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Bernhard Gerechter * 1897

Rutschbahn 8 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 8:
Amalie Gerechter

Bernhard Gerechter, geb. am 23.4.1897 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Rutschbahn 8

Bernhard Gerechter wurde am 23. April 1897 in Hamburg als Sohn von Leopold Leib und Rosa, geborene Goldschmidt, geboren. 1890 zog die Familie von Borek, Posen, nach Hamburg. Er hatte drei jüngere Geschwister: Jenny (geb. 28.12.1899), Hedwig (geb. 30.8.1902) und Gustav (geb. 20.10.1904).

Als Kind besuchte Bernhard die Talmud Tora Realschule und bestand die Einjährig-Freiwilligen-Prüfung (Mittlere Reife). Danach ging er für drei Jahre in die kaufmännische Lehre bei der Firma R. Liefmann & Söhne in der Brandstwiete 28, die mit Klee- und Grassaaten handelte. Er zeigte eine besondere Begabung für Buchhaltung und andere finanzielle Angelegenheiten. Nach Beendigung der Lehrzeit begann er ein Studium der Wirtschaftslehre und Handelspolitik an der Universität Hamburg. Parallel dazu arbeitete er auch weiterhin für Liefmann & Söhne.

Im Ersten Weltkrieg wurde Bernhard trotz vieler Reklamierungen seines Arbeitgebers, der ihn als für die Firma unersetzbar betrachtete, eingezogen und an die Front geschickt, wo er aufgrund seiner hervorragenden Französischkenntnisse als Dolmetscher eingesetzt wurde. In den ersten beiden Jahren nach dem Krieg arbeitete er beim Bankhaus M. M. Warburg, begann aber bald, sich anderweitig zu betätigen. Er war für die Elektrofirma Lilienthal tätig, wo er 150 RM monatlich verdiente, und machte sich 1920 selbstständig, indem er elektrotechnische Bedarfsartikel vertrieb.

In dieser Zeit reiste Bernhard viel, um sein Geschäft aufzubauen. So besuchte er beispielsweise Messen in Kiel, Flensburg und Leipzig. Oft begleitete ihn seine Schwester Hedwig, die bis 1923 eine Lehre bei ihm absolvierte. Allgemein pflegte Bernhard ein sehr fürsorgliches Verhältnis zu seinen Schwestern, die er immer mal wieder mit kleinen Geschenken erfreute. Auch seinen jüngeren Bruder Gustav beschäftigte er eine Zeit lang als kaufmännischen Angestellten in seinem Geschäft.
1924 verstarb seine Mutter Rosa.

Nachdem Bernhard den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hatte, versuchte er sein Unternehmen zu vergrößern. 1930 kaufte er die Firma Eugen Bauer in der Gröninger Straße 6 auf. Ein Jahr später musste er aber trotz aller Bemühungen Insolvenz anmelden Sein Vater Leopold, dem eine Firma für Wäscheanfertigung gehörte, die auch Unterrichtskurse dazu anbot, übernahm daraufhin das Unternehmen Bernhard Gerechter Spielwaren-Großhandlung.
Schon kurz nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus 1933 befand sich Bernhard Gerechters Geschäft in rückläufiger Entwicklung. Obwohl es letztlich erst 1939 liquidiert wurde, konnte es Bernhard schon Jahre vorher nicht mehr ernähren. Er wurde arbeitslos und fand erst 1936 eine Anstellung als Abteilungsleiter beim Kaufhaus Union Hermann Abraham in Itzehoe. Hier verdiente er verhältnismäßig gut und kam finanziell wieder auf die Beine. Durch seine Funktion als Vertreter des Kaufhauses in Hamburg konnte er bis zu 400 RM monatlich verdienen. Allerdings verlor er diese Stellung durch die antijüdischen Maßnahmen im Herbst 1938 wieder.

Die Familie befand sich jetzt in einer schwierigen Situation. Bruder Gustav war 1935 nach Palästina ausgewandert und hatte dort eine Familie gegründet. Die Schwestern Jenny und Hedwig zogen ähnlich Schlüsse und gingen 1939 nach San Francisco, USA. Bernhard, sein Vater und seine Tante Amalie, mit denen er auch die Wohnung in der Rutschbahn 8 teilte, blieben in Hamburg zurück.

Anfang des Jahres 1939 arbeitete Bernhard als Buchhalter für den jüdischen Konsulenten Siegfried Urias. Hier stellte er behördliche Papiere aus, die Juden zur Auswanderung benötigten. Dort blieb Bernhard Gerechter bis kurz vor seiner Deportation, nebenher arbeitete er für die Jüdische Gemeinde.
Sein Vater Leopold verstarb am 20. Oktober 1941 im Alter von 80 Jahren.

Am 6. Dezember 1941 wurden Bernhard und Amalie Gerechter nach Riga deportiert. Wie die meisten Hamburger Juden überlebten sie die Zeit im Außenlager Jungfernhof nicht.

Stand Oktober 2014

© John S. Will

Quellen: Bundesarchiv, Gedenkbuch, online unter: http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de873437 (Zugriff: 25.7.2014); StaHH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, Kultussteuerkarte Leopold Leib Gerechter; StaHH, Aufnahme-Register von 1890–1896 A-H, S. 443 f.; StaHH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 20054, Bernhard Gerechter, S. 16 und 29260, Gustav Gerechter, S. 1, 7 und 27; Handelsregister Hamburg, Abteilung A, 12045, in StaHH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 20054, Bernhard Gerechter, S. 20, Volkszählung Hamburg, 17.5.1939; Hamburger Adressbücher 1910 und 1933.

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