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August Hinck mit Ehefrau, o. D.
August Hinck mit Ehefrau, o. D.
© Privatbesitz

August Hinck * 1865

Stresemannstraße 224 (Altona, Altona-Nord)


HIER WOHNTE
AUGUST HINCK
JG. 1865
EINGEWIESEN 1943
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 22.10.1943
HEILANSTALT
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET 8.5.1944

August Hinck, geb. 13.4.1865 in Wedel (Schleswig-Holstein), aufgenommen in der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn am 10.4.1941, ermordet in der Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde am 8.5.1944

Stresemannstraße 224 (Altona-Nord)

August Hinck kam am 13. April 1865 in Wedel (Schleswig-Holstein) als Sohn des Arbeiters Christian Nicolaus Carl Hinck und seiner Ehefrau Catharina Margarethe Dorothea, geb. Hinrichs, zur Welt. Über seine Kindheit und seine Ausbildung wissen wir nichts.

August Hinck war 29 Jahre alt, als er am 17. März 1894 das Dienstmädchen Elisa Amanda Schulz in Altona heiratete. Als sein Beruf wurde "Schuhmachermeister" in die Heiratsurkunde eingetragen. August Hincks Ehefrau war am 17. Dezember 1871 ebenfalls in Wedel geboren worden. Sie war die Tochter des Maurers Jochim Hinrich Schulz und seiner Ehefrau Margaretha Catharina, geb. Fredeland.

August Hinck wohnte zum Zeitpunkt der Heirat in einer Kellerwohnung in Altona in der Adolphstraße 60 (heute Bernstorffstraße), seine Braut in Altona in der Schuhmacherstraße 14. Das Altonaer Adressbuch von 1893 und 1894 weist ihn noch als Schuhmachergesellen aus, ab 1895 dann als Schuhmachermeister. Also dürfte August Hinck seine Meisterprüfung 1893, spätestens aber 1894 bestanden haben.

Die jungen Eheleute fanden offenbar sehr bald auch eine bessere Bleibe. Die Adresse lautete nun Adolphstraße 95, Parterre. Hier bekamen August Hinck und seine Ehefrau auch ihre drei Kinder: Jonny Christian Heinrich Adolf, geboren am 9. Februar 1895, Alma Amanda Margaretha, geboren am 2. September 1896 und Adolf August Heinrich geboren am 12. Juli 1898.

Etwa 1899 wechselte die Familie in die Victoriastraße 66 und wenige Jahre später in die Viehhofstraße 7, beide Adressen in Altona gelegen. Ab 1911 wurde August Hinck im Adressbuch von Altona als "Laternenwärter" unter der Adresse Viehhofstraße 5 verzeichnet. Dieser Tätigkeit ging August Hinck offenbar nach, bis er etwa 1932/1933 Rentner wurde. Die Familie Hinck wohnte weiterhin in Altona, und zwar ab 1912/1913 im Kreuzweg 19, der ab etwa 1931 in Karl Marx-Straße, ab 1933 in Schlageterstraße und ab 1945 in Stresemannstraße umbenannt wurde. Das Wohngebäude der Familie existiert noch. Es ist heute unter der Adresse Stresemannstraße 224 zu finden.

Im fortgeschrittenen Alter von 75 Jahren erlitt August Hinck einen Schlaganfall. Er entwickelte in der Folge altersbedingte Wahnvorstellungen, die zu seiner Aufnahme in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Hansischen Universität Eilbecktal und im März 1941 zur Verlegung in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn führten. Er wurde als "leicht erregbar, uneinsichtig, bettflüchtig" beschrieben.

August Hinck drängte auf seine Entlassung aus der Anstalt. Er wollte wieder arbeiten. Seine Ehefrau und einer der Söhne erreichten eine Beurlaubung "gegen Revers" (auf eigene Verantwortung) ab 27. April 1941, die kurz darauf von der Anstalt als Entlassung angesehen wurde. Am 14. August 1941 wurde August Hinck von seinem Sohn erneut in die Anstalt Langenhorn gebracht, weil, wie es in der Patientenakte heißt, "die Anfälle wieder neu auftreten, und zwar mit größerer Heftigkeit." Es habe Lebensgefahr vorgelegen. August Hinck habe zu Hause nicht gepflegt werden können, weil sich die Ehefrau wegen eines Beinbruchs im Krankenhaus aufgehalten habe.

Am 23. Dezember 1941 wurde August Hinck besuchsweise zu seiner Ehefrau zunächst beurlaubt und am 22. Januar 1942 als "gebessert" entlassen. Schon im Juni sorgte der niedergelassene Arzt W. Frey wiederum für August Hincks erneute Aufnahme in Langenhorn. Er wurde dort als "ziemlich verwirrt" wahrgenommen. 1942/1943 lebte August Hinck etwas länger als ein Jahr in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg und wurde dann nach Langenhorn zurückverlegt. Die Gründe für den Aufenthalt in Lüneburg kennen wir nicht.

August Hinck war gerade einen Monat wieder in Langenhorn, als er einem Krankentransport zugeteilt wurde, mit dem am 22. Oktober 1943 fünfzig Patienten in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde in der damaligen Provinz Brandenburg (heute Polen, Międzyrzecz) deportiert wurden. August Hinck überlebte den Transport um ein halbes Jahr. Er starb am 8. Mai 1944.

Ab 1942 war Meseritz-Obrawalde unter Führung des als "wirtschaftlichen Direktors" eingesetzten NS-Multifunktionärs Walter Grabowski Teil der dezentralen Euthanasie geworden. Die Tötungen begannen im Sommer 1942 in speziell dafür eingerichteten Sterbezimmern, in denen Pfleger den Patienten tödliche Medikamentendosen verabreichten. Bei geringfügigen Anlässen wurden die Patienten misshandelt. Arbeitsfähige Patienten wurden bis zum Äußersten in der Landwirtschaft, in Werkstätten und in Industriebetrieben ausgenutzt. Die Angaben zur Zahl der dort Ermordeten unterscheiden sich je nach Quelle. So gab eine Oberpflegerin vor einem russischen Militärtribunal im April 1945 die Zahl der in Meseritz-Obrawalde getöteten Patienten mit 18.000 an. Aufgrund der vorgefundenen Register nannte eine Untersuchungskommission der russischen Armee 700 Todesfälle für das Jahr 1942, 2.260 Todesfälle für das Jahr 1943 und 3.814 Todesfälle für das Jahr 1944.


Ulrich Hinck-Blessin, Urenkel von August Hinck, schrieb im Dezember 2022 an die Stolperstein-Initiative Hamburg:
Marlies Meyer, 85 Jahre alt, erinnert sich noch gut daran, wie sie auf dem Schoß von August Hinck saß. Sie ist seine Enkelin. Als die Verlegung des Stolpersteins zur Erinnerung an August Hinck vorbereitet wurde äußerte Marlies, dass sie sich freue, dass der Mord an dem Großvater einmal deutlich zur Sprache komme. Der Mord an dem Großvater wurde zwar in der Familie nicht verschwiegen, aber man fand keinen Rahmen, August Hinck in der richtigen Weise zu würdigen oder auch überhaupt seinem weiteren Schicksal nachzugehen. Dies wurde erst durch die Stolpersteininitiative möglich.

Oft, wenn sich die Familie mit Marlies Meyer trifft, kommt sie auf das Thema "Stolperstein" zu sprechen und Marlies sagt dann immer, wie froh, erleichtert und dankbar sie ist, dass das Schicksal ihres Großvaters, welches so unwürdig "beendet" wurde, nun einen würdevollen Rahmen gefunden hat. Es ist für sie so eine Art Abschluss einer jahrzehntelangen Wunde, die damit geschlossen worden konnte. Marlies atmet dann immer tief aus. Man kann dann deutlich sehen, wie erleichtert sie ist. Ihre Emotionalität überraschte zunächst immer, sie zeigt aber auch, wie bedeutsam gerade ihr dieser Stolperstein ist.

Stand: August 2021
© Ingo Wille

Quellen: 1; StaH 332-5 Standesämter 6288 Geburtsregister Nr. 521/1895 Jonny Christian Heinrich Adolf Hinck; 6295 Geburtsregister Nr. 2661/1896 Alma Amanda Margaretha Hinck; 6304 Geburtsregister Nr. 2063/1898 Adolf August Heinrich Hinck; 5930 Heiratsregister Nr. 169/1894 August Hinck/Elise Amanda Schulz; 352-8/7 Krankenhäuser Abl. 1/1995 Nr. 28368 August Hinck; Michael Wunder, Euthanasie in den letzten Kriegsjahren, S. 61 ff. Husum 1992; https://www.gedenkort-t4.eu/de/historische-orte/q4bdb-landesheilanstalt-meseritz-obrawalde#schnellueberblick (Zugriff am 30.11.2020); Harald Jenner, Die Heil- und Pflegeanstalt Mesetz-Obrawalde – Der unbekannte Tötungssort, in: "Euthanasieverbrechen"-Verbrechen im besetzten Europa, Hrsg. Osterloh, Schulte, Steinbacher, Göttingen 2022, S. 97 ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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