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Bereits verlegte Stolpersteine


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Kurt-Hermann Goldberg * 1919

Wexstraße 4–6 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
KURT HERMANN
GOLDBERG
JG. 1919
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
LODZ

Weitere Stolpersteine in Wexstraße 4–6:
Erna Goldberg, Walt(h)er Goldberg, Werner-Richard Goldberg, Hans-Hermann Goldberg, Fanny Rappaport, Ella Rappaport, Julius Rappaport, Berthold Rappaport, Leib Rappaport

Erna Goldberg, geb. am 16.5.1890 in Neuhaus an der Elbe, deportiert 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof
Hans-Hermann Goldberg, geb. am 27.11.1932 in Hamburg, deportiert 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 29.3.1942
Kurt-Hermann Goldberg, geb. am 30.12.1919 in Hamburg, deportiert 25.10.1941 nach Lodz, weiter deportiert im Dezember 1941 nach Posen, Todesort unbekannt
Walter Goldberg, geb. am 23.3.1893 in Neuhaus an der Elbe, 1938 KZ Sachsenhausen, deportiert 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 1.4.1942
Werner-Richard Goldberg, geb. am 2.11.1923 in Hamburg, deportiert 25.10.1941 nach Lodz, dort gestorben am 16.4.1942

Wexstraße 4–6 (Wexstraße 6)

Die Geschwister Erna und Walter Goldberg kamen in Neuhaus an der Elbe bei Lüneburg zur Welt, wo sich der Vater als selbstständiger Kaufmann, wenngleich in bescheidenem Rahmen, betätigte. Ihre Eltern hießen Bernhard Goldberg und Klara, geb. Seckel. 1901 verkaufte Bernhard Goldberg sein im Jahre 1897 erbautes Haus in der heutigen Lüneburger Straße und verzog mit seiner Familie, wahrscheinlich nach Celle.

Das Ehepaar Goldberg hatte mehrere Kinder, drei starben bereits sehr früh. Der jüngste Kurt Goldberg (geb. 21.1.1895) wurde am 26. Juni 1916 im Ersten Weltkrieg getötet. Der ältere Richard Goldberg (geb. 11.3.1888) lebte später als Kaufmann in Berlin, von dort wurde der Witwer am 30. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und am 15. Mai 1944 weiter ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Über Erna Goldberg, die in Hamburg lebte, ist fast nichts bekannt. Sie war unverheiratet und arbeitete als Kontoristin. Von 1928 bis 1934 wohnte sie in der Martin-Luther-Straße 24 und betrieb 1928 für kurze Zeit ein Weisswarengeschäft am Billhorner Röhrendamm. Nach 1934 war Erna Goldberg in den Hamburger Adressbüchern nicht mehr verzeichnet, vermutlich wohnte sie zur Untermiete. Erna Goldberg wurde mit der Berufsbezeichnung "Arbeiterin" am 6. Dezember 1941 aus der Grindelallee 21 nach Riga-Jungfernhof deportiert, wo sich ihre Spur verlor.

Walter Goldberg hatte, durch ein "Familienstipendium" ermöglicht, eine private Realschule in Celle besucht, die er allerdings vor der mittleren Reife verließ. Seine kaufmännische Ausbildung erhielt er in Hamburg im Kaufhaus der Gebrüder Alsberg, wo er bis 1910 im Verkauf tätig blieb. Eine Zeitlang war er dann als Handlungsgehilfe in Sterkrade/Oberhausen, Duisburg und Gelsenkirchen beschäftigt.

1913 wechselte Walter Goldberg als Agent und Inspektor ins Versicherungsfach. 1915 wurde er zum Heeresdienst eingezogen und erlitt bis 1918 eine Kampfgasvergiftung sowie zwei leichte Verwundungen. Nach dem Ersten Weltkrieg eröffnete er ein Geschäft für "Schneidereibedarfsartikel" in der Straße Beim Schlump 52. Am 15. Juli 1919 heiratete er Alice Furmanski, ebenfalls jüdischen Glaubens. Alice Furmanski war am 11. Juni 1897 als eine von vier Töchtern des Pferdehändlers Jakob Jankelowitsch Moses Furmanski (geb. 14.2.1867, gest. 22.6.1928) und dessen Ehefrau Martha (geb. 20.3.1869, gest. 26.4.1941) in Altona zur Welt gekommen.

Die Mutter stammte aus der sephardischen jüdischen Familie Brandon, die vor Generationen wegen ihres Glaubens von der Iberischen Halbinsel vertrieben worden war.

Alices und Walters ältester Sohn Kurt-Hermann war am 30. Dezember 1919 geboren worden. Der zweite, Werner-Richard, folgte am 2. November 1923. Das Ehepaar Goldberg wohnte bis 1926 Beim Schlump 52, dann in einer Zweizimmerwohnung im Hinterhaus der Gärtnerstraße 114 in Eppendorf. Trotz "unleugbaren Fleißes" erzielte Walter Goldberg infolge der Weltwirtschaftskrise kein regelmäßiges Einkommen, sein Verdienst reichte nicht aus, um die Familie zu ernähren. Zeitweise erhielt das Ehepaar Fürsorgeleistungen und wurde auch von der Jüdischen Gemeinde unterstützt. 1927 kehrte Walter Goldberg als Bevollmächtigter der Nordwestdeutschen Versicherungsanstalt AG für Handwerk und Gewerbe ins Versicherungsfach zurück. Aber auch jetzt wollte sich der berufliche Erfolg nicht einstellen. Zudem waren beide Söhne an Drüsentuberkulose erkrankt. In dieser schwierigen Zeit fiel der Verdacht auf Walter Goldberg, er hätte aus Not und Verzweiflung Quittungen gefälscht und kassierte Beiträge nicht an die Versicherung abgeführt. In einem Gerichtsverfahren am 14. November 1929 wurde jedoch festgestellt, dass Walter Goldberg keine Unterschlagung begangen hatte. Allerdings hatte er "infolge übergroßer Hast und seiner Nervosität" Durchschläge des Quittungsbuches erst ein bis zwei Tage später ausgestellt, für diese "strafbare Unkorrektheit" in seiner Buchführung wurde Walter Goldberg am 8. Januar 1930 vom Amtsgericht zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Zudem scheiterte die Ehe. Alice und Walter Goldberg ließen sich am 4. Juni 1931 scheiden. Beide Söhne Kurt-Hermann und Werner-Richard blieben bei ihrem Vater in der Gärtnerstraße zurück.

Eine zweite Ehe ging Walter Goldberg am 30. Mai 1932 mit der 22 Jahre jüngeren Elfriede Sophie Nielsen ein. Elfriede Nielsen war am 8. Juni 1915 in Apenrade in einem nichtjüdischen Elternhaus geboren worden. Die gemeinsamen Kinder, Hans-Hermann Christian, geboren am 27. November 1932, Ursula, geboren am 2. November 1934, und Ernst-Friedrich Wilhelm, geboren am 15. November 1935, wurden evangelisch getauft. Walter Goldberg hatte bereits Anfang 1931 seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde erklärt.

Laut Hamburger Adressbücher betätigte sich Walter Goldberg ab 1933 in der Werbebranche. Unter der Firmenbezeichnung "Lichtreklame" war er auch als Glasbeschrifter, Schilderhersteller und Kunstmaler verzeichnet. 1936 lautete die Adresse Fuhlentwiete 39, dann Wexstraße 6. Am 23. Juni 1938 wurde Walter Goldberg im Rahmen der "Juni-Aktion" verhaftet. Er gehörte zu den 200 jüdischen, von insgesamt 700 Männern in Hamburg, die wegen einer früheren Verurteilung in "Schutzhaft" kamen, auch wenn es sich wie bei Walter Goldberg um ein Bagatelldelikt gehandelt hatte. Walter Goldberg wurde aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel ins KZ Sachsenhausen überstellt und erst am 24. März 1939 mit der Auflage entlassen, Deutschland umgehend zu verlassen.

In der Zwischenzeit war die Ehescheidung zwischen Walter und Elfriede vollzogen worden, wahrscheinlich war dieser Schritt nicht freiwillig erfolgt. Elfriede Goldberg ging, um ihre Kinder vor Verfolgung zu schützen, eine zweite Ehe mit Oskar Bütter ein. Walter Goldberg verlor so den Schutz einer "privilegierten Mischehe".

Sein jüngster Sohn Ernst, damals erst fünf Jahre alt, erinnerte sich später, sein Vater habe bei ihrem letzten Treffen darüber gesprochen, er solle mit Hans-Hermann Christian nach Shanghai "abgeschoben" werden. Sein Vater hatte den Kopf bandagiert und durfte über die Zeit seiner Inhaftierung nichts erzählen.

In einem "Auswandererfragebogen" gab Walter Goldberg tatsächlich an, er beabsichtige, mit seinem 7-jährigen Sohn Hans-Hermann Christian nach Shanghai zu emigrieren. Eine dazu benötigte "Unbedenklichkeitsbescheinigung", die ihm die Ausreise erlaubte, wurde ihm von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten am 24. April 1939 erteilt.

Doch zur Auswanderung kam es nicht mehr, die Bescheinigung verfiel. Stattdessen zog Walter Goldberg aus der Paulinenallee 6 in die Vereinsstraße 40a, zuletzt wohnte er mit seinen Söhnen Hans-Hermann Christian und Werner-Richard, der als Schlosserhelfer beschäftigt war, in der Klosterallee 9 dritte Etage bei Heinrich Glück. Sein ältester Sohn Kurt-Hermann war in der Rappstraße 15 gemeldet.

Den "Evakuierungsbefehl" erhielten sie gemeinsam für den 25. Oktober 1941 in das Getto "Litzmannstadt" nach Lodz. Warum Hans-Hermann Christian als "Mischling" auf die Liste der "freiwillig" zur Deportation Gemeldeten kam, bleibt unklar.

Walter Goldbergs erste Ehefrau Alice ging am 2. Oktober 1936 eine zweite Ehe mit dem Handelsvertreter Leopold Feldmann (geb. 11.6.1879 in Krakow am See/Mecklenburg) ein. Am 3. April 1940 wurde sie Witwe. Alice Feldmann und ihre Schwester Elly Furmanski (geb. 17.6.1894) wurden am 25. Oktober 1941 ebenfalls nach Lodz deportiert. Im Mai 1942 erhielten die Schwestern im Getto einen "Ausreisebefehl" für einen Transport ohne Angabe des Zielortes. In der Hoffnung, von der Ausweisung zurückgestellt zu werden, schrieb Alice Feldmann in einem Gesuch an die "Ausweisungs-Kommission": "Ich kann zur Begründung meiner Bitte um Rücknahme des Ausreisebefehls nur die hier erlittenen schweren Schicksalsschläge anführen. Mein ältester Sohn, Kurt Goldberg, 21 Jahre alt, ist schon im Dezember 1941 nach Posen gebracht worden. Ich hörte nichts mehr von ihm. Mein zweiter Sohn, Werner, noch nicht 18-jährig, hat sich in der schweren Winterarbeit im Tag- und Nachtdienst, zu der er sich stets freiwillig gemeldet hatte, so schwere Erkrankungen, Erfrierungen, Furunkulose zugezogen, dass er nach Amputation beider Füße am 16. April 1942 im Krankenhaus starb. Mein geschiedener Ehemann Walter Goldberg, der allein mit seinem 9-jährigen, halbarischen Sohn ins Getto kam und den ich auch zu betreuen hatte, ist am 1. April 1942, einen Tag nach dem Tode des 9-jährigen Kindes, wie dieser an körperlicher Erschöpfung und unheilbaren Frostschäden gestorben. Diese furchtbaren seelischen Verwundungen und schweren körperlichen Verfall erlitt ich im Getto, und dennoch – oder deswegen bitte ich die verehrliche Kommission: lassen Sie mich im Getto! Ich hoffe keine Fehlbitte zu tun.
Hochachtungsvoll Alice Feldmann."

Ihr Gesuch wurde nicht bewilligt. Nur wer eine wichtige Arbeitsstelle im Getto nachweisen konnte, hatte eine Überlebenschance. Am 15. Mai 1942 wurde Alice Feldmann mit ihrer Schwester Elly Furmanski in das Vernichtungslager nach Chelmno/Kulmhof gebracht und am Tage ihrer Ankunft im mobilen Gaswagen ermordet. (An Alice Feldmann erinnert seit dem 29. März 2005 im Woldsenweg 9 der tausendste Stolperstein). Eine weitere Schwester, Paula Isenberg, geb. Furmanski (geb. 12.12.1898), starb im Vernichtungslager Majdanek (s. das Ehepaar Hanna und John Sander), die ältere Wally Jaenecke, geb. Furmanski (geb. 7.5.1893), am 28. August 1943 in Berlin.

Die Geschwister Ursula und Ernst Goldberg überlebten die NS-Zeit als "Mischlinge ersten Grades". Ihre Mutter Elfriede starb nach einem Unfall im Juli 1945 in Husum, die Geschwister wuchsen dann bei ihren Großeltern auf. Ernst Goldberg wanderte später nach Australien aus. Die Stolpersteine in der Wexstraße, vor einem Nachkriegsbau, ließ dessen Sohn, Robert Goldberg, 2013 für seine Familie verlegen.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 9; StaH 351-11 AfW 15377 (Goldberg, Walter); StaH 351-11 AfW 43227 (Goldberg, Kurt-Hermann); StaH 213-11 Amtsgericht Hamburg A16366/1930; StaH 314-15 OFP, FVg 5844; StaH 332-5 Standesämter 6280 u 1422/1893; StaH 332-5 Standesämter 6299 u 1891/1897; StaH 332-5 Standesämter 6044 u 844/1919; StaH 332-5 Standesämter 8168 u 210/1940; StaH 332-5 Standesämter 8174 u 216/1941; USHMM, RG 15.083, 299/626-627, 629, Auskunft von Fritz Neubauer Universität Bielefeld, E-Mail vom 11.6.2012; Koser/ Brunotte: Stolpersteine, S. 154; Persönliches Gespräch mit Robert Goldberg am 5.3.2013; www.judeninbleckede.de (Zugriff 27.12.2013); Hagen: Amt, Band 2; diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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