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Anna Pulvermacher (geborene Mayer) * 1872

Brahmsallee 24 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
ermordet 19.08.1942

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 24:
Jeanette Baer, James Lewie

Anna Pulvermacher, geb. Mayer, geb. am 9.9.1872 in Berlin, deportiert am 15.7.1942 von Hamburg nach Theresienstadt und dort am 19.8.1942 gestorben

Brahmsallee 24

Anna Pulvermacher wurde am 9.9.1872 in Berlin als Tochter von Abraham Mayer und seiner Frau Berta, geb. Mecklenburg, geboren. Am 20. Oktober 1897 heiratete sie in Berlin Max Pulvermacher. Am 15.3.1899 wurde die Tochter Kaethe Sarah und am 8.5.1901 Charlotte Amalie (Lotte) geboren.

Max Pulvermacher war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er hatte mehrere Agenturen gegründet, die mit Trikotagenwaren handelten. Die Familie verfügte über ein ausreichendes Einkommen, sie führte ein sorgenfreies Leben. Zunächst wohnte die Familie in der Mommsenstraße in Berlin. 1901 gab Max Pulvermacher die Agenturen auf und gründete ein Terraingeschäft (heute ein Immobilienmakler). Dies schien rentabel zu sein, da es Max Pulvermacher in die Lage versetzte, selbst mehrere Mietgrundstücke zu erwerben. Darunter ein Mehretagenhaus in der Berliner Bleibtreustraße 27, in welches die Familie einzog und dort eine geräumige Wohnung bewohnte. Sie führte ein gastliches Haus und beschäftigte eine Köchin und ein Hausmädchen. Ein Kinderfräulein betreute die beiden Töchter. Die Eltern legten Wert darauf, dass die Töchter eine erstklassige Ausbildung erhielten. Als die Kinder größer wurden, stellten sie für nachmittags eine Studentin ein, und sie erhielten Privatstunden in Französisch, Hebräisch sowie Klavierunterricht und Gymnastik.

Ein erster Schicksalsschlag traf die Familie mit dem Tode Max Pulvermachers, der am 1. September 1915 verstarb. Anna Pulvermacher und die beiden Töchter waren auf sich allein gestellt. Anna Pulvermacher nahm die Herausforderung an und führte das Immobiliengeschäft ihres Mannes weiter. 1919 nahm Lotte Pulvermacher bei der Firma Meyerhof & Nathorff (Fabrikation und Lagerung von Textilwaren), Hausvogteiplatz 12, Berlin eine kaufmännische Tätigkeit auf. Die einsetzende Inflation zu Beginn der 1920er-Jahre traf auch Familie Pulvermacher. Sie musste sich jedoch nur geringfügig einschränken. 1928 beendete Lotte Pulvermacher ihre Tätigkeit bei der erwähnten Firma, um ihrer Mutter bei der kaufmännischen Verwaltung der Grundstücke zu helfen. Gleichzeitig arbeitete sie ehrenamtlich in der jüdischen Altershilfe.

Wann genau Lotte Pulvermacher ihren zukünftigen Ehemann Georg Silbermann kennenlernte, wissen wir nicht. Georg Silbermann (geb. 1884 in Bütow, Regierungsbezirk Köslin, gest. 1946 San Francisco/USA) war in Berlin bereits in den 1910er-Jahren ein erfolgreicher und angesehener Kaufmann im Bereich Textilwaren. Ende der 1910er-Jahre erhielt er ein attraktives Angebot von der Uniformschneiderei W. Neustadt, Plan 5, in Hamburg, welches er nicht ablehnen wollte, weil der Betrieb hohes Ansehen genoss. Die Tochter des Inhabers Edith arbeitete ebenfalls im Geschäft mit, so lernten sie sich kennen und heirateten. Der Inhaber sah in seinem Schwiegersohn einen würdigen Nachfolger für das Geschäft und ging in Rente. Fortan firmierte die Firma unter W. Neustadt Nachfolger. Die Ehe hielt jedoch nicht lange, 1924 folgte die Scheidung.

Am 22. März 1932 heirateten Lotte Pulvermacher und Georg Silbermann, sodass Lotte ihrem Mann von Berlin nach Hamburg folgte. Als Mitgift zur Hochzeit erhielt sie von ihrer Mutter 25.000 RM. Die Silbermanns bezogen eine elegante Sieben-Zimmer-Wohnung in der Brahmsallee 26. Sie beschäftigten zwei Hausmädchen, eine Waschfrau sowie einen Chauffeur für den Geschäftswagen, unternahmen Auslandsreisen, gaben Gesellschaften, waren sehr angesehen und führten ein reges soziales Leben. Gegenüber der Jüdischen Gemeinde zeigten sie sich sehr großzügig.

Seit dem 30. Januar 1933 änderte sich das Leben der Juden dramatisch. Der 1. April 1933 – der Boykott-Tag gegen jüdische Geschäfte, Kanzleien und Praxen – war nur ein "Vorbote". Das mag Anna Pulvermacher bestärkt haben, 1934 zu ihrer Tochter nach Hamburg zu ziehen. Im Vorwege veräußerte sie alle Grundstücke in Berlin. Der zuständige Notar hierfür war Ludwig Ruge. Ein Grundstück in Berlin-Lichtenberg hatte sie bereits vorher an die christliche Ehefrau (Anita Mecklenburg) eines verstorbenen Cousins verkauft.

In Hamburg angekommen, wurde Anna Pulvermacher Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Am 22. März 1934 wurde der Betrieb ihres Schwiegersohns "arisiert" und dem Prokuristen Franz Julius Fischer übertragen. Georg Silbermann war zum Nichtstun gezwungen. Nur heimlich und unsichtbar arbeitete Lotte Silbermann in der Leitung des Betriebes mit. Sie hatte Angst, dass sie von Kunden gesehen werden könnte. Selbst bei langjährigen Kunden konnte man vor Denunziationen nicht sicher sein. Im Laufe der Jahre verschärften sich die Maßnahmen gegen die Juden. Irgendwann beschlossen die Silbermanns und Anna Pulvermacher, Deutschland zu verlassen. Anna Pulvermacher übernahm vorab alle anfallenden Kosten ("Judenvermögensabgabe", Reichsfluchtsteuer sowie die Dego-Abgabe). Natürlich waren sie alle von den verhängten "Sicherungsanordnungen" hinsichtlich des Vermögens betroffen. Auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten vom 9. Januar 1935 durfte Anna Pulvermacher zunächst monatlich 800 RM für ihren Lebensunterhalt von ihrem eigenen Vermögen behalten. Ab dem 1. November 1939 waren es monatlich nur noch 300 RM, von denen sie die laufenden Kosten einschließlich Steuern zu bestreiten hatte.

Warum Anna Pulvermacher ihre Flucht dann nicht in die Tat umgesetzt hat, ist nicht bekannt.

Im Februar 1939 flüchteten die Silbermanns nach Schweden, wo Georg Silbermanns Bruder bereits lebte und bei der Visabeschaffung behilflich gewesen war. Die Silbermanns hatten ihren Hausrat teilweise zu "Schleuderpreisen" verkauft. Schweden war jedoch nur die erste Station, von dort sollte es weiter in die USA gehen. Dies scheiterte jedoch am Kriegsbeginn Anfang September 1939, eine Passage ab Göteborg war nicht länger möglich. Die Silbermanns disponierten um und nahmen mit Handgepäck die Route Russland–Japan–USA.

Ab 1940 lebte Anna Pulvermacher unter wechselnden Adressen. Zunächst wurde sie in die Flemingstraße 16 einquartiert, danach lebte sie bei Familie Heller im Loogestieg 19 und ab 1941 bei Familie Aron in der Löwenstraße 52.

Von der Löwenstraße wurde Anna Pulvermacher am 15. Juli 1942 mit der Häftlingsnummer 714 und dem Transport VI/1 von Hamburg nach Theresienstadt, Getto deportiert, wo sie am 19. August 1942 starb.

Anna Pulvermachers Tochter Kaethe Sarah war mit Curt Sluszewer verheiratet, sie emigrierten nach Palästina. Wann und auf welchen Wegen sie dorthin gelangten, ist unbekannt.

Lotte und Georg Silbermann waren, abgesehen von einigen Unwägbarkeiten während der Flucht, wohlbehalten in den USA eingetroffen und lebten in Seattle.

Der verbliebene Hausrat der Silbermanns wurde in sogenannten Lift-Vans (Container) verstaut und einem Spediteur zum Weitertransport übergeben. Dieser sah sich jedoch kriegsbedingt nicht in der Lage, für den ordnungsgemäßen Seetransport zu sorgen. Ab Frühjahr 1941 begann der NS-Staat, den Inhalt von 3000 bis 4000 Lift-Vans ausgewanderter jüdischer Familien zu versteigern. Die Erlöse von ca. 7,2 Millionen RM gingen auf ein Konto der Geheimen Staatspolizei.

Erst im September 1944 erfuhren die Töchter vom Tode ihrer Mutter Anna Pulvermacher. In der Exilzeitung "Aufbau" erschien in der Ausgabe vom 6.September 1944 eine Todesanzeige für Anna Pulvermacher.

Stand: September 2016
© Sonja Zoder

Quellen: 1; 5; 7; 8; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 1941, 24433, Jüdische Gemeinden, 522-1 Jüdische Gemeinde 992e2 Bd. 2 (Deportationslisten); Deutsches Zollmuseum Hamburg, Verfolgung; Sielemann in Brämer u.a. "Aus den Quellen …", S. 341; www.freepages.genealogy.rootsweb.ancestry.com/alcalz/aufbau/1944 Deutsch-Jüdische Exilzeitschrift "Aufbau"; Hamburger Adressbuch; Berliner Adressbuch.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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