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Bereits verlegte Stolpersteine



Heinz Kroll * 1912

Anckelmannstraße 10 (Schule) (Hamburg-Mitte, Borgfelde)


HIER WOHNTE
HEINZ KROLL
JG. 1912
EINGEWIESEN 10.8.1943
’HEILANSTALT’
MAINKOFEN
ERMORDET 4.1.1944

Weitere Stolpersteine in Anckelmannstraße 10 (Schule):
Johanna Steiner

Heinz Kroll, geb. 5.6.1912 in Hamburg, getötet am 4.1.1944 in der Heil- und Pflege­anstalt Mainkofen/Niederbayern

Anckelmannstraße 10 (Anckelmannstraße 91)

Heinz Kroll kam am 5. Juni 1912 als drittes von insgesamt sechs Kindern der Eheleute Frieda Kroll, geb. Krause, und des Kaufmanns Friedrich Wilhelm Kroll, zur Welt. Das älteste Kind war eine Tochter. Von den drei später geborenen Kindern starben zwei bereits als Säuglinge. Heinz wurde am 6. Oktober 1913 in der Erlöserkirche Borgfelde von Pastor Junge getauft. Er entwickelte sich der Norm entsprechend, litt allerdings wie die gesamte Familie unter dem "sehr nervösen, jäh­zornigen und überreizten" Vater.

Heinz begann seine Schulzeit Ostern 1919 in der Volksschule Ausschlägerweg 16. Weder aus dem Zeugnis noch aus anderen Unterlagen geht hervor, warum er Ostern 1921 in die Hilfsschule Bülaustraße 38 umgeschult wurde. Er besuchte sie bis zur, nach damaliger Zählung, zweiten, der vorletzten Klasse.

1923 starb der Vater; die beiden älteren Geschwister arbeiteten bereits. Heinz‘ Mutter fühlte sich der Erziehung ihres Sohnes nicht länger gewachsen und beantragte für den damals Zwölfjährigen 1925 beim Jugendamt eine Begutachtung, da sie ihn für "sittlich gefährdet" hielt. Der Gutachter überwies Heinz in die damaligen Alsterdorfer Anstalten mit der Begründung, er sei willensschwach, schwer zur Arbeit heranzuziehen und jähzornig. Am 17. Mai 1925 zog Heinz Kroll in Alsterdorf ein und besuchte ab 8. Juni 1925 die zweite Klasse der dortigen Schule. Trotz aller Mühe blieben seine schulischen Leistungen schwach, so schwach, dass er nicht konfirmiert werden konnte, was damals dort als eigentlicher erfolgreicher Schulabschluss galt. Heinz wurde mit Hausarbeiten beschäftigt; er durchlebte die normalen pubertären Schwierigkeiten. 1929 wurde er dann doch in die Konfirmationsklasse aufgenommen und schließlich von Pastor Stritter konfirmiert.

Als Heinz zu einem kräftigen jungen Mann herangewachsen war, arbeitete er in der Landwirtschaft. Seine Mutter nahm jeden genehmigten Urlaub wahr, um ihn zu sich nach Hause in die neue Wohnung am Rumpffsweg in Hamm zu holen. Mit seiner Volljährigkeit ging mit Beschluss vom 20. Juli 1933 seine Entmündigung einher und er erhielt einen Vormund. Im Mai des folgenden Jahres entschied das Erbgesundheitsgericht im Einvernehmen mit dem Vormund, dass er zu sterilisieren sei. Jemand – wer das war, ließ sich nicht klären – legte gegen diesen Entscheid Widerspruch ein mit der Begründung, dass Heinz leicht schwachsinnig, aber harmlos sei. Das Obererbgesundheitsgericht entschied im Sinne des Vormunds, der sich ablösen ließ, obwohl er sich durchgesetzt hatte. Der Eingriff wurde im Oktober 1934 vorgenommen.

Heinz arbeitete unter Aufsicht gut, pflegte Kontakte zu Mitpatienten und zu seiner Familie, legte Wert auf gute Kleidung und schwankte zwischen Freundlichkeit und Gutmütigkeit auf der einen Seite und Rechthaberei und "Frechheit" auf der anderen. Im Januar 1940 wurde er endgültig von der Wehrmacht ausgemustert.

1941 litt er plötzlich unter Anfällen, die sich als Folge einer Diabetes-Erkrankung herausstellten. Hinfort konnte er nicht mehr bei der schweren körperlichen Arbeit in der Landwirtschaft eingesetzt werden und verbrachte etliche Wochen im Krankenhaus, um auf die Insulinbehandlung eingestellt zu werden. Eine einschneidende Folge für seine Mutter ergab sich aus der Notwendigkeit der täglichen Insulinspritzen, so­dass er zunächst gar keine und dann nur eintägige Urlaube erhielt. Heinz führte sich gut, arbeitete gern und willig. Warum er für den Abtransport von Patienten im August 1943 ausgewählt wurde, erschließt sich nicht aus den vorliegenden Akten. Am 18. August 1943 wurde er nach Mainkofen deportiert.

Seine Mutter, in Hamm ausgebombt, fand in Bayreuth eine Unterkunft. Sie sah ihren Sohn nicht wieder. Er starb in Mainkofen am 4. Januar 1944 angeblich an einer Bronchopneumonie (schwere Lungenentzündung), die sich als Folge von Nahrungsmangel und unzureichender medizinischer Versorgung entwickelt hatte. In einem langen Schreiben "orientierte" Frieda Kroll die Anstaltsdirektion, wie sie schrieb, über ihren Sohn und ihre Gewissensnöte, dass sie ihn in eine Anstalt geben musste, "wo er unschuldig" um­kam. Heinz Kroll wurde 31 Jahre alt.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 427; Jenner, Meldebögen, in: Wunder/Genkel/Jenner, Ebene, S. 169–178; Wunder, Abtransporte, in: ebd., Ebene, S. 181–188; ders., Exodus, ebd. S. 189–236.

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