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Lippmann Weinberg * 1879

Bismarckstraße 58 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
LIPPMANN WEINBERG
JG. 1879
VERHAFTET 1938
KZ FUHLSBÜTTEL
SACHSENHAUSEN
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.12.1942

Lippmann Weinberg, geb. am 18.9.1879 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort ermordet am 26.12.1942

Bismarckstraße 58

Als Lippmann Weinberg zur Welt kam, lebten seine Eltern – der Produktenhändler Nathan Weinberg und seine Frau Friederike, geborene Jacobsohn – am Neuen Steinweg 70, um die Ecke vom Großneumarkt. Rund drei Jahre später, am 3.5.1882, bekam Lippmann eine Schwester, Bertha. Mittlerweile wohnte die Familie näher am Michel, an der Englischen Planke 17.

Lippmann erlernte genau wie seine Schwester einen kaufmännischen Beruf und heiratete um 1911 die vier Jahre jüngere, aus Cassel – so die bis 1926 offizielle Schreibweise von Kassel – gebürtige Lina Nussbaum, geboren am 9.10.1875. Das Ehepaar bekam am 23.7.1912 einen Sohn, dem es den Namen Norbert gab. Im Jahr darauf trat Lippmann Weinberg in die Hamburger Deutsch-Israelitische Gemeinde ein.

Die dreiköpfige Familie fand zunächst eine Wohnung im Hellkamp 53. Im August 1915 zog Lippmann Weinberg als Soldat in den Ersten Weltkrieg, im Landsturm-Infanterie-Bataillon Hamburg IX. 9. Nach seiner Rückkehr 1918 baute er sich eine Existenz als Schuhwarenvertreter auf, kein leichter Broterwerb, immer wieder fand er über Monate hinweg keine Arbeit. Lippmann und Lina Weinbergs Sohn Norbert absolvierte inzwischen bei der Firma Oscar Busch eine Lehre und begann 1932 in Hamburg ein Ingenieursstudium.

Bereits 1930 war die Familie in eine neue Wohnung in der Bismarckstraße 58 gezogen, ins Hochparterre. Einige Jahre später erkrankte Lina Lippmann offenbar so schwer, dass sie ins Israelitische Krankenhaus kam. Sie erholte sich nicht mehr und starb dort am 2.3.1936, im Alter von 56 Jahren. Nach ihrem Tod gaben Lippmann und Norbert Weinberg die Wohnung in der Bismarckstraße auf und zogen in die Weidenallee 48/50, Haus 6. Rund zwei Jahre später, im Frühjahr 1938, wechselten sie noch einmal die Unterkunft, als sie eine neue Wohnung in der Bornstraße 22 fanden.

Am 23. Juni 1938, morgens um 6 Uhr, wurde Lippmann Weinberg dort verhaftet. Er gehörte zu den Hamburger Juden, die der später "Arbeitsscheu Reich" genannten Aktion zum Opfer fielen. Dabei verhafteten Kriminalpolizisten und Gestapo-Männer im April und dann noch einmal im Juni 1938 reichsweit Tausende im NS-Vokabular "Asoziale" genannte Männer und nahmen sie als "Schutzhäftlinge" in "Vorbeugehaft". Laut Anweisung sollten auch vorbestrafte Juden verhaftet werden, denen in den Jahren zuvor Bagatelldelikte zur Last gelegt worden waren. In Hamburg brachte die Kriminalpolizei rund 700 Männer, darunter 200 Juden, erst ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und von dort ins KZ Sachsenhausen. Zu ihnen zählte Lippmann Weinberg.

Verzweifelt versuchte sein Sohn Norbert, inzwischen 25 Jahre alt, über die Verwaltung des "Arbeits- und Besserungslagers" Sachsenhausen etwas über den Verbleib des Vaters in Erfahrung zu bringen. Er machte sich große Sorgen, denn Lippmann Weinberg kränkelte und war nicht mehr in der Lage, körperliche Arbeit zu verrichten. Aus der zunehmenden Entrechtung und existentiellen Bedrohung der Juden hatte Norbert selbst bereits Konsequenzen gezogen: Seine Flucht in die USA stand unmittelbar bevor, er besaß eine Fahrkarte für ein Schiff, dass Hamburg am 10. August 1938 Richtung New York verlassen sollte. Vor der Abreise wollte er den Vater unbedingt noch einmal sehen, doch die Lagerverwaltung lehnte seinen Antrag ab. Er erhielt lediglich ein Schreiben, in dem ihm Lagerkommandant Hermann Baranowski mitteilte, der Vater erfreue sich "der besten Gesundheit". In einem Brief, den Lippmann Weinberg seinem Sohn Ende Juli 1938 schreiben durfte, erwähnte er vor allem berufliche Dinge, es ging um ausstehende Honorare verschiedener Fabrikanten, für die er zuletzt tätig gewesen war. Außerdem bat er darum, "Tante Bertha, Onkel Max und Tante Selma" zu grüßen. Bertha war seine Schwester, Max Nussbaum der Bruder seiner verstorbenen Frau Lina und Selma, geborene Marcus, dessen Ehefrau. Das Paar hatte zwei Töchter, die 1921 geborene Carola und die zwei Jahre jüngere Lisa Gertrud. Es betrieb ein Geschäft für Galanterie- und Kurzwaren, erst am Großen Burstah 53, dann am Holstenplatz 5, und wohnte zunächst in der Isestraße 11, später am Karl-Muck-Platz 14. Dieser Familie scheint bald darauf die Emigration nach Großbritannien bzw. in die USA gelungen zu sein.

Norbert Weinberg verließ Deutschland, ohne seinen Vater noch einmal gesehen zu haben. Dieser wurde neun Monate nach der Verhaftung wieder aus Sachsenhausen entlassen und musste nun in ein "Judenhaus" ziehen. Lippmann Weinbergs letzter, nicht mehr freiwillig gewählter Wohnsitz lag in der Schäferkampsallee 29. Dort erhielt er auch den Deportationsbefehl. Mit dem Transport VI/1 verschleppte man ihn am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt, wo er wenige Monate später starb. Auch seine Schwester Bertha wurde in dieses Lager deportiert – mit dem Transport VI/8, der Hamburg am 23. Juni 1943 verließ. Sie kam am 8.4.1944 in Theresienstadt zu Tode.

Norbert Weinberg nahm in den USA die amerikanische Staatsbürgerschaft an und fand Arbeit als Maschinenbauer. Im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens für seinen Vater kam er 1958 noch einmal nach Hamburg.

© Frauke Steinhäuser

Quellen 1; 4; 5; 8; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht Abl. 2, 451 a E 1, 1c; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht, Strafsachen 4876/42; StaH 351–11 AfW, 230722; StaH 522–1 Wählerverzeichnis 1930; StaH 332–5 Standesämter 1958 u. 4358/1879, 2028 u. 2188/1882, 1053 u. 90/1936; Bajohr, "Arisierung", S. 267; Wolfgang Ayaß, "Ein Gebot der nationalen Arbeitsdisziplin, in: Wolfgang Ayaß, Feinderklärung, S. 43–74, http://kurzurl.net/8L0pd (Zugriff 3.4.2012); http://holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.809693 u. http://holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.809225 (Institut Theresienstädter Initiative; Zugriff 3.4.2012).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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