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Käthe Friedländer * 1894

Erlenkamp 9 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)


HIER WOHNTE
KÄTHE FRIEDLÄNDER
JG. 1894
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
18.10.1942

Käthe Friedländer, geb. 19.12.1894 in Berlin, 18.10.1942 Suizid in Hamburg

Erlenkamp 9 (früher Erlenkamp 20)

Käthe Friedländer hieß mit vollem Namen Johanna Adelheid Käthe. Die Vornamen hatte sie nach ihren Großmüttern erhalten, Johanna, geb. Dura, verheiratet mit Samuel Friedländer, und Adelheid Schultze, geb. Nootz, geb. 2.3.1849 in Königsberg, verehelicht mit dem Klavierfabrikanten Friedrich Ferdinand Schultze. Ihr Vater, Paul Friedländer, stammte aus Ober-Glogau in Schlesien, wo er am 27.12.1863 in eine jüdische Familie hinein geboren wurde, ihre Mutter Margarethe, geb. Schultze, geb. 11.7.1872, kam aus einer evangelischen Familie in Berlin. (Nach dem Tod ihres Ehemannes Friedrich Ferdinand ging Adelheid Schultze eine zweite Ehe mit dem Juden Gustav Friedländer ein.)

Als Paul Friedländer Ober-Glogau verlassen hatte, waren seine Eltern dort geblieben, reisten aber zu seiner Hochzeit am 21. Mai 1892 in Berlin an. Samuel Friedländer nahm, der Tradition entsprechend, die Aufgabe des Trauzeugen für seinen Sohn wahr. Als Trauzeuge der Braut Sophie Anna Margarethe Schultze fungierte ihr Stiefvater, der Kaufmann Gustav Friedländer.
Aus dieser Ehe gingen die beiden Töchter Käthe (19.12.1894) und Ilse (17.11.1902) hervor. Käthe erhielt später eine Ausbildung als Kontoristin und Buchhalterin.

Am 26. November 1928 zog Käthe Friedländer von Zwickau nach Hamburg. Nähere Umstände ihres Aufenthalts in Zwickau und der ersten Jahre in Hamburg sind uns nicht bekannt. Sie mietete ein unmöbliertes Zimmer bei der evangelischen Witwe Frieda Döbner in Hamburg-Uhlenhorst, Uhlenhorsterweg 37.

1934 starb Käthe Friedländers Mutter. Das Todesdatum ihres Vaters ließ sich nicht ermitteln.

Der erste Nachweis von Käthe Friedländers Zugehörigkeit zur Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg ist das Eintrittsdatum, der 3. Dezember 1935. Die Berufsangabe lautete "Büroleiterin bei der Firma Julius Philipp" (s. derselbe), Kirchenallee 57, dem Klockmannhaus. Es handelte sich um ein bedeutendes jüdisches Makler- und Handelsunternehmen in der Metallbranche, das zeitweilig eine Filiale in Berlin unterhalten hatte. Julius Philipp hatte einen Mitinhaber, Heinrich Meyer. Als er 1934 keine berufliche Zukunft mehr in Deutschland sah, verkaufte er seinen Geschäftsanteil an seinen Mitinhaber. Dieser stellte Käthe Friedländer am 1. Oktober 1934 als Büroleiterin mit einem monatlichen Bruttolohn von 194,80 RM ein.

Mit ihrem Eintritt in die jüdische Gemeinde begann ein Briefwechsel wegen der Höhe des Gemeindesteuervorauszahlungsbescheides für 1935, der sich bis zu einer Einigung für das Jahr 1936 fortsetzte. Käthe, die sich nun Käte schrieb, bat um einen Beitragserlass oder zumindest Ratenzahlung und Stundung, da sie über drei Jahre erwerbslos gewesen sei und aus dieser Zeit noch Verpflichtungen abzutragen habe. Außerdem unterstütze sie ihre Schwester, soweit irgend möglich, die ständig krank sei. Nach der Einigung mit der Gemeinde überwies die Beiträge monatlich direkt von der Firma, bis sie im Juni 1938 ihren Austritt aus der jüdischen Gemeinde erklärte.

Unter den Beschränkungen des Metallhandels ging das Geschäft immer weiter zurück, bis Heinrich Meyer die Firma am 31. Oktober 1938 aufgab. Käthe Friedländer erhielt zwei Extravergütungen, die der gesetzlichen Einkommens- und Gemeindesteuer unterlagen. Ihr Arbeitgeber wurde letztmals 1939 im Hamburger Adressbuch geführt.

Käthe Friedländer fand zunächst keine neue Arbeitsstelle. Ob das mit ihrer jüdischen Herkunft zu tun oder gesundheitliche oder andere Gründe hatte, bleibt im Bereich der Vermutungen. Sie wohnte weiter bei Frieda Döbner und lebte vom Verkauf von Möbeln, Büchern, usw.. Am 13. Februar 1939 erhielt sie ihre Kennkarte als Jüdin mit der Nr. B 02492. und gab bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 ihre jüdischen Großeltern väterlicherseits und die nicht-jüdischen mütterlicherseits an, womit sie nach den Nürnberger Rassegesetzen als "Halbjüdin" kategorisiert war.

Käthe Friedländer gehörte mit Wirkung vom 1. Juli 1939 der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" an, aber erst am 25. Juni 1941 händigte dem "Jüdischen Religionsverband Hamburg e.V." den diesbezüglichen Fragebogen zur "behördlich angeordneten statistischen Erfassung aller Juden" ein. Darin waren auch Einkommen und Vermögen anzugeben, woraufhin gegebenenfalls der Oberfinanzpräsident eine "Sicherungsanordnung" erließ. Da Käthe Friedländer weder Einkommen noch Vermögen besaß, entfiel diese Maßnahme gegen sie.

Offenbar versuchte Käthe Friedländer, weiteren antijüdischen Maßnahmen, denen "Volljuden" Folge leisten mussten, zu entgehen. Da sie einmal Mitglied der jüdischen Gemeinde gewesen und nicht getauft war, galt sie als Jüdin, die Bezeichnung lautete "Geltungsjüdin". Sie beantragte aber ihre "Anerkennung als jüdischer Mischling 1. oder 2. Grades, vertreten durch den nichtjüdischen Anwalt Friedrich Ablass, Hamburg 1, Schmiedestraße 6". Dieser mchte später geltend, seit 1933 "leitend eine geheime Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus" geführt zu haben, vielleicht war er deswegen bereit, ein Mandat für sie, eine "Jüdin" zu übernehmen. In Verkennung der Rassegesetzgebung gab Käthe Friedländer in dem Fragebogen als Glaubensbekenntnis ihres Vaters "mosaisch, später gottgläubig" und das ihrer Mutter "evangelisch väterlicherseits, der Mutter noch zweifelhaft". Doch der Anwalt konnte ihr nicht zur Anerkennung eines Status als "Mischling 1. Grades" verhelfen. Am 1. August 1941 wurde sie, die sich nun als "glaubenslos" bezeichnete, zwangsweise wieder Mitglied der jüdischen Gemeinde in Hamburg. Sie wurde von Gemeindebeiträgen freigestellt, da sie kein steuerpflichtiges Einkommen hatte.

Sie hatte sich an das Arbeitsamt gewandt und sich um eine Stelle als Hausgehilfin und Pflegerin bei ihrer inzwischen 74 Jahre alten kranken Vermieterin beworben. Die Stelle wurde ihr per 1. Juni 1941 bewilligt, jedoch umfasste sie lediglich freie Verpflegung. Das bedeutete, dass sie nicht nur kein Geldeinkommen hatte, sondern auch, dass es sich um ein nicht krankenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelte, ein Problem für Käthe Friedländer, die nach zwei größeren Bauchoperationen nun an Herzproblemen litt, die eine dauerhafte Behandlung durch ihren Hausarzt Adalbert Merk nötig machten.

Am 22. Januar 1942 starb ihre Vermieterin Frieda Döbner. Unweit ihrer früheren Unterkunft mietete Käthe Friedländer im Erlenkamp 20 bei der Kaufmannswitwe Regina Krohn wieder ein Zimmer, das sie mit eigenen Möbeln und Hausrat einrichtete. Sie fand auch eine Anstellung, bei der Backaroma-Fabrik von Martin Jessen in der Meldorfer Straße 9 in Hoheluft-Ost.

Anfang September 1942 erhielt Käthe Friedländer die Aufforderung, den "Judenstern" zu tragen. Da sie sich nicht vorstellen konnte, "mit dem Judenstern umher zu gehen", wie sie ihrer Wirtin sagte, ging sie nicht mehr zur Arbeit und bereitete stattdessen sorgfältig ihren Selbstmord vor. Unter anderem versah sie Gläser und Geschirr mit Zetteln und Namen von Personen, denen sie sie offenbar zugedacht hatte, ordnete ihre Papiere und ihr Geld. Am 17. Oktober erhielt sie noch einen Besuch von einer Arbeitskollegin, und sie teilte ihrer Schwester Ilse in Berlin brieflich ihr Vorhaben mit.

Am Sonntag, den 18. Oktober 1942, nahm sie eine Überdosis Morphium und legte sich auf ihr Bett. Ihre Wirtin fand sie so am späten Vormittag, benachrichtigte den Arzt Merk, der ihren Tod feststellte und die Kriminalpolizei benachrichtigte. Käthe Friedländer wurde ins Hafenkrankenhaus transportiert und ihr Zimmer versiegelt. Ihre Schwester Ilse regelte die Beerdigung, eine Feuerbestattung.

Käthe Friedländer wurde nicht einmal 48 Jahre alt. Sie war 1,53 m groß und von mittelkräftiger Statur, wie aus dem Protokoll der Leichenschau hervorgeht. Bei ihrem Tod sei ihr Ernährungszustand gut gewesen. In ihrem dunkelbraunen Haupthaar hätten sich erste Silberfäden gezeigt.

Stand: November 2016
© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5, 9; StaH 331-5 (Unnatürliche Sterbefälle), 2 Journale 1942/3; 3 Akte 1942/1710; 332-5, 7256+70/1942; 7257+805/1942; 522-1, 992 d Band 9 (Steuerakten); 351-11 AfW, 17632 (Friedrich Ablass); StA Berlin II, Nr. 507/136, 1877; StA Berlin II, 231/196, 1892; StA Berlin VIIa Nr. 3071/1894; StA Berlin 6 Nr. 137/1934; Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge", Hamburg, 2. Aufl. 2002.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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