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Erland Walter Friedmann * 1908

ohne Hamburger Adresse


ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Weitere Stolpersteine in ohne Hamburger Adresse :
Dr. Hans Bloch, Felix Cohn, Moraka Farbstein, Richard Guth, Martha Havelland, Albert Hirsch, Auguste Hirschkowitz, Sophie Kasarnowsky, Ernestine Levy, Richard Levy, Hannchen Lewin, Bronislawa Luise Dorothea Mattersdorf, Karl Friedrich Michael, Lucie Rothschild, Dorothea Dorthy Silberberg, Wilhelm Süsser, Anna Luise (Louise Hedwig) Weimann, Salo Weinberg

Erland Walter Friedmann, geb. am 11.4.1908 in Halle an der Saale, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Ohne Stolperstein

Erland Walter Friedmann kam am 11. April 1908 in Halle an der Saale zur Welt. Seine Eltern, der am 23. Oktober 1874 in Bernburg geborene Bankier Richard Friedmann und die am 12. Juli 1884 in Mainz geborene Minna Bertha, geborene Fischer, wohnten seit 1901 in der Merseburger Straße 12 in Halle. Das Haus gehörte Richard Friedmann seit 1906. Er war Mitinhaber des 1901 gegründeten Bankgeschäfts Friedmann & Weinstock. Obwohl das Bankunternehmen weiterarbeitete, verließ die Familie Friedmann Halle im Jahr 1917 und zog nach Mainz zu Minna Bertha Friedmanns Mutter in die Rheinallee 55.

Über die Kindheit und Jugend von Erland Walter Friedmann ist nichts überliefert. Seine Anwesenheit in Hamburg lässt sich ab 1928 nachweisen. Er war in diesem Jahr zunächst Patient der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg und wurde von dort in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt. In der noch vorhandenen Friedrichsberger Patienten-Karteikarte wird als sein Beruf "Volontär" angegeben. In den Jahren 1934/1935 führte der "Friedrichsberg-Langenhorner Plan" zu Massenverlegungen von psychiatrischen Patientinnen und Patienten im Hamburger Raum. Ziel dieses Plans war insbesondere eine Verbilligung der sogenannten Irrenpflege. 1935 übernahmen die damaligen Ricklinger Anstalten 180 Patientinnen und Patienten aus der Staatskrankenanstalt Langenhorn, darunter wahrscheinlich auch Erland Walter Friedmann. Im Frühjahr 1938 wollte Oskar Epha, der Leiter der Ricklinger Anstalten, die jüdischen Heimbewohner gegen nichtjüdische Patienten austauschen. Angeblich befürchtete er, den Status der Gemeinnützigkeit und damit verbundene Steuervergünstigungen zu verlieren, "wenn nicht ausnahmslos deutsche Patienten bei uns aufgenommen werden." Hiervon waren vier Männer betroffen, Erland Walter Friedmann sowie Benjamin Engländer, Felix Cohn und Oscar Löwenthal (siehe dort). Ab 22. April 1938 verließen sie die Ricklinger Anstalten. Die ebenfalls jüdische Paula Fraenkel durfte bis September 1940 in Rickling bleiben (siehe dort). Für dieses widersprüchliche Verhalten der Anstaltsleitung konnte keine Erklärung gefunden werden.

Nach kurzem Zwischenaufenthalt in der Staatskrankenanstalt Langenhorn verbrachte Erland Walter Friedmann die nächsten zweieinhalb Jahre auf dem Gut Düssin in West-Mecklenburg. Die Stadt Hamburg hatte das spätere Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme Ende 1938 gekauft. In Düssin wurden 220 Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung aus Langenhorn untergebracht, die dort Landarbeit verrichten mussten. Unter ihn waren neben Erland Walter Friedmann weitere sechs Frauen und Männer jüdischer Herkunft.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Daraufhin wurden Erland Walter Friedmann und die sechs weiteren jüdischen Patienten am 14. September 1940 von Düssin nach Langenhorn gebracht.

Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie am 23. September 1940 nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch am selben Tag wurden sie in einem umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Auf dem Geburtsregistereintrag von Friedmann Erland Walter wurde notiert, dass sein Tod am 30. Januar 1941 eingetreten sei. Das Standesamt Chelm II habe seinen Tod unter der Nummer 377/1941 registriert. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Für Erland Walter Friedmann konnte eine persönliche Adresse in Hamburg nicht ermittelt werden, sodass bisher kein individueller Ort bestimmt werden kann, an dem seiner mit einem Stolperstein gedacht werden könnte.

Das Schicksal der Eltern von Erland Walter Friedmann kennen wir nicht.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 5; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Standesamt Halle a. d. Saale, Geburtsregister Nr. 1125/1908 Erland Walter Friedmann; Stadtarchiv Mainz, Nr. 1083/1884 Geburtsregister; Nr. 477/1905 Heiratsregister Richard Friedmann/Minna Berta Fischer; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Friedmann Erland Walter der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; UKE/IGEM, Archiv, Patientenakte Friedmann Erland Walter der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; JSHD Forschungsgruppe "Juden in Schleswig-Holstein", Datenpool Erich Koch, Schleswig; Adressbuch Halle; Stadtarchiv Mainz, umfassende Erläuterungen zum Personenstandseinträgen für die Familie Friedland vom 20.1.2016. Köhler, Ingo, Die "Arisierung" der Privatbanken im Dritten Reich, Verdrängung, Ausschaltung und die Frage der Wiedergutmachung, München 2005, S. 588; Sutter, Peter, Der sinkende Petrus, Rickling 1986, S. 173f., 247; Klee, Ernst, "Euthanasie" im NS-Staat, Die Vernichtung "lebensunwerten" Lebens, Frankfurt a. M., S. 391.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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