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Olga Glaser (geborene Fränkel) * 1892

Reeperbahn 100 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
OLGA GLASER
GEB. FRÄNKEL
JG. 1892
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 10.4.1943

Weitere Stolpersteine in Reeperbahn 100:
Friedrich Glaser

Dr. Friedrich Glaser, geb. 12.8.1888 in Zabrze (Hindenburg)/Schlesien, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 19.10.1944 nach Auschwitz
Olga Auguste Glaser, geb. Fränkel, geb. 17.9.1892 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, gestorben dort am 19.4.1943

Reeperbahn 100

Der jüdische Arzt Friedrich Glaser wurde am 12. August 1888 als jüngster Sohn der Eheleute Max und Fanny Spitz in Zabrze/Schlesien geboren und kam vermutlich 1914 nach Hamburg, nachdem er an der Universität Breslau sein Medizinstudium beendet hatte. Er bezog auf der Reeperbahn 100 in der zweiten Etage eine große Wohnung, zu der auch die Praxis mit einem Wartezimmer und zwei Behandlungsräumen gehörte. Wann er seine spätere Ehefrau, die in Hamburg geborene Olga Fränkel kennenlernte und heiratete, lässt sich nicht genau datieren. 1923 wurde die erste Tochter Ilse, 1928 die Tochter Ingeborg geboren. Olga Glaser war "Halbjüdin" und gehörte der evangelischen Kirche an, beide Töchter wurden getauft. Dennoch galt die Ehe der Glasers als jüdisch, denn "Mischlinge", die mit Juden verheiratet waren, wurden wie solche behandelt.

Aus den Berichten eines engen Freundes der Familie, die er im Zuge des Entschädigungsverfahrens verfasste, entsteht ein deutliches Bild von Dr. Glaser als praktischem Arzt in St. Pauli:

"Er war und galt allgemein als besonders tüchtiger und sorgfältiger Arzt, der auf St. Pauli wegen seines leutseligen Wesens ganz besonders beliebt war. Seine Sprechstunde war immer besetzt und oft haben wir lange mit dem Abendessen warten müssen, weil noch Patienten zu behandeln waren. Unter diesen befanden sich übrigens oft auch Devisen zahlende Seeleute, die ihm die Wirte, Hoteliers und Geschäftsleute St. Paulis zusandten … Wie ich schon erwähnte, war er ausserordentlich gutmütig und hilfsbereit. Nicht nur, dass er Patienten, die behaupteten, nichts zahlen zu können, unentgeltlich behandelte, er beschenkte sie auch noch oft mit Bargeld. Das waren wohl kleinere Beträge, er verlieh aber auch grössere Summen an Betriebe auf St. Pauli".

Familie Glaser lebte nach Angaben einer Nichte in guten Verhältnissen. Ihre Wohnung wurde als "überdurchschnittlich wertvoll und gediegen" beschrieben, zum Eigentum gehörte auch ein "Opel Olympia". Die Urlaube verbrachte man "in St. Moritz und Baden-Baden in den ersten Hotels". Ein Freund erinnerte sich daran, dass Olga ("Olly") Glaser nahegelegt wurde, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, "um dem Abtransport zu entgehen". Doch Olga blieb an der Seite ihres Mannes und war ab 1939 als evangelisches Kirchenmitglied auch der Jüdischen Gemeinde gegenüber beitragspflichtig.

Wie allen "nichtarischen" Ärzten wurde auch Dr. Glaser zum 30. September 1938 die "Bestallung" entzogen, sodass er seine Praxis an der Reeperbahn aufgeben musste – eine Emigration ins Ausland, die rund 3/4 aller jüdischen Ärzte aus Hamburg auf sich genommen hatten, um der drohenden Deportation zu entgehen, hatte er augenscheinlich für sich nicht in Erwägung gezogen. Vielleicht hatte er sich aufgrund seines Alters wenig Hoffnung auf einen erfolgversprechenden Neuanfang im Ausland gemacht. Vielleicht hatte er aber auch auf das Privileg gesetzt, weiterhin als "Krankenbehandler" – ausschließlich für jüdische Patienten – arbeiten zu können. Diese Behandlungserlaubnis galt nur auf Widerruf und schloss zahlreiche ärztliche Befugnisse, wie beispielsweise die Herstellung von Impfstoffen und Sera, aus. Aus den Beitragszahlungen an die Jüdische Gemeinde lässt sich erkennen, dass er bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt im Juli 1942 als Arzt an den wechselnden Standorten des Israelitischen Krankenhauses tätig war, zuletzt in der Johnsallee 68.

Bis Ende März 1942 wohnten Friedrich und Olga Glaser noch an der Reeperbahn, dann mussten sie in das "Judenhaus" am Großneumarkt 56 umziehen. Dort blieben ihnen nur noch wenige Monate bis zu ihrer "Evakuierung" nach Theresienstadt am 15. Juli 1942. Nach Aussage einer Verwandten waren sie "schon zweimal vor der endgültigen Deportation abgeholt und wieder nach Hause geschickt worden". Die beiden Töchter des Ehepaares Glaser waren bereits im Juli 1939 mit einem Kindertransport nach Irland geschickt worden und entgingen so der Deportation.

Olga Glaser starb am 19. April 1943 in Theresienstadt, ihr Ehemann Friedrich wurde am 19. Oktober 1944 mit dem Transport "Es-907" ins Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert. Dieser Transport umfasste 1500 jüdische Männer, Frauen und Kinder, von denen nach der "Selektion" 169 Frauen und 173 Männer in das Lager eingewiesen wurden. Die übrigen 1158 Menschen wurden in der Gaskammer getötet.

Ob Friedrich Glaser auch unmittelbar nach seiner Ankunft in Auschwitz ermordet wurde oder ob er eventuell aufgrund seiner Tätigkeit als Arzt im Lager noch eingesetzt wurde und somit noch eine kurze Zeit in dem Vernichtungslager lebte, ist nicht bekannt. Ebenso lässt sich nicht mehr klären, ob er noch in einer der Gaskammern getötet wurde oder auf einem der sogenannten Todesmärsche starb, die sich ab Januar mit Auflösung des Lagers in Richtung Westen bewegten.

Die beiden Kinder des Ehepaars Glaser überlebten den Krieg in Irland. Die ältere Tochter Ilse zog in den 1960er Jahren wieder nach Hamburg, Ingeborg behielt ihren Wohnsitz in London.

© Gunhild Ohl-Hinz

Quellen: 1; 2; 4; 7; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 120888 Glaser, Friedrich; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 170992 Glaser, Olga; StaH, 214-1 Gerichtsvollzieherwesen, 288; StaH 314-15 OFP, Abl. 1998/1, J 6/249-50; StaH 314-15 OFP, R 1938/3563; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 d Band 9, Steuerakte 30151; Czech, Kalendarium, 1989; Mosel, Johnsallee, http://www1.uni-hamburg.de/rz3a035//johnsallee3.html (2.3.2009).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".
Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939

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