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Leopold Freundlich * 1886

Alter Steinweg 13 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
LEOPOLD FREUNDLICH
JG. 1886
DEPORTIERT 1941
LODZ
ERMORDET 13.1.1942

Weitere Stolpersteine in Alter Steinweg 13:
Adolf Richard Neumann, Hildegard Neumann, Moritz Neumann, Leo Neumann, Sally Neumann, Sophie Neumann, Johanna Neumann, Alfred Neumann

Leopold Freundlich, geb. am 23.7.1886 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 13.1.1942

Alter Steinweg 13 (Alter Steinweg 48)

Leopold Freundlich war am 23. Juli 1886 als Sohn des jüdischen Ehepaares Bernhard Freundlich (geb. 29.11.1842, gest. 29.3.1919) und Dina, geb. Braunschild (geb. 14.10.1851, gest. 11.9.1916), in Hamburg in der Straße Bei den Hütten 86 (heute Hütten) zur Welt gekommen. Er hatte sieben ältere Geschwister und einen jüngeren Bruder. Der Vater Bernhard Freundlich war Kürschnermeister und stammte aus Marienfelde im damaligen Ostpreußen (heute Glaznoty/Polen), die Mutter Dina war Hamburgerin.

Im Vergleich zu seinen Geschwistern ist über Leopold Freundlich nur wenig bekannt. Unverheiratet lebte er 1922 zur Untermiete in der Hamburger-Altstadt am Rödingsmarkt 34 bei Kühn und arbeitete als Kontorbote in der Mönckebergstraße 19 beim Wochenblatt "Hamburger Hausfrau", einer Zeitschrift für Hauswirtschaft und Mode, Handarbeit und Unterhaltung, bis er dort wegen angeblicher Veruntreuung von 60 Reichsmark entlassen wurde. Während seiner Erwerbslosigkeit bezog er Wohlfahrtsunterstützung und wurde später zur "Pflichtarbeit" herangezogen. 1929 zog er vom Rödingsmarkt in den Alten Steinweg 48, Haus D zu Familie Dengler. Eine "Fürsorgepflegerin", die ihn hier in seinem möblierten Zimmer besuchte, beschrieb ihn als sehr ordentlich. Sie vermerkte in ihren Akten: "Er scheint hier sehr gut aufgehoben zu sein, denn Frau D. bemuttert ihn regelrecht." Bis zu seiner "Evakuierung" am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz lebte er bei Familie Dengler und wurde ungewöhnlicherweise nicht gezwungen, in eines der sogenannten Judenhäuser umzuziehen, die zur Vorbereitung der Deportationen dienten.

Leopold Freundlich ertrug die unmenschlichen Lebensbedingungen im Getto nicht lange, er starb am 13. Januar 1942 im Alter von 56 Jahren im "Getto-Hospital" an Unterernährung.

Seinen Todesfall zeigte sein älterer Bruder Siegfried Freundlich dem zuständigen Standesamt im Getto an. Denn auch er hatte sich am 25. Oktober 1941 unter den ersten 1023 Hamburger Jüdinnen und Juden befunden, die gezwungenermaßen ihre Heimat verlassen mussten, darunter auch sein Neffe Erich und dessen Ehefrau Klara Freundlich (s. Jeanette Freundlich).

Leopolds Bruder Siegfried Freundlich (geb. 18.1.1882) hatte am 3. November 1920 in Hamburg die nichtjüdische Henny Magdalena Marie Mertens (geb. 5.12.1892), geheiratet. Sie war Putzmacherin und betrieb in der Wilhelminenstraße 71, später im Haus Nr. 40 (heute Hein-Hoyer-Straße) ein Ladengeschäft. Die Ehe wurde im Februar 1932 geschieden.

Siegfried Freundlich war Kontrabassist und durfte als Jude nicht Mitglied der Reichsmusikkammer sein, was einem Berufsverbot gleichkam, gelegentlich trat er im Jüdischen Kulturbund Hamburg auf. Dieser hatte sich 1934 gegründet und bot jüdischen Künstlern eine Beschäftigungsmöglichkeit. Die ersten Veranstaltungen fanden im Conventgarten in der Kaiser-Wilhelm-Straße statt. In der Zeit seiner Erwerbslosigkeit erhielt Siegfried Freundlich Fürsorgeunterstützung. Ab 1935 musste er schwere "Pflichtarbeit" leisten und befürchtete, als Bassist seine Fingerfertigkeit zu verlieren. Er wohnte in der Heinrich-Barth-Straße 14, als er seinen Deportationsbefehl erhielt.

In der Chronik des Gettos Lodz, eine seit 1941 auf Polnisch und Deutsch erstellte "Zeitung" der Gettobewohner, die akribisch die dortigen Ereignisse aufzeichnete und im Archiv der Verwaltung des "Judenältesten von Litzmannstadt-Getto" erstellt wurde, ist Siegfried Freundlich im Register der Opfer verzeichnet. Weiter heißt es dort unter dem Eintrag "Konzerte" vom November 1941: "Schon in der zweiten Novemberhälfte begann das Kulturhaus Konzerte unter Beteiligung der neu eingesiedelten Kräfte zu veranstalten. Von Anfang an waren diese musikalischen Veranstaltungen für Musikliebhaber eine große Attraktion. Es ist erwähnenswert, dass das Getto durch die Ansiedlung der Neuankömmlinge eine Reihe von talentierten Interpreten, Pianisten und Sängern gewann." Es ist anzunehmen, dass Siegfried Freundlich als Musiker an den Konzerten im Getto teilnahm.

Er überlebte seinen Bruder nur um wenige Wochen und starb am 3. Februar 1942, ebenfalls an Unterernährung. In der Heinrich-Barth-Straße 14 erinnert ein Stolperstein an ihn.

Der zweite Bruder Martin Freundlich (geb. 22.5.1885) wurde ins Getto nach Minsk deportiert. Er lebte als Kontorist in Berlin-Schöneberg, als er am 22. März 1910 die Berlinerin Charlotte Behrendt (geb. 28.6.1880) geheiratet hatte. Sie war Schneiderin und brachte die Kinder Louis und Rahel mit in die Ehe ein.

Das Ehepaar zog nach Hamburg, wo Martin als Handelsvertreter tätig wurde. Seit 1915 lebten sie in der Blücherstraße 5 (heute Kottwitzstraße) in Eppendorf. Ihr letzter Wohnort war im Eppendorferweg 54 bei Peiser (heute Eppendorfer Weg). Martin und Charlotte bemühten sich um ihre Emigration nach Alexandretta (heute Iskenderun) in der Südtürkei, das von 1920 bis 1938 zu Syrien gehörte, zu dieser Zeit aber französisches Mandatsgebiet war. In einem Schreiben der Devisenstelle vom 17. Februar 1939, in dem ihnen die "Unbedenklichkeitsbescheinigung" erteilt wurde, die amtliche Bestätigung, dass alle Steuern und Abgaben entrichtet waren, hieß es: "Kann vorläufig nicht auswandern, da noch keine Einreiseerlaubnis erteilt wurde." Ihre Abreise kam nicht mehr zustande, da ihr Reiseziel, nun zur Türkei gehörend, keine jüdischen Flüchtlinge mehr aufnahm. Am 8. November 1941 wurden Martin Freundlich und seine Frau Charlotte nach Minsk deportiert und dort ermordet. Die Stolpersteine für das Ehepaar Freundlich liegen im Eppendorfer Weg 54 (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West).

Martins Bruder Hermann (geb. 30.4.1872) hatte am 16. Oktober 1917 in Hamburg die Putzmacherin Dorothea Behrendt (geb. 22.3.1878) geheiratet, die ältere Schwester seiner Schwägerin Charlotte. Das Ehepaar wohnte im Grindelhof 35, als Hermann am 31. März 1923 an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung im Eppendorfer Krankenhaus verstarb. Dorothea Freundlich verdiente ihren Lebensunterhalt nach dem Tod von Hermann als Zimmervermieterin, bis sie 1932 ihre Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgab und dann selbst unter verschiedenen Adressen zur Untermiete wohnte. Sie wurde aus der Sonninstraße 12 in Altona am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert. Auch sie überlebte nicht.

Der verheirateten Schwester Martha Graetz, geb. Freundlich (geb. 1.6.1878), gelang 1939 die Flucht nach Manila, wo sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Waldemar Graetz (geb. 28.5.1880) im Februar 1945 von japanischen Marineinfanteristen ermordet wurde.

Der jüngste Bruder Wilhelm Freundlich (geb. 28.10.1893) erlernte das Buchdruckerhandwerk, das er später wegen einer Bleivergiftung aufgeben musste. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt als Angestellter. Im September 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Am 21. Oktober 1920 heiratete er die nichtjüdische Louise Reese (geb. 12.4.1897). Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, Tochter Irmgard, verheiratete Pluskat, und Sohn Heinz. Nach eigenen Angaben begann bereits 1933 seine Verfolgung, die auch politisch bedingt war, mit nächtlichen Hausdurchsuchungen und Verhören. Wilhelm Freundlich wurde aus seinem Angestelltenverhältnis entlassen. Später musste er schwere Zwangsarbeit in der Hanfspinnerei Steen & Co. in Hamburg-Lokstedt leisten. Vielleicht in der Hoffnung, sich auf diese Weise gegen die antisemitische Verfolgung zu schützen, schloss er sich der von der "Jewish Mission oft the Presbyterian Church in Irland" gegründeten Jerusalem-Gemeinde in der Schäferkampsallee an. Am 17. November 1935 ließ er sich von Pastor Ernst Moser (geb. 1881, gest. 1969) taufen.

Seine Ehe wurde am 9. November 1937 "auf Veranlassung der Gestapo geschieden". Nun nicht mehr geschützt, erhielt er 1942 seinen Evakuierungsbefehl Nr. 4044 in der Kremperstraße 5 in Hamburg-Eppendorf. Am 19. Juli 1942 wurde Wilhelm Freundlich nach Theresienstadt deportiert, wo er als "Desinfektor" die Kleider usw. von neu ankommenden Deportierten desinfizieren musste. Dabei zog er sich einen doppelten Leistenbruch zu und erkrankte zusätzlich durch die Verwendung von Zyklon-Gas beim Desinfizieren. Am 8. Mai 1945 von der Roten Armee befreit, kehrte er am 30. Juni 1945 nach Hamburg zurück. Wilhelm Freundlich gab nach dem Krieg im Rahmen seines Wiedergutmachungsverfahren an: "Ich selbst kam allein, gebrochen an Leib und Seele aus dem KZ zurück, es ist ein Wunder, dass ich überhaupt noch am Leben bin, alle meine Geschwister sind ermordet worden, die schweren Jahre der Verfolgung kann ich niemals vergessen." Wilhelm Freundlich starb 74-jährig am 21. März 1967 in Hamburg.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 9; StaH 332-5 Standesämter 8721 u 283/1910; StaH 332-5 Standesämter 9801 u 746/1923; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1182 (Freundlich, Leopold); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1184 (Freundlich, Dorothea); StaH 314-15 OFP, F603 Freundlich, Martin; StaH 351-11 AfW 15814 (Freundlich, Wilhelm); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1180 (Freundlich, Siegfried); StaH 314-15 OFP, R 1939/190; StaH 314-15 OFP, F 791; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; StaH 332-5 Standesämter 3377 u 990/1920; Lodz Hospital, Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Landé, 2009, USHMM, Washington, bearbeitet von Margot Löhr; USHMM, RG-05.008M und RG-15.083M von Allison Zhang, E-Mail vom 6.8.2016; Ephraim: Escape, S. 147f.; Feuchert (Hrsg.): Chronik, Band I, S. 434; Jenner: 150 Jahre, S. 136.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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