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Hanna Sander (geborene Isenberg) * 1886

Colonnaden 41 (Hamburg-Nord, Neustadt)


HIER WOHNTE
HANNA SANDER
GEB. ISENBERG
JG. 1886
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Colonnaden 41:
John Sander

Hanna Hertha Sander, geb. Isenberg, geschiedene Marcus, geb. am 2.5.1886 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka
John Sander, geb. am 18.11.1874 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka

Colonnaden 41

In der Hamburger Innenstadt, vor dem Haus Colonnaden 41, erinnern zwei Stolpersteine an das Ehepaar Hanna und John Sander. Sie wurden am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 21. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

John Sander war am 18. November 1874 als Sohn von Nathan Sander (geb. 6.4.1837) und Amalie, geb. Eisenmann, in Hamburg geboren worden. Es gab noch den älteren Bruder Joseph, geboren am 18. April 1870, und die ältere Schwester Ella, geboren am 25. August 1873.

Der Vater Nathan Sander stammte aus einer alteingesessenen jüdischen Familie, die Handel betrieb. Der Großvater Sander Ephraim war Lampenölhändler in der Hamburger Neustadt und machte seinen Vornamen zum Familiennamen. Er starb am 27. April 1879. Nathan Sander, Johns Vater, führte zu der Zeit als seine Kinder geboren wurden ein Kommissionsgeschäft in der 2. Marienstraße 22 (ab 1940 Jan-Valkenburg-Straße), wo die Familie auch wohnte. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglichte ihr den Umzug in eine bessere Gegend, in die Geschäftsstraße Hohe Bleichen 34. Die Mutter Amalie verstarb im Alter von 50 Jahren am 30. Januar 1892. Drei Jahre nach ihrem Tod machte sich ihr Sohn John mit einem "Bankgeschäft" selbstständig. Im Hamburger Adressbuch war er allerdings erst zwei Jahre später mit der Geschäftsadresse Büschstraße 4 in der Nähe des Gänsemarktes verzeichnet. Nach dem Branchenverzeichnis handelte er mit Bergwerksanteilen, sogenannte Kuxen, Aktien und Bohranteilen.

John Sander trat der Hamburger Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns bei, seine Mitgliedschaft ließ er 1907 als Zusatz im Adressbuch eintragen. Zu der Zeit hatte er ein Büro in der Gerhofstraße 44 gemietet und lebte bei seinem verwitweten Vater in der Hansastraße 16. Um den gemeinsamen Haushalt dürfte sich Johns unverheiratete Schwester Ella gekümmert haben. Der ältere Bruder, der Prokurist Joseph Sander, hatte seine Familie 1901 verlassen, als er die nichtjüdische Charlotte Laurette Auguste Knobloch (geb.13.7.1877) heiratete; die Ehe wurde 1913 geschieden. Joseph Sander starb 1929 in Muralto/Schweiz.

John Sander wechselte im Laufe der folgenden Jahre von 1908 bis 1923 mehrfach seine Geschäftsadresse innerhalb der Großen Reichenstraße. 1918 oder 1919 zog Familie Sander aus der Hegestraße 64 in die Rothenbaumchaussee 103. Johns Vater Nathan Sander starb am 11. Oktober 1921. Nur wenige Monate später, am 17. Februar 1922, heiratete John die geschiedene Hanna Marcus aus der Isestraße 30. Sie zog nach der Eheschließung mit ihrer damals zehnjährigen Tochter Edith in die Rothenbaumchaussee.

Hanna Sander wurde in ihrer Familie Hannchen genannt, sie war am 2. Mai 1886 als Tochter des Geschäftsreisenden Leopold Isenberg (geb. 12.5.1860) und Sara, geb. Jacobson (geb. 14.9.1861), im Alten Steinweg 16 zur Welt gekommen. Nach ihr folgte Willi, geboren am 17. Juli 1887. Der jüngste Sohn Arthur wurde am 5. Oktober 1893 geboren, nachdem die Familie in die Mühlenstraße 23/24 (heute ein Teil der Gerstäckerstraße) umgezogen war. Der Großvater Salomon Isenberg (geb. 19.2.1835, gest. 25.9.1916) stammte aus Bremke bei Göttingen und verdiente den Lebensunterhalt als Lotteriekollekteur, seine Ehefrau Friederike, geb. Wolfson (geb. 29.1.1834, gest. 28.5.1902), war Hamburgerin. Um 1895 machte sich Hannas Vater Leopold Isenberg mit seinem Bruder David Isenberg (geb. 26.4.1861) selbstständig, zunächst mit einem Tuchgeschäft in der Wexstraße 1, später kamen Schuhwaren hinzu. 1904 wurden die Geschäftsräume der Firma "Gebrüder Isenberg Schuhwaren en gros" in die Amelungstraße 13/14 verlegt und zuletzt in die nahegelegenen Hohen Bleichen 9.

Hanna hatte am 16. August 1907 in erster Ehe den Hamburger Prokuristen und späteren Kaufmann Max Marcus, geboren am 20. November 1879, geheiratet. Der Sohn des Schuhmachermeisters und Pantoffelfabrikanten Martin Marcus (geb. 22.8.1845, gest. 8.1.1910) und Jenny, geb. Meyer (geb. 1.12.1849, gest. 15.12.1911), wohnte in der Grindelallee 139, Hanna noch bei ihren Eltern in der Eimsbüttlerstraße 45 im Stadtteil St. Pauli. Vier Jahre später, am 15. Juni 1911, kam Tochter Edith Paula zur Welt.

Am 19. November 1916 verstarb Hannas Bruder, der "Kriegsinvalide" Willi, in der Wohnung seiner Eltern, die mittlerweile in die Bogenstraße 11a nach Eimsbüttel umgezogen waren. Willi Isenberg arbeitete vor dem Krieg als Handlungsgehilfe, er wurde nur 29 Jahre alt. Zwei Jahre später, am 29. August 1918, starb auch der Vater Leopold Isenberg im Alter von 58 Jahren.

Die Ehe von Hanna und Max Marcus hielt nicht, sie ließen sich am 15. November 1921 scheiden. Hanna blieb mit ihrer Tochter Edith zunächst in der Isestraße. Edith besuchte die private höhere Mädchenschule von Dr. Jacob Löwenberg und im Anschluss eine Handelsschule. Sie fand Arbeit als Kontoristin, zunächst in einer Bank in der Königstraße, dann in der Deichstraße 1. Als ihr Arbeitgeber Richard Glückstadt (s. www.stolpersteine-hamburg.de) mit seiner Familie 1933 nach Belgien emigrierte, wurde sie arbeitslos.

Nach dem Hamburger Adressbuch wohnten ihre Mutter Hanna und ihr Stiefvater John bereits in der Grindelallee 157, ein Jahr später zogen sie in die Colonnaden 41. John Sander arbeitete von der Privatwohnung aus, als Berufsbezeichnung ließ er nicht mehr "Bankgeschäft", sondern "Versicherungen aller Art" eintragen. 1938 schloss die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg seine jüdischen Mitglieder aus, was auch John Sander betraf, der Zusatz seiner Mitgliedschaft wurde aus dem Hamburger Adressbuch gestrichen.

Im selben Jahr nahm sich Johns Schwester Ella Sander das Leben. Sie war nach der Heirat ihres Bruders aus der gemeinsamen Wohnung in der Rothenbaumchaussee ausgezogen und lebte seither im "Senator Erich Soltow-Stift" Beim Jacobistift 8 in Winterhude. Dort wurde sie am 19. März 1938 mit einer Leuchtgasvergiftung tot aufgefunden. Die Umstände, die zu ihrem Entschluss führten, sind nicht überliefert.

Als für Jüdinnen und Juden, die keinen "jüdischen Namen" trugen, im Januar 1939 die Zwangsnamen "Israel" und "Sara" eingeführt wurden, änderte John Sander seinen Namen in "Jona", die jüdische Schreibweise von John. Das Ehepaar Sander war kurz zuvor in das Haus Colonnaden 40a umgezogen, konnte dann aber seine Wohnung nicht mehr frei wählen. Es musste in das "Judenhaus" Durchschnitt 1 umziehen.

Edith hatte unterdessen eine Tätigkeit als Buchhalterin in der Firma von Tobias Feinstein (s. dort) gefunden, bis diese Firma aufgrund ihres jüdischen Firmeninhabers geschlossen wurde. Danach war sie bei der Jüdischen Gemeinde im "Palästina-Amt" beschäftigt. Edith heiratete 1939 Helmuth Perlmann (geb. 15.3.1907). Das junge Paar wohnte zunächst bei Helmuths Eltern in der Brahmsallee 25, dann zur Untermiete in der Hansastraße 79. Helmuth Perlmann gelang es, Anfang Januar 1940 in die USA auszureisen. Edith folgte ihm am 2. Mai 1940 nach New York. Zwei Jahre später, am 11. Juli 1942, wurden ihre Schwiegereltern Benjamin Jacob Perlmann (geb. 16.10.1876 in Perleberg), der in früheren Zeiten ein Bankgeschäft besessen hatte, und Else, geb. van Son (geb. 2.3.1880), nach Auschwitz deportiert und ermordet. Für sie wurden Stolpersteine in der Brahmsallee 12 verlegt (s. Stolpersteine in Hamburg Grindel I, Hallerstraße und Brahmsallee).

Hanna und John Sander erhielten ihre Deportationsbefehle für den 15. Juli 1942 in das "Altersgetto" Theresienstadt. Die zuvor gezahlten 60 Reichsmark an den Jüdischen Religionsverband für ihren "Heimeinkaufsvertrag" stellten vermutlich den Rest ihres Vermögens dar.

Hannas Bruder Arthur Isenberg, der in Hamburg ein Speditionsgeschäft betrieben hatte, war im November 1935 mit seiner Frau Paula, geb. Furmanski (geb. 12.12.1898), und ihren drei Kindern Lissi (geb. 28.9.1922), Gerda (geb. 11.11.1924) und Inge (geb. 22.11.1929) aus der Bornstraße 14 (s. zu Paulas Schwester Alice Feldmann unter Walter Goldberg) nach Frankfurt am Main verzogen. Hannas verwitwete Mutter Sara Isenberg folgte ihnen im März 1936. Nach der Volkszählung vom Mai 1939 wohnten sie in der Eschersheimer Landstraße 16.

Sara Isenberg befand sich am 1. September 1942 auf einem Transport, der von Frankfurt nach Theresienstadt ging. Kurz nach ihrer Ankunft wurden ihre Tochter Hanna und Schwiegersohn John zusammen mit zweitausend Jüdinnen und Juden am 21. September ins Vernichtungslager Treblinka gebracht. Sara Isenberg musste ihnen am 23. September mit einem weiteren Transport folgen. Das Todesdatum von Arthur und Paula Isenberg ist nicht bekannt, sie kamen in das KZ Majdanek bei Lublin.

Hannas erster Ehemann Max Marcus hatte in zweiter Ehe Elsa Fröbel geheiratet, die am 7. September 1886 in einer nichtjüdischen Familie in Hildburghausen zur Welt gekommen war. Das Ehepaar lebte in der Isestraße 27. Am 28. Dezember 1939 wurde Max Marcus unter dem Vorwand der "fortgesetzten Kuppelei und einfacher fortgesetzter Rassenschande" verhaftet und beschuldigt, ein "ehebrecherisches Verhältnis" seiner mittlerweile von ihm geschiedenen Frau Elsa und ihrem Untermieter geduldet zu haben. Das Landgericht Hamburg verurteilte ihn am 12. April 1940 zu einer vierjährigen Zuchthausstrafe, die er zum Teil im Zuchthaus Oslebshausen verbrachte. Von dort wurde Max Marcus im Zuge der Verlegung von jüdischen Strafgefangenen nach Auschwitz-Birkenau überstellt und dort am 18. Januar 1943 ermordet. Seine Tochter Edith Perlmann starb im Alter von 92 Jahren in New York.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; 4; 9; StaH 332-5 Standesämter 68 u 1293/1879; StaH 332-5 Standesämter 2127 u 2185/1886; StaH 332-5 Standesämter 320 u 311/1892; StaH 332-5 Standesämter 2317 u 3744/1893; StaH 332-5 Standesämter 6424 u 56/1901; StaH 332-5 Standesämter 3091 u 468/1907; StaH 332-5 Standesämter 8002 u 7/1910; StaH 332-5 Standesämter 9750 u 3750/1911; StaH 332-5 Standesämter 8033 u 704/1916; StaH 332-5 Standesämter 8047 u 539/1918; StaH 332-5 Standesämter 8065 u 541/1921; StaH 332-5 Standesämter 8765 u 63/1922; StaH 352-5 Todesbescheinigung Sta 3a Nr. 238/1938; StaH 351-11 AfW 36800 (Perlmann, Edith); StaH 351-11 AfW 32286 (Perlmann, Helmuth); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, Abl. 1993 Ordner 10 Heimeinkaufsverträge Theresienstadt; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgerichte – Strafsachen 3742/40; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 696 f; StaH 131-1 I Senatskanzlei 33 S 2004; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; Thevs: Stolpersteine, S. 29; Hamburger Börsenfirmen, 1923, S. 929.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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