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Bereits verlegte Stolpersteine



Emma Müller (geborene Singer) * 1878

Paulstraße 3 Eingang Europa-Passage Mönkebergstr. (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)

1941 Minsk
ermordet

Emma Anna Müller, geb. Singer, geb. 18.10.1878 in Ober-Erlenbach, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Paulstraße 3 Eingang Europa-Passage, Mönckebergstraße

Vor dem Eingang der Europa-Passage in der Mönckebergstraße wurde ein Stolperstein für Emma Müller in der Annahme verlegt, dass sie in der ehemaligen Paulstraße 3 in der Hamburger Altstadt gelebt hatte. Sie wohnte jedoch in der Paulstraße 3 in Altona, der heutigen Otzenstraße. Der Fehler wurde korrigiert, allerdings wurde der Stolperstein vor der Europa-Passage belassen.

Emma Müller war am 18. Oktober 1878 als Emma Singer in Ober-Erlenbach, heute ein Stadtteil von Bad Homburg, zur Welt gekommen. Bis zu ihrer Heirat am 19. November 1896 mit dem zehn Jahre älteren Adolf Müller, geboren am 17. April 1868 in Limbach, hatte sie bei ihren Eltern, dem Kaufmann Moriz Singer und Amalie, geb. Blumenthal, in der Wellritzstraße 9 in Wiesbaden gelebt.

In Wiesbaden kam am 12. Juni 1897 ihre älteste Tochter Emilie Erna zur Welt, Hertha Elisabeth folgte am 25. Oktober 1898 und Anton am 1. Juli 1908. Etwa um 1912 zog die Familie Müller nach Hollerich/Luxemburg, dort wurde der jüngste Sohn Kurt am 6. Juni 1913 geboren. Kurz nach seiner Geburt erfolgte ein Umzug nach Hamburg-St. Pauli in die Jägerstraße 52 (heute Wohlwillstraße). Unter dieser Adresse betrieb Adolf Müller einen Handel für "Warenhausartikel en gros".

Während des Ersten Weltkrieges verlor Adolf Müller durch Auslandsgeschäfte viel Geld. Aus finanziellen Sorgen nahm er sich am 6. Mai 1923 das Leben, er erhängte sich in einem Hinterhaus der Großen Gärtnerstraße 1-3 in Altona. Emma Müller ließ ihren Mann auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigen und versuchte zunächst, dessen Firma weiterzuführen. Im Hamburger Fernsprechbuch war Emma Müller bis 1931 als Vertreterin in der Jägerstraße 52 verzeichnet. Von dort zog sie in die Feldstraße 45.

Ihr ältester Sohn Anton beendete 14-jährig seine Schulausbildung und arbeitete einige Zeit als Bote. Im August 1926 wurde Anton Müller wegen exhibitionistischer Handlungen in die Erziehungsanstalt für Knaben in Ohlsdorf, Alsterdorfer Straße 502, eingewiesen. Von dort kam er zu einem Bauern nach Wunstorf und schließlich auf das Gut Wulfsdorf, wo er in der Landwirtschaft beschäftigt wurde. Mitte 1928 veranlasste die Jugendfürsorge seine Unterbringung im Calmenhof bei Idstein (Rheingau/Hessen). Nach einem Selbsttötungsversuch kam Anton Müller am 7. November 1929 in die geschlossene Anstalt Eichberg (unweit Eltville bei Wiesbaden). Ein halbes Jahr später, im Juni 1930, wurde er wieder nach Hamburg zurückverlegt und vorübergehend in die Hamburger Staatskrankenanstalt Friedrichsberg mit der Diagnose "angeborener Schwachsinn" eingewiesen. Anton Müller lebte dann wieder bei seiner Mutter, bis es am 22. April 1933 zu einer erneuten Unterbringung in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg kam. Von dort wurde er in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt.

Sein jüngerer Bruder Kurt hatte Versicherungsmathematik an der Universität Hamburg studiert und arbeitete im Anschluss bei einer Versicherungsgesellschaft. Als er dort aus "rassischen" Gründen entlassen wurde, fand er in seinem Beruf keine Beschäftigung mehr. Ab 1935 fuhr er als Zahlmeisterassistent auf dem Auswandererschiff "Westerland" der Red Star Linie des jüdischen Reeders Arnold Bernstein (geb. 1888, gest. 1971) zwischen Antwerpen und New York zur See.

Emma Müller gab die Wohnung in der Feldstraße auf und zog zunächst zur Untermiete in die Schanzenstraße 7. Mitte 1936 folgte sie Kurt nach Antwerpen. Als dieser sich entschloss, in die USA zu emigrieren, kehrte sie Ende 1937 nach Hamburg zurück und zog zu ihrer mittlerweile verheirateten Tochter Erna Cohn in die Paulstraße 3 und arbeitete zwischenzeitlich als Hausangestellte gegen freie Verpflegung und einem Lohn von 36 Reichsmark im Monat.

Erna Cohn war wie ihre Mutter Emma als Hausangestellte tätig. Am 22. Oktober 1922 hatte sie Egmont Max Cohn geheiratet. Der Sohn des Malermeisters Carl Cohn (geb. 27.12.1873, gest. 24.2.1941) und dessen Ehefrau Lisette, geb. Wolf (geb. 24.8.1868, gest. 22.12.1937), war am 17. Juli 1900 in Altona zur Welt gekommen. Obwohl ursprünglich Kaufmann von Beruf, verdiente Egmont Cohn seinen Lebensunterhalt als Pianist. Bis 1933 unterhielt er die Gäste in der Konditorei Michael in der Jägerstraße 5. Nachdem er als Jude nicht mehr öffentlich auftreten durfte, fand er erst 1936 eine neue Tätigkeit. Egmont Cohn arbeitete als Buchhalter in der Glasfabrik Gebrüder Schmidt in der Jägerstraße 33. Später wurde er zur Pflichtarbeit herangezogen. Zunächst bei einer Friedhofsverwaltung, dann in einer Baufirma in Buxtehude. Erna und Egmont Cohn gelang es 1938, ihren damals 14-jährigen Sohn Walter Adolf, der am 16. Juni 1924 zur Welt gekommen war, mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit zu bringen.

Am 9. Februar 1939 wurde Emmas Sohn Anton Müller nach knapp 5 ½ Jahren aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in die Heilanstalt Strecknitz nach Lübeck verlegt. In Strecknitz konnte Emma Müller ihren Sohn noch mehrmals besuchen. Ihr wurde auch genehmigt, Anton vom 7. bis zum 12. April 1939 für einen kurzen Urlaub nach Hause zu holen. Am 16. September 1940 wurde Anton nach Hamburg in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn zurückverlegt. Langenhorn diente mittlerweile als Sammelstelle für jüdische Patientinnen und Patienten, die reichsweit in größeren staatlichen Heilanstalten erfasst wurden. Am 23. September 1940 wurde Anton Müller mit dem ersten Hamburger "Euthanasie"-Transport in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel deportiert und dort noch am selben Tag durch Kohlenmonoxyd ermordet.

Emma Müller erhielt in der Paulstraße 3 ihren Deportationsbefehl für den 8. November 1941 nach Minsk.
Knapp einen Monat später, am 6. Dezember 1941, wurden ihre Tochter Erna und Schwiegersohn Egmont Cohn nach Riga deportiert. Sie überlebten die Deportation nicht.

Ernas Schwester Hertha, verheiratete Gumpel, lebte seit 1931 in Berlin. Ihr gelang es mit ihrem Ehemann Siegbert Gumpel (geb. 1.9.1899, gest. 16.2.1969 in Berlin) 1936 nach Ecuador zu emigrieren. Ihr gemeinsamer Sohn Werner (geb. 5.9.1923) sollte zunächst in Hamburg seine Schulausbildung beenden. Da ein Studium für ihn als Jude in Deutschland nicht mehr möglich war und auch weil seine Eltern den Unterhalt für ihren Sohn in Hamburg nicht mehr aufbringen konnten, folgte Werner seinen Eltern im März 1937 nach Südamerika. Hertha Gumpel starb am 17. August 1981 in Berlin.

Für Erna und Egmont Cohn, sowie für Anton Müller (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) wurden Stolpersteine in der Otzenstraße 3 verlegt.

Stand: Dezember 2024
© Susanne Rosendahl/Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 6; StaH 351-11 AfW 181078 (Müller, Emma); StaH 351-11 AfW 3805 (Müller, Emma); StaH 351-11 AfW 6613 (Müller, Kurt); StaH 351-11 AfW 45725 (Gumpel, Werner); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 1/1995, 20285 Müller, Anton; StaH 332-5 Standesämter 13174 u 2833/1899; StaH 332-5 Standesämter 5948 u 781/1899; StaH 332-5 Standesämter 2070 u 13460/1900; StaH 332-5 Standesämter 5351 u 787/1923; StaH 332-5 Standesämter 5411 u 1780/1937; StaH 332-5 Standesämter 5948 u 781/1941; StaH 332-5 Standesämter 8174 u 78/1941; Rönn: Langenhorn, S. 70f.; www.ancestry.de (Heiratsregister von Emma Singer, Zugriff 10.3.2017); www.ancestry.de (Sterberegister von Hertha Gumpel, Zugriff 8.12.2024).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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