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Johanna Oppenheim * 1886

Brahmsallee 18 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
JOHANNA OPPENHEIM
JG. 1886
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.10.1942

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 18:
Walter Hauptmann, Siegmund Silberberg

Johanna Oppenheim, geb. am 26.5.1886 in Kassel, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, Flucht in den Tod am 29.10.1942

Brahmsallee 18

Johanna Oppenheim kam als Kind von Lehmann (geb. 25.5.1849 in Reichensachsen) und Franziska Oppenheim, geb. Fleischmann (geb. 6.12.1858 in Altona), am 26.5.1886 in Kassel zur Welt. Ihr Vater war der Sohn des Reichensachsener jüdischen Fabrikanten Victor Oppenheim. Seit spätestens 1868 lebte seine Familie in Kassel. Lehmann war – wie sein Vater – Fabrikant und besaß eine Rosshaarspinnerei. Er starb, als Johanna drei Jahre alt war.

Ihre Mutter Franziska stammte aus Altona und zog 1879 zu ihrem Verlobten nach Kassel. Das Paar bekam drei Kinder: Johanna hatte einen älteren Bruder Victor William (geb. 20.2. 1880) und eine ältere Schwester Dora (geb. 4.5.1884 in Kassel), die 1908 den Hamburger jüdischen Kaufmann David Otto Frank (geb. 9.1.1873 in Hamburg) heiratete und in seine Heimatstadt zog.

Vermutlich besuchte Johanna wie ihre ältere Schwester zunächst das Lyzeum und anschließend die Handelsschule in Kassel. Sie blieb ledig und kinderlos. Über ihr weiteres Leben in Kassel ist nichts bekannt. Lediglich die Wohnadresse Kölnische Straße 54 ist erhalten, unter der sie und ihr Onkel väterlicherseits, Fabrikant Meier (auch Meyer/Max) Oppenheim (geb. 1.10.1852 in Reichensachsen–gest. 15.6.1939) noch Anfang 1933 gemeldet waren.

1932 zog Johanna Oppenheim nach Hamburg und trat der hiesigen Deutsch-Israelitischen Gemeinde bei. Für die erste Zeit blieb sie bei ihrer Schwester und ihrem Schwager in der Isestraße 76, wo das kinderlose Paar in einer gutbürgerlichen Wohnung wohnte. David Otto Frank betrieb in der vornehmen Hermannstraße 32 das Fachgeschäft für Papier- und Druckwaren "Philip Spiro’s Sohn". Er war Alleininhaber dieses 1858 gegründeten, gut gehenden Familienunternehmens mit einer größeren Zahl von Angestellten. Seine Frau Dora arbeitete von Anfang an in der Firma und hatte, während ihr Mann im Weltkrieg an der Front war, als Prokuristin die Geschäfte geleitet. Johanna zog dann in die nicht weit entfernte Brahmsallee 18, wo sie eine Zeit lang zur Untermiete wohnte. Unter den Bewohnern dieses mehrstöckigen Hauses befanden sich damals zwei jüdische Familien – der Facharzt Louis Goldschmidt mit seiner Frau Piroska und Tochter Eva sowie der Kaufmann Moritz Silberberg mit Gattin Martha. Vermutlich wohnte Johanna bei einer dieser Familien. Da sie über die ganzen Jahre in Hamburg keine Kultussteuer zahlte, ist davon auszugehen, dass sie – wahrscheinlich gesundheitsbedingt – über kein eigenes Einkommen verfügte und von ihren Verwandten finanziell unterstützt wurde. Ab Herbst 1935 lebte sie, nicht einmal fünfzigjährig, im Alters- und Versorgungsheim der Heilsarmee im Harvestehuder Weg 108, und zum 1. Dezember 1936 wurde sie im jüdischen Pflegeheim in der Schäferkampsallee 29 aufgenommen. Nach dem Statut des Pflegeheims wurde Johanna Oppenheim also als "bedürftig" und "durch ihren körperlichen Zustand dauernd erwerbsunfähig" eingestuft.

Möglicherweise übernahmen ihre Schwester und ihr Schwager die Kosten: Noch befand sich die Familienfirma in ihrem Besitz und brachte regelmäßige Einkünfte. Doch 1938 wurde das Geschäft "arisiert" – der SS-Obersturmbannführer Josef Nieland, Neffe des damaligen hamburgischen Kämmerers, wurde der neue Besitzer. Nachdem David Otto Frank mehrfach von der Gestapo vorgeladen und verhört worden war, erschien die Auswanderung als letzter Ausweg. Er beantragte für sich und seine Frau Visa für verschiedene Länder, insbesondere für die USA, wo sein Bruder lebte. 1939 schien der Plan zu glücken: Die Passage nach New York war bereits bezahlt und der Hausrat samt eines Teils der Wohnungseinrichtung in einem Lift zum Transport nach New York eingelagert. Da die US-Visa im letzten Moment doch nicht erteilt wurden, mussten Dora und Otto im Juni 1939 stattdessen nach Schweden ausweichen. Ein Bekannter in Stockholm half, diese Notlösung zu organisieren. Die Transportkosten für den Lift nach Malmö wurden mit den bereits beglichenen Transportkosten nach New York verrechnet und die verbleibende Summe von 371 RM erhielt Johanna Oppenheim, die in Hamburg zurückblieb. In Schweden angekommen, durften die Franks weder dauerhaft bleiben noch eine Arbeit aufnehmen. Sie bemühten sich weiterhin vergeblich um ein Visum für die USA. Schließlich reisten sie im Mai 1941 über Russland und die Türkei nach Palästina, wo bereits Ottos Schwester mit Familie lebte und auch die Eheleute sich – inzwischen mittellos – niederließen.

Johanna Oppenheim wohnte nach der Emigration ihrer Schwester noch mehrere Jahre im Pflegeheim in Hamburg. Von den Deportationen im Herbst/Winter 1941 wurde sie zurückgestellt. Am 15. Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort nahm sie sich am 29. Dezember 1942 das Leben.

Stand: September 2016
© Pavel Golubev

Quellen: 1; 2; 3; 7; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 2103, 7037; 522-1 Jüdische Gemeinden, 489 fasc. 2; Hamburger Adressbücher; Gedenkbuch Kassel; Stadtarchiv Kassel, Einwohnermeldekarte von Lehmann Oppenheim, Auskunft von Florian Franzmann, E-Mail vom 11.2.2015; Auskunft von Jochen Boczkowski, E-Mail vom 17.2.2015; Thiele, Die jüdischen Einwohner.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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