Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Ella Hermina Lüders * 1902

Venusberg ggü. Nr. 14 (vormals Nr. 42) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
ELLA HERMINA LÜDERS
JG. 1902
EINGEWIESEN 1924
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 1941
GAU-HEILANSTALT
TIEGENHOF
ERMORDET 10.4.1942

Ella Hermina Lüders, geb. am 19.1.1902 in Hamburg, eingewiesen am 19.7.1924 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt im November 1941 aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die "Gauheilanstalt" Tiegenhof bei Gnesen, Tod am 10.4.1942

Venusberg gegenüber der Hausnummer 14 (Venusberg 42)

Ella Lüders wurde als viertes von insgesamt sieben Kindern des Ehepaares Heinrich Dietrich Lüders (geb. 28.7.1847) und Mette Margarethe, geb. Meyer (geb. 31.12.1864), in der Norderelbstraße 29 auf Steinwärder (heute Steinwerder) geboren. Ihr Vater arbeitete als Schiffszimmermann, ihre Mutter war als Dienstmädchen in "Stellung" gewesen, bevor sie am 16. Juni 1894 geheiratet hatten. Heinrich Lüders zog 1908 mit seiner Familie auf die andere Elbseite in die Jägerstraße 37 in den Stadtteil St. Pauli. Seit 1920 lebten sie am Venusberg 42.

Als Ella 18 Jahre alt war, bekam sie am 7. Juni 1920 einen Sohn, den sie Walter Bruno nannte. Wer sein Vater war, ist nicht überliefert. Infolge einer Unterversorgung als Säugling erkrankte Walter an Rachitis. Mit dieser Erkrankung und der Diagnose "Idiotie" wurde er im Alter von knapp zwei Jahren am 11. Mai 1922 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) eingewiesen. Die Aufnahme seiner Mutter Ella erfolgte knapp zwei Jahre später am 19. Juli 1924. Mette Lüders, Ellas Mutter, verstarb am 5. August desselben Jahres im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Auf einer später angelegten Erbkarteikarte wurde Ellas Aufnahme mit Epilepsie begründet. Ihr Sohn Walter war noch keine sechs Jahre alt, als er am 19. Mai 1926 an einer Lungenentzündung in Alsterdorf verstarb. Sein Großvater Heinrich Lüders starb am 11. Februar 1929.

Ella Lüders wurde in Alsterdorf zunächst mit Hausarbeiten beschäftigt. Aus dem Erbgesundheitsgutachten geht hervor, dass ihre Arbeitskraft seit 1936 abnahm, es hieß: "träumt viel, macht einen verwirrten Eindruck, führt oft sinnlose Selbstgespräche". Zuletzt: "Jetzt muss sie in der Körperpflege vollkommen besorgt werden, beschäftigt sich nicht mehr, zerreißt viel Kleider und Strümpfe."

Die negativen Eintragungen über ihren Pflegeaufwand und ihre Arbeitsleistung lieferten wahrscheinlich die Gründe, um Ella Lüders in der reichsweiten ersten Phase der "Euthanasie" unter der Bezeichnung T4 zu erfassen. Für sie wurde ein sogenannter Meldebogen ausgefüllt und an die Zentralstelle nach Berlin in die Tiergartenstraße 4 geschickt. Dortige "Gutachter" entschieden darüber, wer als "lebensunwert" in eine der Tötungsanstalten abtransportiert wurde. Am 1. August 1941 wurde Ella Lüders mit zwanzig weiteren Frauen, zunächst zur "Entlastung" der Alsterdorfer Anstalten, in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt. Aus dieser Sammelstätte im norddeutschen Raum sollten sie in eine Tötungsanstalt weitertransportiert werden.

Obwohl die "Aktion-T4" im August 1941 nach Protesten vor allem aus Kirchenkreisen offiziell eingestellt wurde, kam Ella Lüders im November mit einem von drei Transporten in die "Gauheilanstalt" Tiegenhof bei Gnesen (heute Gniezno). Diese ursprünglich 1894 gegründete Psychiatrische Anstalt Dziekanka lag im von der deutschen Wehrmacht besetzten Teil Polens. Die Tötung der Patientinnen und Patienten wurde durch Hungerrationen und Medikamente vollzogen, mit einer überdosierten Injektion, oder mit der Nahrung eingeflößt, vom Pflegepersonal dann als "Gelbe Suppe" bezeichnet. Von den ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern der Alsterdorfer Anstalten, die nach Tiegenhof verlegt wurden, fanden alle bis auf einen den Tod (s. Heinz Patjens u. Karl Jonny Westphal). Ella Lüders starb am 10. April 1942.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 2831 u 744/1894; StaH 332-5 Standesämter 13820 u 229/1902; 322-5 Standesämter 880 u 1208/1924; StaH 332-5 Standesämter 9819 u 1079/1926; StaH 332-5 Standesämter 9839 u 424/1929; Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf, Erbgesundheitskartei Ella Lüders; Wunder: Abtransporte, S. 181–187; Rönn: Langenhorn, S. 70f.

druckansicht  / Seitenanfang