZ Sachsenhausen. Am 17. Januar 1939 wurde er entlassen, vermutlich mit der damals üblichen Auflage, innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuwandern. Zu diesem Zeitpunkt zielte die Politik des NS-Regimes auf Vertreibung, noch nicht auf Vernichtung der Juden. Erich Freund fand nach seiner Entlassung eine Unterkunft im Alten Steinweg 35. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er sich darum bemühte, der Auflage zur Auswanderung Folge zu leisten. Allerdings verließ er im November 1939 Hamburg und zog vorübergehend zu seiner Mutter und seiner Schwester Anna nach Siegen. Die Schwester Hedwig war bereits nach England emigriert.

Nach seiner Rückkehr nach Hamburg zog Erich Freund als Untermieter zu dem Laboranten Bruno Behrend in die Pelzerstraße 9 in der Hamburger Altstadt. Am 12. Juli wandte er sich schriftlich an den "Reichsstatthalter Karl Kaufmann, Abteilung Behörde für Handel, Schiffahrt und Gewerbe": Er beabsichtige, als "Auswanderungshelfer für Juden" tätig zu werden, also "für Juden die Anfertigung von Gesuchen, Eingaben und aller anderen Schriftsätze vorzunehmen, ferner dieselben vor Behörden oder dergl. zu vertreten" und bat um Mitteilung, ob er hierzu einer besonderen Genehmigung bedürfe. Sein Antrag wurde abgelehnt. Die Begründung lautete: "Da genügend Helfer vorhanden sind, kann Ihrem Antrage vom 12.7.1940 nicht entsprochen werden." Im Falle einer Zuwiderhandlung wurden ihm strafrechtliche Konsequenzen angedroht. Die Zahl der genehmigten Auswanderungshelfer war begrenzt, im September 1940 gab es elf, fünf weitere waren abgelehnt worden. Ob es Gründe für die Ablehnung gab, die in der Person Erich Freunds lagen, lässt sich nur vermuten. Seine Staatsangehörigkeit könnte hinterfragt worden sein, denn bei seiner Deportation wurde keine Angabe zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht. 1940 wurde er kurzzeitig im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert; die Gründe dafür sind nicht bekannt.

Bis Mai 1941 hatte der Oberfinanzpräsident noch keine Vermögenserklärung von Erich Freund verlangt. Als er diese am 15. Mai 1941 vorlegte, verfügte er noch über einen Betrag von 115,39 RM bei einem monatlichen Bedarf für Miete und Lebensunterhalt von 60 RM. Er lebte von gelegentlichen kleinen Unterstützungen. Angesichts der Geringfügigkeit dieses Vermögens wurde keine "Sicherungsanordnung" verhängt, d. h., die Mittel standen ihm zur freien Verfügung. Da seine Firma noch nicht vollständig aufgelöst war, wurde der Mineralölhändler Wilhelm Haas als Abwickler eingesetzt.

Als im Herbst 1941 die Deportationen zum angeblichen Aufbau im Osten einsetzten, wurde Erich Freund zusammen mit seinem Vermieter Bruno Behrend, dessen Ehefrau Else und Tochter Ursula (s. dieselben) zur "Evakuierung" nach Minsk aufgefordert. Ihr Transport verließ Hamburg am 8. November 1941 und führte in das dortige Getto, wo sich Erich Freunds Lebensspur verliert.

Seine Mutter wurde zusammen mit seiner Schwester Anna am 30. April 1942 mit einem Transport von Dortmund in das Getto von Zamosc bei Lublin deportiert. Auch sie starben unter ungeklärten Umständen.
Die Schwester Hedwig heiratete 1948 in London Dr. jur. Fritz Bachwitz aus Halle/Saale.

Stand: Juni 2015
© Hildegard Thevs mit Klaus Dietermann

Quellen: 1; 2 OFP R 1941/108; 4; 5; AB; StaH 373-7 I, II A II 13 a; LA Münster, Regierung Arnsberg, Wiedergutmachungsakte 436236; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Siegen, Zugriff 30.4.2015; http://www.aktives-gedenkbuch.de/, Zugriff 4.5.2015.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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