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Erzählerin: Christine Jensen

Woo Lie Kien * 1885

Schmuckstraße 7 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
WOO LIE KIEN
JG. 1885
VERHAFTET JUNI 1944
GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
VON GESTAPO
MISSHANDELT
TOT 23.11.1944

Woo Lie Kien, geb. in 8.9.1885 in Kaiping/China, inhaftiert im Juni 1944 im Gefängnis Fuhlsbüttel, gestorben am 23.11.1944 infolge schwerer Misshandlungen durch die Gestapo

Schmuckstraße 7

Woo Lie Kien wurde am 8. September 1885 im Bezirk Kaiping (Hoiping) in der Nähe Guangzhous (Kanton) geboren und stammte wie die Mehrheit der chinesischen Seeleute aus dem Delta des Zhu Jiang (Perlfluss). Wie viele seiner kantonesischen Landsleute arbeitete Woo Lie Kien als Heizer auf europäischen Dampfschiffen und gelangte auf diese Weise regelmäßig in die großen westeuropäischen Hafenstädte. Seit 1926 lebte er in Deutschland und wohnte in den frühen 1930er Jahren in der Schmuckstraße Nr. 7 – inmitten des "Chinesenviertels" in St. Pauli. Zu Beginn des Jahres 1936 übernahm er die Gaststätte in der Schmuckstraße Nr. 9 und betrieb sie mit Hilfe wechselnder chinesischer Küchenhilfen und deutscher Wirtschafterinnen. Sein Lokal fungierte sowohl als Anlaufpunkt für chinesische Seeleute als auch als Treffpunkt für Kantonesen in Hamburg.

Die Hamburger Gestapo warf Woo Lie Kien im Juni 1938 vor, "einen großen Devisenschmuggel" zu betreiben und systematisch Devisen zu einem erhöhten Kurs in Hamburg aufzukaufen und deutsche Reichsmark (sogenannte "Fluchtmark") zu einem sehr günstigen Kurs in den Niederlanden über Mittelsleute zu erwerben. Über chinesische Seeleute soll das Geld in beide Richtungen geschmuggelt worden sein, um beträchtliche Gewinne zu erwirtschaften. Trotz intensiver Nachforschungen konnte die Zollfahndungsstelle Hamburg und die Gestapo ihn jedoch nicht überführen.

Da sich Woo Lie Kien im Laufe der Jahre in Hamburg gute Deutschkenntnisse angeeignet hatte, arbeitete er seit Ende der 1930er Jahre trotz der vorherigen Vorwürfe gegen ihn bisweilen sogar als Dolmetscher für Hamburger Behörden; in dieser Tätigkeit stieß er jedoch ebenfalls auf Misstrauen ("Der Chinese Woo Lie Kien kann nicht als zuverlässiger Dolmetscher angesehen werden, da er zu seinen Landsleuten hält.").

Gestapo und Polizei intensivierten während des Zweiten Weltkrieges die Razzien in den chinesischen Treffpunkten und folglich auch in der Gaststätte von Woo Lie Kien. Von der "Chinesenaktion" der Gestapo im Mai 1944 blieb Woo zunächst unbehelligt, da er aufgrund von Herzproblemen im Krankenhaus Altona lag. Im Juni 1944 wurde jedoch auch er verhaftet und im Gestapogefängnis Fuhlsbüttel und im "Arbeitserziehungslager Wilhelmsburg" gefangen gehalten.

Gestapomann Erich Hanisch vernahm und misshandelte Woo Lie Kien mehrfach und versuchte nach wie vor, den vermuteten illegalen Devisenhandel aufzuklären. Woo erklärte dazu: "Es kam[en] früher in meinem Lokal sehr viele Landsleute, die zur See fuhren und ihre Zeche mit ausländischem Geld bezahlten. Ich hatte die Absicht nach China zurückzukehren und legte mir die ausländischen Zahlungsmittel zurück."

Annemarie B., die seit 1937 im Lokal von Woo Lie Kien arbeitete und seit 1939 seine Partnerin war, sagte nach Kriegsende aus, Erich Hanisch habe Woo, der ohnehin gesundheitlich angeschlagen war, "buchstaeblich zu Tode gepruegelt".

Woo Lie Kien wurde nach schweren Misshandlungen durch die Gestapo in Fuhlsbüttel direkt in das Allgemeine Krankenhaus Barmbek gebracht und starb dort am 23. November 1944. Auch Annemarie B. wurde von der Gestapo verfolgt; Erich Hanisch sagte zu ihr, ihr Leben sei wegen der Partnerschaft mit einem chinesischen Mann "verwirkt". Sie wurde daraufhin in "Schutzhaft" genommen – auf dem an sie ausgehändigten "Schutzhaftbefehl" stand nach ihrer Erinnerung, sie gefährde "die Sicherheit des deutschen Volkes, indem sie Beziehungen zu reichsfeindlichen und artfremden Auslaendern unterhaelt" – und anschließend am 1. Dezember 1944 in das KZ Ravensbrück eingewiesen, wo sie am 27. April 1945 befreit wurde.

© Lars Amenda

Quellen: StAH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 9224/39, StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 4150/39; StaH314-15 OFP, Str 517; StaH314-15 OFP Str 1186; StaH 314-15 OFP Str 1454; Bundesarchiv Koblenz Z 42 III/1870.

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