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Walter Golenzer
© Yad Vashem

Walter Golenzer * 1925

Sillemstraße 3 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1943 Theresienstadt
1944 Auschwitz
ermordet 05.03.1945 KZ Flossenbürg

Walter Golenzer, geb. am 12.7.1925 in Hamburg, am 5.5.1943 deportiert nach Theresien­stadt, über Auschwitz und Dachau ins KZ Flossenbürg, dort wahrscheinlich am 5.3.1945 gestorben

Sillemstraße 3

Walter Golenzer war erst 19 Jahre alt, als er zwei Monate vor Kriegsende im KZ Flossenbürg starb. Er war staatenlos und nach nationalsozialistischer Definition "Halb-" und "Geltungsjude". Der jüdische Vater Hermann (Chaim) Golenzer war von Beruf Restaurateur. Geboren am 25.5.1902 wohnte er seit 1919 ständig in Hamburg. Die Mutter Elsa (Esther) Golenzer, geb. Meier (geb. 11.5.1901, gest. 28.6.1962), war nichtjüdischer Herkunft. Beide Eltern waren staatenlos.

Walter hatte eine Schwester Ruth, die knapp drei Jahre älter war, und einen Bruder Michael (Meschel), der 14 Jahre jünger war. Seine Eltern und Geschwister überlebten.

Bis 1942 hatte die Familie in Eimsbüttel in der Sillemstraße 3 im dritten Stock gewohnt. Wahrscheinlich 1940 nahm die Familie die junge Frau und Mutter Ruth Drucker als Untermieterin auf, die von dieser Adresse aus im November 1941 nach Minsk deportiert wurde (s. "Stolpersteine in Hamburg-Altona", S. 39ff.). 1942 zogen Golenzers in die Rappstraße 13 und wenig später in das ehemalige Kalker Stift und spätere "Judenhaus" in der Rutschbahn 25a, wo die Familie noch nach 1945 lebte.

Walter Golenzer wurde Ostern 1932 in die Talmud Tora Schule eingeschult. Ostern 1940 verließ er die Schule nach Abschluss seiner Volksschulzeit. Martin Beer und Peter Glück, an die auch Stolpersteine in Eimsbüttel erinnern, waren seine Klassenkameraden, genauso wie Schlomo Schwarzschild und Karl-Heinz Silberberg, denen die Emigration gelang, sowie Günther Nachum, an den ein Stolperstein im Grindelhof 29 erinnert. Klassenlehrer der Abschlussklasse G 8 war Ernst Streim, der in der Grindelallee 184 wohnte und wie seine Schüler deportiert und ermordet wurde.

Walters Schwester Ruth hatte von Ostern 1929 bis Ostern 1937 die Jüdische Schule für Mädchen, die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße besucht.

Ab Dezember 1938 schrieb Walter Golenzer einige Postkarten an seinen Freund Karl-Heinz Silberberg, der Ende 1938 nach England hatte ausreisen können und im März 1939 in Claydon bei Ipswich lebte, bevor er einige Zeit später zu seinem Vater nach Uruguay auswanderte. Möglicherweise hatten Walter und Karl-Heinz gemeinsam nach England ausreisen sollen, denn Karl-Heinz‘ Vater fragte bei seinem Sohn in England an, ob er mit Walter Golenzer zusammen sei. Am 21. Dezember 1938 schrieb Walter an Karl-Heinz: "Vielleicht komme ich bald auch", aber am 5. März 1939 hieß es dann: "Von Hamburg kommen keine Kinder mehr nach England und Holland. Warum weiß ich nicht …" Und am 20. April schrieb er: "… Hast Du schon gehört, dass die Mädchen nach uns gekommen sind? In den meisten Klassen sind die Jungs und Mädchen zusammen, bei uns nicht. Mein Rad ist im Moment kaputt. In der letzten Zeit habe ich fast gar keine Karl-May-Bücher mehr gelesen. Wir haben dieses Jahr Levy als Klassenlehrer. In ,Tennispark Hoheluft‘ ist jetzt ,Viktoria‘. Leider kann ich da kein Tennis mehr spielen. Wir haben neulich Post von der Gemeinde bekommen wegen Kinderverschickung."

Die Bemerkung zu den Mädchen bezog sich darauf, dass zu diesem Zeitpunkt die Jüdische Jungenschule mit der Mädchenschule zusammengelegt werden musste.

Eine Ausbildung konnte Walter nach seiner Schulzeit nicht mehr machen, denn ab November 1941 musste er in der Spinnerei der Lokstedter Firma Steen & Co Zwangsarbeit leisten, wo auch sein Vater seit Februar 1940 Zwangsarbeiter war. Am 5. Mai 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert. Da er "Halbjude" war, war er nicht mit den ersten großen Transporten nach Lodz, Minsk oder Riga gebracht worden, aber entgehen konnte er dem Deportationsbefehl nicht. Die Befreiung hat er nicht mehr erlebt. Er wurde zusammen mit seiner Schwester Ruth und deren Ehemann Ewald Wolf (geb. 19.7.1907 in Gelsenkirchen) von der Rutschbahn 25a aus nach Theresienstadt deportiert, kam von dort im September 1944 nach Auschwitz, wie Tausende andere auch. Er galt vermutlich als arbeitsfähig und wurde deshalb nicht sofort ermordet, sondern nach Dachau verschleppt. Am 7. Januar 1945 wurde er vom Außenlager Kaufering des KZ Dachau in das Außenlager Leitmeritz des KZ Flossenbürg überstellt und unter der Haftnummer 42658 registriert, als "Jude, staatenlos". Am 28. Februar 1945 wurde er vom Außenlager Leitmeritz ins Konzentrationslager Flossenbürg überstellt. Im Gedenkbuch ist sein Todesdatum mit dem 5. März 1945 angegeben. Dieses Datum findet sich auch auf einem von der Schwester ausgefüllten Gedenkblatt in Yad Vashem. Im Archiv des KZ Flossenbürg fand sich kein Hinweis auf sein Todesdatum. Er starb in Flossenbürg. Auch seine Schwester kam nach Auschwitz. Sie hat überlebt.

Der Vater Chaim Golenzer engagierte sich nach 1945 für den Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde. Die Geschwister Ruth und Michael betrieben später mit Ruths Ehemann in Chicago ein Bagel-Restaurant. Ruth Golenzer starb im Sommer 2008. Auch die Eltern wanderten 1951 in die USA aus.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 8; StaH 351-11 AfW, 120725; StaH 362-6/10 Talmud Tora Schule StaH 741-4 Fotoarchiv Sa 1248 und Sa1255; StaH 522-1, 992e2 Bd. 4 (Deportationslisten); Ina S. Lorenz, Gehen oder Bleiben; www.bagelrestaurant.com; Peter Offenborn, Jüdische Jugend, S. 794; HAB 1940 II und 1941 II; Postkarte von Walter Golenzer an Karl Heinz Silberberg vom 26.3.1939; Auskunft der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg vom 22.3.2011.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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