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Friedrich Gevert * 1899

Eppendorfer Landstraße 132 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
FRIEDRICH GEVERT
JG. 1899
VERHAFTET 1942
STRAFGEFÄNGNIS
WOLFENBÜTTEL
TOT 22.4.1945

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 132:
Eva Petersen

Friedrich genannt Karl Gevert, geb. 29.10.1899, gestorben am 22.4.1945 im Strafgefängnis Wolfenbüttel

Eppendorfer Landstraße 132

Friedrich Ludwig Karl Gevert wurde als zweiter Sohn des Malergesellen Karl Gevert und Emma, geb. Schalk, am 29. Oktober 1899 in Hamburg geboren. 1906 beging die Mutter mit seinem älteren Bruder Suizid in der Alster. Der Vater heiratete in zweiter Ehe Anna, geb. Krieger. Aus dieser Verbindung hatte Karl Gevert drei Halbgeschwister. Nach dem Besuch der Volksschule begann er zunächst eine Klempnerlehre, die er jedoch aufgrund einer Fingerverletzung abbrechen musste. Im Ersten Weltkrieg wurde er 1917 zum Militärdienst eingezogen, jedoch gleich beim ersten Fronteinsatz am linken Bein verwundet und 1919 aus dem Militärdienst entlassen. 1916, ein Jahr vor seinem Militärdienst, hatte er eine Beschäftigung als Arbeiter in der Wäscherei des Krankenhauses Barmbek gefunden, wo er bis zu seiner Entlassung 1942 auch als Kraftwagenführer tätig war.

1919 wurde Karl Gevert, der sich in der NS-Zeit gegenüber der Polizei zu seiner homosexuellen Veranlagung bekannte, erstmals wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" auf homosexueller Basis nach § 183 RStGB zu einer Geldstrafe verurteilt. 1927 erhielt er nach einer Verurteilung nach § 175 RStGB eine Geldstrafe in Höhe von 80 RM. Eine erneute Geldstrafe in Höhe von 100 RM nach einer Verurteilung nach § 183 RStGB im Jahr 1935 wurde ihm später nach einer Amnestie erlassen.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 wurde er zum Militärdienst eingezogen, aber nach zehn Monaten wegen "völliger Nervendepression" entlassen und 1940 ausgemustert. Durch einen 1941 begangenen Fahrraddiebstahl geriet Gevert, der als Homosexueller bereits als "Krimineller" galt, erneut ins Blickfeld der Polizei. Innerhalb der ihm bis 1944 auferlegten Bewährungsfrist anstelle einer Geldstrafe wurde er am 20. Januar 1942 aufgrund eines offensichtlich unbegründeten Verdachts, sich an ein Kind "herangemacht" zu haben, in Polizeihaft genommen. Im Zuge der Verhöre gab er homosexuelle Kontakte mit ihm namentlich unbekannten Männern in öffentlichen Bedürfnisanstalten zu und wurde infolge dieses Geständnisses im März 1942 vom Amtsgericht Hamburg wegen "fortgesetzten gleichgeschlechtlichen Verkehrs" nach § 175 RStGB zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Die Haft verbüßte er in den hamburgischen Strafanstalten Fuhlsbüttel und Glasmoor. Nach seiner Entlassung im Oktober 1942 war er als Arbeiter in den Rüstungsbetrieben Dynamit AG in Krümmel und Hanseatische Kettenwerke (HAK) in Langenhorn be­schäftigt.

Im Februar 1944 wurde er durch einen als Lockspitzel eingesetzten Kriminalpolizisten in einer Bedürfnisanstalt an der Ecke Lange Reihe/St. Georgskirchhof als Homosexueller überführt. Während seiner Untersuchungshaft begutachtete ihn der Gerichtsarzt Hans Koopmann wegen einer eventuell vorzunehmenden Entmannung. Koopmann, bekannt für harte gutachterliche Äußerungen, wurde seinem Ruf auch im Falle von Karl Gevert gerecht und befürwortete eine Kastration: "Es handelt sich demnach bei G. um einen triebhaften, willens­schwachen, homosexuellen Masturbanten … Die kriminalbiologische Prognose erscheint ungünstig. Es muß nach den Vorstrafen des G. damit gerechnet werden, daß er … rückfällig werden wird. … Als beste Sicherungsmaßnahme kommt die Entmannung in Frage."

Da Gevert im Zuge der polizeilichen Verhöre noch weitere Sexualkontakte mit unbekannten Männern zugab, verurteilte ihn das Landgericht Hamburg im April 1944 zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die er ab Mai 1944 im Strafgefängnis Wolfenbüttel verbrachte. Im August 1944 wurde die inzwischen auch von Karl Gevert angesichts seiner bedrohlichen Haftsituation im Juni beantragte "freiwillige Entmannung" vom Hamburger Gesundheitssenator Dr. Friedrich Ofterdinger genehmigt. Der für Wolfenbüttel zuständige Anstaltsarzt im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden verzögerte aus unbekannten Erwägungen die Entmannung, sodass diese nicht mehr durchgeführt wurde, obwohl die Hamburger Gesundheitsverwaltung noch im April 1945 auf deren Durchführung drängte. Nachdem das Gefängnis nach der Besetzung Wolfenbüttels durch die Alliierten um den 11. April 1945 vorübergehend in Selbstverwaltung kam, verstarb Karl Gevert am 22. April 1945 kurz vor Kriegsende in der dortigen Strafanstalt.

© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 2638/42, 2850/42 und 2249/44; StaH, 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 und 1998/1; StaH, 352-12 Gesundheitsbehörde – Sonderakten, Ablieferung 1999/1 Gevert; StA Wolfenbüttel, 43 A NEU 4 Jg. 1944 Nr. 74; Auskünfte Rainer Hoffschildt, Hannover und Christian-Alexander Wäldner, Ronnenburg-Weetzen; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 213.

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