Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Fritz Heinsen * 1896

Klaus-Groth-Straße 99 (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


FEBRUAR 1943 HAFT
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1943
KZ AUSCHWITZ
ERMORDET
30.10.1943

Fritz Heinsen, geb. 1.11.1896 in Berlin, 27.2.1943 KZ Fuhlsbüttel, 29.4.1943 KZ Auschwitz, Tod dort am 30.10.1943

Klaus-Groth-Straße/Ecke Elise-Averdieck-Straße (Klaus-Groth-Straße 99)

Fritz Heinsen wurde wie Harry Krebs aus der Klaus-Groth-Straße 29 (s. ders.) und Alfred Berend aus der Hirtenstraße 56 in Hamm (s. dort) Opfer der sogenannten Schallert-Aktion vom Februar 1943.

Am 1. November 1896 kam Fritz Heinsen als erstes Kind von Martha Olga Heymannsohn, geb. Herzfeld, und ihrem Ehemann Siegfried Heymannsohn in Berlin zur Welt. Ihm folgte ein weiterer Sohn, Hans. Siegfried Heymannsohn starb am 11. November 1899. Seine Witwe verließ mit beiden Söhnen Berlin und zog nach Wiesbaden. Sie konvertierte zum Protestantismus und ließ ihren Namen vereinfachen. Mit dem 30. Mai 1903 genehmigte der Regierungspräsident von Wiesbaden ihre und der Kinder Namensänderung in "Heinsen".

Fritz Heinsen absolvierte die Mittelschule und anschließend eine kaufmännische Lehre. Er ar­beitete in den zwanziger Jahren als Speditionsfachmann in Hamburg und Berlin, wo er seine spätere Frau Helene Jacobi, geboren am 28. Juli 1908 in Krölpa/Kreis Ziegenrück, kennenlernte. Ihre Eltern, Julie Jacobi, geb. Hauemann, und Wilhelm Jacobi, von Beruf Schlachtermeister, lebten in Saalfeld/Thüringen und gehörten der evangelischen Kirche an. Am 14. April 1927 heirateten Fritz und Helene Heinsen. Ihr einziger Sohn, Wolfgang, kam am 24. März 1928 in Hamburg zur Welt und wurde am 17. Mai 1928 in der St. Michaeliskirche getauft.

Fritz Heinsen arbeitete als Speditionskauf­mann bei der Firma Ulrich Rieck Söhne. Er bewohnte mit Frau und Sohn eine gutbürgerlich eingerichtete 4-Zimmerwohnung in der Klaus-Groth-Straße 99. Zum Haushalt ge­hörte auch eine Haushilfe, da Helene Heinsen häufig krank war. Mit der Machtübertragung an Hitler änderte sich für die Familie zunächst nichts. Nach den NS-Begriffen lebte das Ehe­paar in "privilegierter Mischehe", ihr Sohn Wolf­gang erhielt den Status eines "Mischlings ersten Grades". Der erste Schicksalsschlag traf die Familie am 12. März 1937, als Helene Heinsen bei der Geburt der Tochter starb. Mit ihrem Tod entfiel der Schutz der nichtjüdischen Mutter für die Familie. Fritz Heinsen er­zog seinen Sohn allein mit Unterstützung der Großeltern Jacobi, die von Thüringen nach Hamburg übersiedelten. Wolfgang Heinsen besuchte zunächst die Volksschule, dann die Hindenburg-Oberrealschule Brekelbaumspark.

Hans Heinsen war ledig geblieben und emigrierte nach Schweden.

Mit der "Arisierung" der Firma Ulrich Rieck Söhne im Jahr 1938, deren Orientabteilung er geleitet hatte, wurde Fritz Heinsen erwerbslos. Er gab die Wohnung in der Klaus-Groth-Straße zugunsten einer kleineren Wohnung in der Bethesdastraße 4 auf. Fritz Heinsen war 42, als er Anfang 1939 einen Gestellungsbefehl erhielt. Man unterstellte ihm, seine Namensänderung sei zur Tarnung seiner jüdischen Herkunft erfolgt, und zwang ihn, per 6. April 1939 seinen Geburtsnamen wieder anzunehmen. Er konnte verhindern, dass auch sein Sohn umbenannt wurde. Während dieser bei seinen Großeltern Jacobi in der Bethesdastraße wohnen oder zumindest dort gemeldet blieb, lebte Fritz Heinsen zur Untermiete in der Nachbarschaft, zuletzt Malzweg 7 bei Kohrs. Fritz Heinsen trat nicht dem "Jüdischen Religionsverband" oder der Reichsvereinigung bei, leistete aber zusammen mit anderen Juden Zwangsarbeit, 1940 als Erdarbeiter bei der Firma Frank, im Januar 1941 für eine Woche bei der Eis- und Schneeräumung als Arbeiter beim Tiefbauamt und schließlich als Arbeiter in der Schuhgroßhandlung Rasch und Jung, Gr. Bleichen 31.

Für die Vermittlung dieser Arbeitseinsätze von Juden war Willibald Schallert beim Arbeitsamt Hamburg, Sägerplatz, zuständig. Völlig überraschend wurde Fritz Heinsen am 27. Februar 1943 an seinem Arbeitsplatz zusammen mit Harry Krebs verhaftet. Auch Harry Krebs lebte in "privilegierter Mischehe". Wie sich herausstellte, gehörten sie zu einer Gruppe von 17 vorher aufgelisteten in Mischehe lebenden Männern, die am selben Tag ohne Angabe von Gründen von Gestapobeamten verhaftet und im Judenreferat der Gestapo in der Rothenbaumchaussee 38 eingeliefert wurden. Als sie 14 Tage später ins Stadthaus überstellt und dort vernommen wurden, lasen einige auf ihren Leitbögen den Vermerk, "hat durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht länger im jüdischen Arbeitseinsatz geduldet werden kann". Dieser Vermerk ließ auf Willibald Schallert als Urheber der Verhaftungsaktion bzw. der Liste schließen. Die Hamburger Verhaftungen fanden im Rahmen der "Fabrikaktion" statt, bei der reichsweit jüdische Zwangsarbeiter festgenommen wurden. Ob die Gestapo Hamburg, ihr "Judenreferat" oder das Reichssicherheitshauptamt sie befohlen hatten, blieb unklar.

Fritz Heinsen wurde wie die meisten anderen dieser Aktion in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Mit der Verhaftung seines Vaters wurde Wolfgang Heinsen de facto Waise und erhielt einen Amtsvormund. Bis zum 20. März 1943 besuchte er weiter die Schule, bis er ausgeschlossen und als ungelernter Arbeiter dienstverpflichtet wurde. Am 21. März 1943 konfirmierte ihn Pastor Junge. Bevor Fritz Heinsen am 29. April 1943 nach Auschwitz überstellt wurde, besuchte ihn sein Sohn im KZ Fuhlsbüttel. Er erinnert, dass von der Deportation nach Auschwitz die Rede war und beide nicht wussten, was das bedeutete.

Im Juli 1943 wurden Wolfgang Heinsen und seine Großeltern Jacobi in Borgfelde ausgebombt. Seine Großmutter Martha Olga Heinsen wurde von Berlin aus nach Theresienstadt deportiert. Nach der Deportation Fritz Heinsens nach Auschwitz erhielten die Angehörigen keinerlei Lebenszeichen mehr von ihm.

Die "Aufsichtsbehörde" teilte der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Hamburg, Bornstraße 22", am 3. Dezember 1943 mit:
"Fritz Israel Heymannsohn, geb. 1. November 1896 in Berlin am 30. Oktober 1943 um 8.50 Uhr an Herzmuskelschwäche im Kl. Auschwitz gestorben.
Angehöriger: Sohn Wolfgang Heynssen, Hamburg, Malzweg."

Max Plaut von der Reichsvereinigung erreichte Wolfgang Heinsen nicht an der angegebenen Adresse und hielt am 7. Januar 1944 in einer Aktennotiz fest: "Dieser erschien in unserer Geschäftsstelle, um sich nach seinem Vater Fritz Israel Heymannsohn zu erkundigen. Ihm wurde eröffnet, dass sein Vater am 30. Oktober 1943 im Kl. Auschwitz verstorben sei. Die Adresse des Wolfgang Heynssen ist nicht mehr Malzweg 7, sondern: Alsterdamm 16/18 Zwischenstock Zimmer 116/Waschraum. Post erreicht ihn bei: Autoteile Gesellschaft H. Klessascheck & Co., Hamburg 1, Ferdinandstraße 38/40. Ihm ist mitgeteilt worden, dass er die Übersendung des Nachlasses unmittelbar beantragen darf."

Nach dem Krieg konvertierte Wolfgang Heinsen zum Judentum.

© Hildegard Thevs

Quellen: 4; 5; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Abl. 1993, 38; Die Wiedergutmachungsakte, 011196, befindet sich noch im Amt für Wiedergutmachung. Mündliche Mitteilungen von Wolfgang Heinsen; Meyer, "Jüdische Mischlinge".
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang