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Manfred Meier * 1909

Laufgraben 39 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz

Weitere Stolpersteine in Laufgraben 39:
Günter Max Meier, Hedwig Meier, Berl Meier, Eduard Vogel, Erwin Vogel, Lotte Vogel, Selly Jenny Vogel

Manfred Meier, geb. 20.12.1909 in Hamburg, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, ermordet im Vernichtungslager Chelmo im August 1944 (?)
Hedwig Meier, geb. Vogel, geb. 23.2.1908 in Hamburg, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, ermordet im Vernichtungslager Chelmo im August 1944 (?)
Günther Max Meier, geb. 11.3.1937 in Hamburg, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, ermordet im Vernichtungslager Chelmo im August 1944 (?)

Laufgraben 39

Manfred Meier wurde als ältestes Kind von Max (geb. 24.4.1882) und Rosa Meier, geb. Meyer, geb.16.1.1882) geboren. Max und Rosa Meier waren seit dem 28.1.1909 verheiratet. Zur Familie gehörten auch die später geborenen beiden Brüder von Manfred: M. Henry (geb. 15.5.1915) und Lothar (geb. 30.1.1919) sowie Lothars Zwillingsschwester Anita (geb. 30.1.1919).

Als ersten Wohnsitz des Ehepaares ist auf der Mitgliedkarte der Jüdischen Gemeinde Hamburgs die Schlachterstraße 47 II verzeichnet, ein Haus, in dem sich Freiwohnungen der jüdischen Lazarus-Gumpel-Stiftung für Juden befanden, die sich zwar selbst ernähren, aber keine Miete aufbringen konnten. Sie wohnten hier mietfrei. Manfred Meier und seine Geschwister wuchsen in ärmlichsten Verhältnissen auf. Der Vater arbeitete als Bote, Lagerist oder Werftarbeiter, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Er nahm am 1. Weltkrieg als Soldat teil und wurde danach wegen einer Kriegsverletzung weitgehend erwerbsunfähig. Ab 1919 musste er Erwerbslosenunterstützung und ab 2. September 1920 Invalidenrente beziehen. Er verstarb am 2. Juli 1924 im Universitätskrankenhaus Eppendorf und wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war Manfred Meier 13½ Jahre alt.

Bald nach dem Tod des Max Meiers zog Rosa Meier mit den vier Kindern in die Agathenstraße 3 I, ein um die Jahrhundertwende erbautes mehrstöckiges Haus im Besitz der Nanny-Jonas Stiftung (1942 wurde es zwangsweise verkauft, der Vaterstädtischen Stiftung eingegliedert und – nachdem es zunächst als "Judenhaus" benutzt wurde – 1943 durch Bomben zerstört).

Rosa M. erhielt als Witwe eine geringe Kriegshinterbliebenenrente und für die Kinder eine Waisen-Zusatzrente, die ihren Lebensbedarf jedoch nicht deckten. So musste die Familie häufig zusätzliche Unterstützung sowohl der "Hamburger Wirtschaftshilfe für Kriegsbeschädigte" als auch der Bezirkspflege der jüdischen Gemeinde beantragen. Dabei handelte es sich um kleinere Darlehen sowie diverse Sachleistungen wie z. B. Kleidung, Kohlegeld oder Gutscheine für koschere Lebensmittel (Mazoth).

Nicht nur die finanzielle Lage der Familie sondern auch die gesundheitliche Situation war "unbefriedigend", wie in der Fürsorgeakte vermerkt wurde. Häufige Krankenhausaufenthalte der Mutter, vielerlei Krankheiten der Kinder führten dazu, dass die Deutsch-Israelitische Gemeinde und darauf hinwirkte, dass die Vormundschaftsbehörde einen "Beistand" für die Erziehung der Kinder bestellte. Der Vormund Jacob R. Rothschild, Makler an der Hamburger Metallbörse, wohnhaft in Hamburg 37, Hochallee 52, veranlasste unter anderem mehrere Kuraufenthalte für die Kinder.

Trotz der prekären Familiensituation absolvierten alle vier Kinder eine berufliche Ausbildung: Henry als Klempner, Lothar als Tapezierer und Anita schloss eine Schneiderlehre ab. Manfred ging, nachdem er von April 1916 bis 1924 die Talmud Tora Schule besucht hatte, bei dem Friseur Franz Klick, Quickbornstraße 17, in die Lehre. Nach Beendigung der Ausbildung arbeitete er teils noch in seinem Lehrbetrieb weiter. Zeitweise war er erwerbslos, insbesondere in der Zeit nach 1933. Zwischen 1934 bis 1938 konnte er keine oder nur geringe Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde abführen.

Manfred Meier heiratete am 24. Oktober 1935 Hedwig Vogel (geb. 23.2.1908), Tochter des Kaufmanns Eduard Vogel (geb. 4.6.1882) und seiner Ehefrau Selly, geb. Rundstein, (geb. 9.1.1887 in Altona). Sie war nach der Eheschließung nicht erwerbstätig.

Ihre Herkunftsfamilie Vogel hatte mit den vier Kindern Hedwig, Ivan Isaak (geb. 18.2.1918), Erwin Max, (geb. 7.2.1915) und Werner Martin (geb. 14.2.1924) in der Schlachtestraße 40/42, Haus 8, später in der Oelkersallee 38 gewohnt. In den Adressbüchern 1940/1942 wurde sie noch in der Oelkersallee 38 geführt, obwohl sie bereits 1939 im Laufgraben 39 gemeldet waren und von dort im Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert wurden (Das Haus Oelkersallee 38 wurde 1943 durch Bomben zerstört und in den 1950er Jahren durch einen Neubau ersetzt).

Das junge Ehepaar Manfred und Hedwig Meier lebte zuerst bei Hedwigs Eltern in der Oelkersallee 38, dann in der Rutschbahn 5 und zum Zeitpunkt ihrer Deportation (wieder bei Hedwigs Eltern) im Laufgraben 39. Am 11.3.1937 wurde der Sohn Günther Max geboren.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde Manfred M. mit weiteren 800–1000 Hamburger Juden in "Schutzhaft" genommen und ins KZ Sachsenhausen eingewiesen, wo der die Häftlingsnummer 10862 erhielt und im Häftlingsblock 38 inhaftiert. Ob Manfred Meier seine Auswanderungsabsicht bei der Entlassung schriftlich niederlegen musste, kann nicht mehr festgestellt werden. Er wurde am 17. Januar 1939 nach Hamburg entlassen und kehrte in den Laufgraben 39 zurück, seine letzte Adresse vor der Deportation am 25. Oktober 1941 ins Getto von Lodz.

Dort lebten inzwischen Manfred, Hedwig und der 4½-jährige Günther Max, Hedwigs Bruder Erwin Max mit Ehefrau Lotte, geb. Koretz (geb. am 15.12.1910) bei Hedwigs Eltern in einer ca. 70 qm großen Wohnung.

Hedwigs Bruder Ivan Isaak Vogel und Frau Hilde, geb. Gerson (geb. 16.12.1907) wohnten in der Bornstraße 25. Auch sie erhielten den Deportationsbefehl für den Transport am 25. Oktober 1941 in Gettos von Lodz. Auf der Deportationsliste stehen Manfred und Hedwig Meier und Günther Max unter den Nummern 621, 622 und 623.

Im Getto Lodz erhielten Manfred, Hedwig und Günther Max zunächst eine Unterkunft in der Ruben Straße 2, Wohnung 40, dann in der Pfeffergasse 10, Wohnung 5 und zuletzt – am 16. April 1944 – in der Pfeffergasse 10, Wohnung 3. Mit ihnen zusammen wohnten Hedwigs Eltern und ihre Brüder Erwin Max und Ivan.

Hedwig hatte die Deportation im hochschwangeren Zustand angetreten und gebar am 13. November 1941 in der Lodzer Getto-Klinik Hanseatenstraße ihren zweiten Sohn, der den Namen Berl erhielt. In der Gettochronik ist Hedwig sowohl als Hausfrau als auch als Weißnäherin aufgeführt.
Als Hedwig, Günther Max (inzwischen 5½ Jahre alt) und Berl (6 Monate alt) für den 4. Mai 1942 einen "Ausweisungsbefehl" erhielten, versuchte Manfred Meier mit Hinweis auf seinen Arbeitgeber einen Aufschub zu erreichen, wie aus zwei Gesuchen hervorgeht, die er einreichte. Die ursprüngliche Ablehnung ODOWA wurde in ein Nadkontyngent, also "über das notwendige Kontingent hinaus" umgewandelt, also positiv beschieden. So konnte die vierköpfige Familie noch mehr als zwei Jahre zusammenbleiben, d. h. über den 2. April 1944 hinaus, wie An-, Ab- und Ummeldeformulare der "Ältesten der Juden" in Lodz belegen. Vermutlich wurden sie nach dem Befehl zur endgültigen Liquidierung des Gettos im August 1944 im Vernichtungslager Chelmo umgebracht.

Hedwigs Schwägerin Lotte kam bereits am 3. September 1942 ums Leben. Ihr Mann Erwin Max, der im Getto als Dekorateur/Maler und zuletzt als Erdarbeiter gelistet wurde, und sein Bruder Ivan Vogel leisteten ab 1943 Zwangsarbeit außerhalb des Lagers. Erwin Max Vogel heiratete nach dem Tod Lottes am 18. April 1943 im Rahmen einer rituellen Trauung ein zweites Mal, nämlich Frajida Kosdowska. Er war bis zum 6. Mai 1943 noch in der Pfeffergasse 10, Wohnung 5 gemeldet. Seine letzte Adresse im Getto lautete Gnesener Straße, als er zur Arbeit außerhalb eingeteilt wurde. Gemeinsam mit seinem Bruder Ivan Isaak Vogel gelangte er am 18. Januar 1945 mit einem Großtransport in das KZ Buchenwald. Dort verließen am 7. April die ersten "Todesmärsche" das Lager. Die genauen Todesdaten der Brüder Vogel sind nicht bekannt.

Hedwigs Mutter Selly Vogel wurde am 12. September 1942 mit ca. 1.200 Juden im Zuge der "Aktion Gehsperre" aus dem Getto Lodz "ausgesiedelt" und im Vernichtungslager Chelmo im Gaswagen ermordet.
Hedwigs Vater Eduard Vogel überlebte die Zeit im Getto. Zwei Jahre später starb er am 25. November 1949 und wurde auf dem jüdischen Friedhof von Lodz beigesetzt.

Hedwig Meiers jüngster Bruder Werner Martin überlebte, denn er hatte im Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht werden können. Über sein weiteres Schicksal ist uns nichts bekannt.

Manfreds Mutter Rosa Meier, sein Bruder Henry und dessen Frau Inge, geb. Rosendorf (geb. 27.9.1917) sowie deren Tochter Bela (geb. 1.3.1940) und auch Manfreds Bruder Lothar und dessen Zwillingsschwester Anita wurden alle am 8. bzw. 18. November 1941 ins Getto von Minsk deportiert und dort ermordet.

Stand: Mai 2015
© Brigitte Hübner

Quellen: 1; 4; 5; StaH 351-14, 1577 Wohlfahrtsbehörde Fürsorgeakten Bd II, III; StaH 522-1, 731 Bd. 7 Friedhofsregister Ohlsdorf; StaH 741-4 Sa 1243 Jüdische Gemeinde, Talmud Thora Schule; StaH 992e-2 Jüdische Gemeinde Bd. 1,2 Deportationsliste 25. 10. 1941 Lodz; StaH Hausmeldekartei, Altkartei B Film 2446-2448.; StaH 361-2 II Oberschulbehörde II; StaH 362-6/10 Talmud Thora Schule; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde 705 Bd. 10; StaH 522-1 702b Jüdische Gemeinde Heiratsregister; Brief vom 23.7.2014 Fritz Neubauer >fritz.neubauer@uni-bielefeld.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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