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Bereits verlegte Stolpersteine



Gerda Pumpianski * 1921

Schröderstiftstraße 30 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1940 Tötungsanstalt Brandenburg
ermordet am 23.9.1940

Gerda Pumpianski, geb. am 22.10.1921 in Königsberg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Rotherbaum, Schröderstiftstraße 30

Gerda Pumpianskis Aufenthalt in Hamburg lässt sich seit März 1937 nachweisen. Wir wissen nicht, wann und aus welchem Grunde sie nach Hamburg gekommen war. Einer Entscheidung des Hamburger Erbgesundheitsgerichts von 3. August 1939 ist zu entnehmen, dass Gerda Pumpianski schon vorher einige Zeit in Hamburg gelebt hatte. In dieser Entscheidung werden eine Akte des Jugendamts Hamburg von 1929, eine Krankengeschichte des Universitätskrankenhauses Eppendorf von 1935 sowie Akten der Staatlichen Wohlfahrtsanstalten und ein Aufenthalt in der Hamburgischen Kinderheilstätte Sülzhayn (Thüringen) erwähnt. Diese Unterlagen sind leider nicht mehr verfügbar.

Gerdas Eltern, der Tischler Meyer Pumpianski aus Wilna und dessen Ehefrau Bussa, geborene Plaschzen oder Plachzun, galten schon damals als verschollen. Ihre Mutter war möglicherweise in Russland verstorben. Bis auf die Betreuung durch eine Vormundin, die in der Schröderstiftstraße 30 im Stadtteil Rotherbaum wohnte, war Gerda Pumpianski in Hamburg anscheinend auf sich allein gestellt. Wir wissen nicht, bei wem bzw. in welcher Unterbringung Gerda Pumpianski lebte und ob bzw. wie lange sie eine Schule besuchte.

Gerda Pumpianski wurde am 9. März 1937 in den Anstalten des Jugendamtes und am 17. März 1937 in den damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen. Dort stellte man ihr die Diagnose "Imbezillität", mit der damals ein mittlerer Grad geistiger Behinderung bezeichnet wurde. Für die im ganzen Deutschen Reich eingeführte sogenannte Erbgesundheitskartei mit dem Ziel der erbbiologischen Bestandsaufnahme des Volkes wurden auch in Alsterdorf für alle Bewohnerinnen und Bewohner Karteikarten erstellt. Die Karteikarte für Gerda Pumpianski existiert noch. Außer ihren persönlichen Daten enthält sie unübersehbar den Vermerk "Jüdin" und den Hinweis, dass die damals 16-Jährige in der Lage sei, unter Anleitung leichte Hausarbeiten zu verrichten. Sie soll "sich und ihre Sachen sauber und ordentlich" gehalten und die Anstaltsschule mit geringen Lernerfolgen besucht haben.

Die Alsterdorfer Anstalten hatten sich nach 1933 zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb entwickelt, in dem eugenische Vorstellungen und damit einhergehend auch Zwangssterilisationen als "Verhütung unwerten Lebens" unterstützt wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Verfolgung der Juden im Deutschen Reich auch zu entsprechenden Maßnahmen in den Alsterdorfer Anstalten führen würde. Ein Urteil des Reichsfinanzhofs vom 18. März 1937 diente als Vorwand, die Entlassung aller Juden aus den Alsterdorfer Anstalten vorzubereiten. Pastor Friedrich Karl Lensch, Leiter der Einrichtung, gab vor, in dem Urteil die Gefahr des Verlustes der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit zu sehen, wenn künftig Jüdinnen und Juden in der Anstalt bleiben würden. Ein Schreiben vom 3. September 1937 an die Hamburger Fürsorgebehörde enthielt die 18 Namen von "jüdischen Zöglinge[n], welche hier auf Kosten der Fürsorgebehörde untergebracht sind”, darunter auch den von Gerda Pumpianski. Am 31. Oktober 1938 verlegten die Alsterdorfer Anstalten 15 jüdische Bewohnerinnen und Bewohner in das Versorgungsheim Oberaltenallee. Am 23. Januar 1939 kam auch Gerda Pumpianski, die sich zur Abklärung einer Krankheitsvermutung seit 21. September 1938 auf der Alsterdorfer Krankenstation befunden hatte, in das Versorgungsheim Oberaltenallee. Im April 1940 konnten sich die Alsterdorfer Anstalten schließlich des letzten jüdischen Anstaltsbewohners entledigen.

1939 leitete das Versorgungsheim Oberaltenallee Gerda Pumpianskis Sterilisation nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 ein. Das Erbgesundheitsgericht entschied am 3. August 1939, dass Gerda Pumpianski unfruchtbar zu machen sei.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Gerda Pumpianski traf wahrscheinlich wie die anderen Jüdinnen und Juden aus Versorgungsheimen am 18. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde sie mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Nachricht von Gerda Pumpianskis Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm(deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 242-2 Strafvollzugsanstalten 6 Beschlüsse des Erbgesundheitsgerichts 1939; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Patienten-Karteikarte Gerda Pumpianski; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Erbgesundheitskarteikarte Gerda Pumpianski. Fuchs, Petra/Rotzoll, Maike/Müller, Uwe/Richter, Paul/Hohendorf, Gerriet (Hrsg.), "Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst". Lebensgeschichten von Opfern der nationalsozialistischen "Euthanasie", Göttingen 2014, Glossar, S. 380.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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