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Walter Geffers * 1923

Straßburger Straße 79 (Hamburg-Nord, Dulsberg)


HIER WOHNTE
WALTER GEFFERS
JG. 1923
EINGEWIESEN NOV. 1941
’HEILANSTALT’ TIEGENHOF
ERMORDET 6.1.1942

Walter Johann Geffers, geb. 14.8.1923 in Wilhelmsburg, am 6.1.1942 umgekommen in Tiegenhof bei Gnesen (heute: Dziekanka bei Gniezno)

Straßburger Straße 79 (Straßburgerstraße 49)

Von Walter Geffers ist nur wenig bekannt. Er kam am 29. März 1935 mit elf Jahren in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute: Evangelische Stiftung Alsterdorf). Der Grund für die Aufnahme bleibt im Dunkeln, denn seine Krankenakte ist nicht erhalten geblieben. Er wurde – das ergeben die Eintragungen im so genannten Aufnahmebuch zweifelsfrei – am 28. Juli 1941 nach Langenhorn abtransportiert. Über diesen Transport schreibt Michael Wunder: "Am 28. Juli 1941 kamen die Busse der ‚Gemeinnützigen Krankentransport-Gesellschaft‘ (GeKraT) … auf das Gelände der Alsterdorfer Anstalten. Ihr Auftrag war, 70 Behinderte, die in den Alsterdorfer Anstalten untergebracht waren, abzuholen, um sie nach Langenhorn zu transportieren.

Drei Tage vorher hatte Pastor Lensch in der Gesundheitsbehörde Hamburg eine Liste mit 50 männlichen und vermutlich 20 weiblichen Alsterdorfer Anstaltsinsassen bekommen, die die Berliner T 4-Zentrale aufgrund der von Pastor Lensch nach Berlin geschickten Meldebögen zusammengestellt hatte. Der Gesundheitssenator Ofterdinger versicherte Pastor Lensch, dass die Alsterdorfer Insassen lediglich nach Langenhorn verlegt werden sollten, um die Alsterdorfer Anstalten zu entlasten und die in Langenhorn leerstehenden Betten sinnvoll zu nutzen. Als die Busse der GeKraT auf das Gelände der Alsterdorfer Anstalten auffuhren, muss sich Erregung, ja sogar Panik ausgebreitet haben. Durch die kirchlichen Proteste gegen die Euthanasie, die zu diesem Zeitpunkt reichsweit ihren Höhepunkt erreicht hatten, und die Hinweise aus süddeutschen und ostdeutschen Anstalten waren die Tötungsaktionen durchaus auch unter der Pflegerinnen und Pflegern der Alsterdorfer Anstalten bekannt.

Die Kenntnisse einiger Pfleger und Schwestern hatten sich aber offensichtlich auch unter den Anstaltsinsassen ausgebreitet. Einige Kinder sollen, als die Busse der GeKraT auffuhren, ins Gelände hineingelaufen sein, um die Nachricht zu verbreiten. In dieser Situation schrieb Lensch ein Rundschreiben an alle Pflegekräfte, in dem er den Abtransport als ,Verwaltungsakt‘ darstellte, der mit ,anderen Maßnahmen nichts zu tun hat’. Die Pflegekräfte mussten den Empfang dieses Rundschreibens sogar mit ihrer Unterschrift quittieren."

Welche Szenen sich beim Abtransport von 50 Männern am 28. Juli 1941 abgespielt haben, wissen wir nicht. Ebenso wenig ist überliefert, was sich drei Tage später, am 1. August zutrug, als nochmals mit den Bussen der GeKraT 20 Frauen nach Langenhorn abtransportiert wurden. Bei den Abtransportierten handelte es sich um die "Schwächsten der Schwachen" (Wunder). Für alle war der berüchtigte T4-Meldebogen ausgefüllt und nach Berlin geschickt worden. Betroffen waren zum überwiegenden Teil Menschen wie Walter Geffers, die schon lange Jahre in Alsterdorf gelebt hatten.

Die Beurteilungen der Abtransportierten auf den Erbgesundheitskarten sind durchgängig in einer abwertenden, ja aburteilenden Sprache gehalten. Die Eintragungen für die Männer enthalten meist die Anmerkung "unheilbar" und durchgängig die Bemerkung "zu keiner produktiven Arbeitsleistung fähig" oder "völlig arbeitsunfähig". Bei Walter Geffers hieß es in der vier Zeilen umfassenden Beurteilung, daß er "seine Bedürfnisse unter sich ließ und ständig eine Schutzjacke tragen mußte".

Offenbar war die Begründung für den Transport, die in Langenhorn leerstehenden Betten sinnvoll zu nutzen, nur ein Vorwand, denn keine sechs Monate später kam Walter Geffers in der Landesheilanstalt Tiegenhof um. Die Umstände seines Todes kennen wir nicht. Als offizielle Todesursache wird "allgemeine Erschöpfung und Darmkatarrh" angegeben. Es darf als sicher angenommen werden, dass Walter Geffers keines natürlichen Todes gestorben ist. Viele seiner Schicksalsgenossen, die am 28. Juli 1941 mit ihm zunächst nach Langenhorn und anschließend nach Tiefenhof transportiert wurden, fanden kurz vor dem Jahresende 1941 oder im ersten Quartal 1942 wie Walter Geffers in der Landesheilanstalt Tiegenhof den Tod. Er, der 1919 geborene Erich Putlitz aus dem Hellkamp 75, kam wie Walter Geffers aus den Alsterdorfer Anstalten, wurde am 28. Juli 1941 nach Langenhorn transportiert und starb – wohl kaum zufällig – ebenso wie Walter Geffers am 6. Januar 1942 im Tiegenhof.

© Ingo Wille

Quellen: Evang. Stiftung Alsterdorf, Patientenunterlagen der Alsterdorfer Anstalten; Michael Wunder, "Ausgesuchte, abgelaufene, sekundäre Demenzen …", in: "Verachtet, Verfolgt, Vernichtet", Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes in Hamburg (Hrsg.), Hamburg 1986, S. 88.

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