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Heinrich Meier * 1891

Reeseberg 19 (Harburg, Wilstorf)


HIER WOHNTE
HEINRICH MEIER
JG. 1891
VERHAFTET 27.9.1943
"RUNDFUNKVERBRECHEN"
ZUCHTHAUS HAMELN 1944
BEFREIT
TOT AN DEN HAFTFOLGEN

Heinrich Meier, geb. am 12.12.1891 in Harburg, verurteilt am 17.12.1943 zu 18 Monaten Zuchthaus wegen Verstoßes gegen das Rundfunkgesetz, befreit am 10.4.1945 aus dem Zuchthaus Hameln, verstorben am 5.11.1946 an den Haftfolgen

Stadtteil Wilstorf, Reeseberg 19

Heinrich Meier war Sohn des Arbeiters Heinrich August Georg Meier und seiner Ehefrau Marie Dorothee Luise Meier, geb. Hillebrecht. Er besuchte die örtliche Volksschule. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt zumeist als Fabrikarbeiter und mitunter auch auf dem Bau. Die letzten beiden Jahre des Ersten Weltkriegs erlebte er als Soldat.

1926 heiratete er die Hausgehilfin Emma Holst (geb. 28.1.1903), die Tochter eines Wiegers. Die Ehe blieb kinderlos. 1928 eröffnete Heinrich Meier ein kleines Kolonialwarengeschäft in der Elisenstraße (heute: Barerstraße), und wenig später erwarb er ein Mehrfamilienhaus in der Lindenstraße (heute: Julius-Ludowieg-Straße).

1936 musste er das Kolonialwarengeschäft angesichts steigender Verluste wieder verkaufen. Nachdem er vorübergehend erwerbslos war, fand er bei der Butterhandlung Wölck eine neue Anstellung.

Im Sommer 1943 wurde er von zwei Harburgerinnen als Hörer von `Feindsendern´ angezeigt und daraufhin am 27. September verhaftet. Sein Radioapparat wurde bei der nachfolgenden Hausdurchsuchung konfisziert. Auch Emma Meier wurde vorübergehend festgenommen, nachdem sie bei einer anschließenden polizeilichen Vernehmung zunächst ihre Mitbeteiligung bestritten und dann zugegeben hatte.

Mit der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939 war das Verbreiten von Nachrichten von nichtdeutschen Sendern unter Strafe gestellt worden. Das Abhörverbot wurde durch Presseveröffentlichungen und Ankündigungen in Kinos publik gemacht. Zeitungen berichteten über abschreckende Strafurteile. Mitte 1941 erhielten Blockwarte den Auftrag, alle Wohnungen aufzusuchen und an den Rundfunkgeräten eine Karte anzubringen, die folgende Warnung enthielt. "Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet. Denke daran."

Die Gestapo konnte sich bei der Verfolgung von Personen, die gegen diese Verordnung verstießen, einmal mehr auf die tätige Mithilfe von übereifrigen Volksgenossen – wie auch in diesem Fall – verlassen. Die beiden Denunziantinnen waren Frauen, die mit ihren Familien im gleichen Haus wohnten und mit ihrem Vermieter Heinrich Meier über Kreuz lagen. Im Laufe ihrer Ermittlungen stellte die Gestapo fest, dass die Verhafteten angeblich auch in der Nachbarschaft keine Freunde hatten. Der Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Schwarzenberg ließ kein gutes Haar an Heinrich und Emma Meier: "Wir haben mit diesem Mann in der Ortsgruppe durch sein gänzlich abweisendes Verhalten zur Partei und zur Volksgemeinschaft schon viel Arbeit gehabt. Meier ist ein Mann, der von allen Seiten vollkommen gegen uns eingestellt ist. Sein Verhalten gegenüber Sammlern und politischen Leitern ist ganz miserabel. Seine Frau und er sind in der engeren und weiteren Umgebung ihres Hauses wegen ihrer Einstellung zur Partei und zur Volksgemeinschaft geradezu verschrien."

Aus dem Harburger Polizeigefängnis wurde Heinrich Meier am 16. Oktober 1943 in das Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis überführt, wo er bis zur Gerichtsverhandlung vor dem Hanseatischen Sondergericht am 17. Dezember 1943 blieb. An diesem Tag wurde er – unter Anrechnung seiner dreimonatigen Polizei- und Untersuchungshaft – zu 18 Monaten Zuchthaus wegen Abhörens feindlicher Sender und staatsfeindlicher politischer Einstellung verurteilt. Die Richter hielten die Tat in der Urteilsbegründung für besonders würdelos, weil sie dazu geeignet war, "die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu zerstören".

Am 23. Dezember 1943 wurde Heinrich Meier zunächst in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel verlegt und von dort am 11. Januar 1944 in das Zuchthaus Hameln a. d. Weser überführt. Das einstige Gefängnis war 1935 in ein Zuchthaus umfunktioniert worden. Die ersten Häftlinge waren Kommunisten und Sozialdemokraten gewesen, nach 1939 kamen `Sittlichkeitsverbrecher´, `Verbrecher gegen die deutsche Ehre´, `Kriegswirtschaftsverbrecher´ und Fahnenflüchtige hinzu. Im Herbst 1944 verschlechterte sich die Situation dramatisch, weil immer mehr Häftlinge aus frontnahen Zuchthäusern nach Hameln verlegt wurden. Im März 1945 war das Zuchthaus mit 1350 Insassen völlig überbelegt.

Am 10. April 1945 befreiten amerikanische Truppen die Häftlinge des Zuchthauses Hameln. Heinrich Meier kehrte viereinhalb Wochen später schwerkrank nach Harburg zurück. Er erholte sich nicht wieder von den physischen und psychischen Schäden der Haftzeit. Eine ärztliche Behandlung folgte der nächsten. Doch eine Besserung blieb aus, so sehr die Ärzte sich auch bemühten. Selbst eine längere stationäre Behandlung im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg änderte nichts an seinem Gesundheitszustand.

Heinrich Meier starb am 5. November 1946 an Herzschwäche, die der behandelnde Arzt ursächlich auf seine leidvolle `KZ-Haft´ zurückführte.


Stand: April 2019
© Klaus Möller

Quellen: Komitee ehemaliger politischer Gefangener, Akte: Heinrich Meier; StaH 351-11_27854; die anderen. Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg, VVN-BdA Harburg (Hrsg.) 6. Auflage, Harburg 2005; Harburger Opfer des Nationalsozialismus, Bezirksamt Harburg (Hrsg.), Hamburg-Harburg 2003; `Von Gewohnheitsverbrechern, Volksschädlingen und Asozialen …´ Hamburger Justizurteile im Nationalsozialismus, Justizbehörde Hamburg (Hrsg.), Hamburg 1995; Meldungen aus dem Reich, Heinz Boberach (Hrsg.), Herrsching 1984; AB Harburg-Wilhelmsburg und Landkreis 1938; http://www.gelderblom-hameln.de, eingesehen am 9.4.2018; http://de.wikipedia.org./wiki/Verordnung_über_außerordentliche_Rundfunkmaßnahmen, eingesehen am 9.4.2018.

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