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Etel Bernstein (geborene Bernfeld) * 1887
Eppendorfer Baum 6 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
ETEL BERNSTEIN
GEB. BERNFELD
JG. 1887
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 15.5.1944
Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Baum 6:
Nathan Hersch Bernstein, Frania Lustgarten, Margot Regensberg, Adolph Rubensohn
Nathan Hersch Bernstein, geboren 28.6.1873, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 17.4.1943 in Theresienstadt verstorben
Etel Bernstein, geb. Bernfeld, geboren 17.9.1887, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 15.5.1944 in Auschwitz ermordet
Eppendorfer Baum 6, Harvestehude
Nathan Hersch Heinrich Bernstein wurde am 28. Juni 1873 in Zolkiew/Galizien (heute Schowkwa nahe Lwiw, Ukraine) geboren. Seine Eltern hießen Moses Wolff Bernstein und Reisel, genannt Rosa, geborene Strassner. (Der Name Zolkiew bezieht sich auf den Adligen Stanilaw Zolkiewski, der in der Stadt 1594 eine Befestigungsanlage und ein Schloss errichtete).
Nathan Bernstein besuchte in Zolkiew die Bürgerschule und machte anschließend eine Ausbildung zum Goldschmied. Den Beruf übte er laut Angabe seines Sohnes Leon nie aus. 1890 zog Nathan Bernstein nach Wien und spezialisierte sich als Kaufmann im Eierhandel.
Am 2. September 1908 heirateten Nathan Bernstein und Etel Bernfeld, geboren am 17. September 1887 in Sanok/Polen als Kind der Eheleute Rubin Reuven Bernfeld und Chaya Gittel, geborene Krameisen. Wo die Eheschließung stattfand, ist uns nicht bekannt. In den Hamburger Adressbüchern erscheint das Ehepaar erstmals 1910 mit Wohnsitz in der Jenischstraße 3 (heute Wandalenweg) in Hammerbrook. Am 7. September 1910 wurde Nathan Bernstein Mitglied der Jüdischen Gemeinde Hamburg.
Das erste Kind von Nathan und Etel Bernstein, Ruben, wurde am 1. Juli 1909 in der Jenischstraße 3 geboren. Das Ehepaar bekam weitere Kinder: Max Wilhelm, geboren am 13. September 1910, David, geboren am 3. Februar 1912, und die Zwillinge Leon und Marcus, geboren am 6. November 1913, alle kamen in der Wielandstraße 8/Eilbek zur Welt.
1914 meldete sich Nathan Bernstein für den Kriegsdienst als Schütze bei der Armee seines Geburtslandes, der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Etel Bernstein blieb in Hamburg mit den fünf Kindern zurück. Unterstützung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung erhielt sie durch ihre Schwester Lea Stemmer, geborene Bernfeld, geboren am 11. September 1889.
1916 wurde Nathan Bernstein mit der österreichischen Tapferkeitsmedaille in Bronze und dem Frontkämpferkreuz ausgezeichnet. Nach dem Krieg kehrte er nach Hamburg zurück.
Er zog mit seiner Familie in die Sachsenstraße 18 in Hammerbrook.
Die Kinder wurden streng orthodox erzogen und die Eltern legten Wert darauf, dass sie eine gute Schulbildung erhielten. Die Kinder berichteten später, sie hätten viele Freunde gehabt, die meist ebenfalls jüdisch gewesen seien. Ihre Beziehung zu den Eltern soll von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen sein. Es habe unter den Geschwistern große Kameradschaft geherrscht. Die jüdischen Feiertage wurden sehr traditionell im Familienkreis gefeiert. Der Sohn Max Wilhelm Bernstein gab in einem Interview später zu Protokoll, dass er eine sehr glückliche Kindheit mit vielen Aktivitäten gehabt habe, u. a. im Sportverein, mit Wanderungen und Tanzveranstaltungen.
In der Sachsenstraße 18 eröffnete Nathan Bernstein ein Fachgeschäft "Eierhandel en gros und en detail". Er betrieb Handel mit Polen und Rumänien. Für den Eiertransport wurde eigens ein Fahrer beschäftigt, für die Finanzen wurde ein Buchhalter eingestellt. Nathan Bernstein unterhielt neben seinem Geschäft auch einen Verkaufsstand auf dem Altonaer Fischmarkt, der zwar ursprünglich zur Versorgung der Bürger mit Fisch gedient hatte, wo aber später auch Obst, Gemüse und Pflanzen verkauft wurden.
Die Eigentumsrechte an dem Mehrfamilienhaus in der Sachsenstraße 18 erwarb 1920 die Konsum-Bau-und-Produktion GmbH und baute es 1926 aus. Von dem Umbau profitierte Nathan Bernstein, weil er seine Waren besser präsentieren konnte. Die Grundstücke Sachsenstraße 18-20 bestanden aus zwei Wohnhäusern mit je einem Ladengeschäft. (Beide Immobilien wurden bei einem Fliegerangriff am 27. und 28. Juli 1943 komplett zerstört).
Der Machtantritt der Nationalsozialisten veränderte auch das Leben der Familie Bernstein in vielerlei Hinsicht. Vor allem aber geriet Nathan Bernstein am 9. Juli 1937 ins Visier der NS-Behörden, nachdem der Nachbar Paul Karl Emil Friedrich Dietrich ihn angezeigt hatte. Der Vorwurf: Er habe um 20.30 Uhr Lebensmittel an zwei jüdische Frauen verkauft – ein Verstoß gegen die Arbeitszeitverordnung (§24 und §27), die Verkäufe nach 19.00 Uhr untersagte. Vor Gericht verteidigte ihn der jüdische Rechtsanwalt Manfred Zadik, der argumentierte, es habe sich nicht um einen regulären Verkauf gehandelt, da die Ware erst aus dem Lager geholt wurde. Dennoch verurteilte das Gericht Bernstein am 19. Oktober 1937 zu einer 30 Reichsmark-Geldstrafe und sechs Tagen Gefängnis. In einem Lebenslauf seines Vaters, den der Sohn Leon Bernstein verfasste, ist vermerkt, dass es Nathan Bernstein 1937 auch untersagt worden war, den Stand auf dem Fischmarkt weiter zu betreiben.
Nachdem sie 1938 ihr Geschäft schließen mussten, lösten Nathan und seine Frau Etel es im Februar 1939 endgültig auf, verkauften, verschenkten das Inventar oder behielten es für die eigene Nutzung. Dies gestaltete sich sehr schwierig, da es ein Überangebot gab und sie die Gegenstände zu "Schleuderpreisen verhökern" mussten.
Die Drangsalierungen der Gestapo setzten Etel und Nathan Bernstein immer mehr zu und so bemühten sie sich um ein Einreisevisum zunächst für Palästina. Sie setzten die Hoffnung auf ihren Sohn David Bernstein, der mittlerweile in Palästina lebte und sich um die Bewilligung eines Visums für seine Eltern einsetzte. Die Söhne Max Wilhelm, Willy genannt, und Leon Bernstein, waren 1939 in die USA geflüchtet. Auch sie bemühten sich um die Ausstellung eines Einreisevisums für ihre Eltern.
Nathan und Etel Bernstein standen in regem Austausch mit ihren Kindern. Oft waren in den Briefen Bilder von ihrem Enkelkind Henny, geboren am 18. Mai 1937, die Tochter von Bertha und Max Wilhelm Bernstein, die dann bei der Kaffeetafel den Freunden und dem Ehepaar Moritz und Lea Stemmer (Schwager und Schwägerin von Nathan Bernstein) gezeigt wurden.
In der Hoffnung auf eine baldige Ausreise lernten Etel und Nathan Bernstein Englisch. Nathan Bernstein klagte aber, dass in seinem alten Kopf "nur schwerlich etwas hängenblieb" und gab nach kurzer Zeit den Englischunterricht wieder auf.
Im Mai 1939 neigten sich nun die Ersparnisse des Ehepaares langsam, aber stetig dem Ende zu. An Mobiliar besaßen sie nur noch zwei Betten. Alles andere hatten sie zu Geld gemacht.
Nathan Bernstein befasste sich mit dem Gedanken, eine Arbeit im Straßenbau anzunehmen. Das war die einzige Arbeit, die den Juden erlaubt wurde. Dieses Vorhaben hat er nie realisiert.
In seiner Not wandte sich Nathan Bernstein an Richard Ernst Moser, einen engen Freund der Familie Bernstein, um Hilfe. Richard Ernst Moser versorgte das Ehepaar Bernstein mit Lebensmitteln und Geld. Er hatte bereits 1938 geholfen, als der Sohn Max Wilhelm Bernstein in der Pogromnacht verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht worden war. Richard Ernst Moser hatte seine Freilassung erreicht. (Richard Ernst Moser wurde dafür von Yad Vashem "als Gerechter unter den Völkern" geehrte. Die "Gerechten unter den Völkern" sind Personen, die von Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte Israels, geehrt werden, weil sie während des Holocausts Juden geholfen und oder gerettet haben.)
Am 12. Juli 1940 sollten Etel und Nathan Bernstein in das "Judenhaus" am Großneumarkt 56 umziehen. Die räumliche Enge in den "Judenhäusern" war allgemein bekannt. Deshalb nahmen sie sich ein Zimmer zur Untermiete bei der Witwe B. Keller am Eppendorfer Baum 6 in Harvestehude.
Das Ehepaar wartete immer noch vergeblich auf die Nachricht über die Erteilung eines Visums, traf Reisevorbereitungen und freute sich auf das Wiedersehen mit ihren Kindern in Amerika.
Warum weder Visa für die USA noch für Palästina erteilt wurden, wissen wir nicht. Nun versuchte das Ehepaar Bernstein ab Juli 1941 nach Kuba auszuwandern. Doch auch dieser Versuch scheiterte.
Nathan Bernstein berichtete in einem Brief seinem Sohn David Bernstein von der Abreise seiner Schwägerin Lea und seines Schwagers Moritz Stemmer am 25. Oktober 1941 nach Lodz. Er schrieb, dass den beiden die Luftveränderung guttun würde, nicht ahnend, dass es sich um eine Deportation in das Getto Lodz/Litzmannstadt handelte und er sie nie wiedersehen würde. (Stolpersteine erinnern an das Schicksal von Lea und Moritz Stemmer in der Heider Straße 22.)
Etel und Nathan Bernstein selbst waren von den Deportationen 1941 noch ausgenommen. Als Menschen über 65 Jahre erhielten sie erst 1942 ihren "Aussiedelungsbefehl" nach Theresienstadt und mussten sich am 19. Juli 1942 an der Schule Altonaer Straße an der Sternschanze einfinden. Die 1884 gegründete Schule Altonaer Straße befand sich ganz in der Nähe des Bahnhofes Sternschanze. Versteckt hinter Wohnhäusern, war sie von der Straße aus nicht einsehbar. Aufgrund dieser abgeschirmten Lage wurde der Schulhof von der Gestapo im Juli 1942 als Sammelplatz für die jüdischen Menschen genutzt.
Am 19. Juli 1942 fuhr der Zug, in dem sich auch das Ehepaar Bernstein befand, vom Bahnhof Sternschanze zum Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) und erreichte einen Tag später Theresienstadt.
Dort starb Nathan Bernstein am 17. April 1943 an Typhus.
Etel Bernstein wurde am 15. Mai 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet.
Zum Schicksal der Kinder von Etel und Nathan Bernstein
Alle fünf Söhne emigrierten und überlebten den Holocaust:
Ruben Rudolf Bernstein heiratete Trude Israel, geboren am 17. Juni 1910. Das Ehepaar zog 1937 nach Stuttgart. Er wurde während des Novemberpogroms 1938 im KZ Dachau inhaftiert. Danach flüchteten die beiden aus Deutschland. Ruben Rudolf Bernstein starb 1972 in den USA.
Max Wilhelm Bernstein heiratete am 18. August 1936 Bertha Rubin, geboren am 16. August 1911. Sie wanderten 1939 mit ihrer Tochter Henny Bernstein, geboren am 18. Mai 1937, in die USA aus. Bertha Bernstein starb in den USA am 4. März 2000. Max Wilhelm, der seinen Vornamen in William änderte, starb in den USA am 8. März 2002.
David Bernstein heiratete am 17. September 1935 Martha Ickelheimer in Hamburg. Anschließend wanderten sie nach Palästina aus. Sie bekamen die Kinder Uri Bernstein, geboren am 19. Juni 1942, und Jerome Bernstein, geboren am 4. April 1949. 1950 wanderten sie in die USA aus. Martha Bernstein starb am 28. Januar 1987, David Bernstein am 29. August 2007 ebenfalls in den USA.
Leon Bernstein wanderte mit seiner Ehefrau Isabel Levy ebenfalls in die USA aus. Er starb am 8. Mai 1995 in New York.
Auch Marcus Bernstein wanderte im Mai 1938 in die USA aus und heiratete dort Ilse Katten, geboren am 7. April 1920. Marcus starb 1993, Ilse Bernstein am 18. September 2004 in San Francisco.
Stand: August 2025
© Bärbel Klein
Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; 6; 7; 8; StaH, 113-6 Staatsverwaltung 610 (Bernstein); 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht 53799; 213-13 Landgericht Wiedergutmachung 12208, 14395, 20717 (Bernstein); 351-11 AfW 934, 2099, 9863, 35681, 37529, 38581, 47316 (Bernstein); 741-4 Fotoarchiv K4233 (Bernfeld), K7023 (Stemmer), L 25/2 (Bernstein); 332-5 Standesämter 113785 Geburtsregister 850/1909 Rubin Bernstein, 114101 Geburtsregister 1070/1910 Max Wilhelm Bernstein, 115683 Geburtsregister 132/1912 David Bernstein, 14747 Heiratsregister 314/1936 Max Wilhelm Bernstein/Berta Rubin; 731-8_A762 Zeitungsartikel über die Ehrung als Gerechter unter den Völkern; Alfred Gottwald und Diana Schulle, Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich, Marixverlag, Erschienen 2005; Gutenberg hatte Briefe von Lea und Moritz Stemmer; Henny Brener hatte Briefe von Etel und Nathan Bernstein sowie Audiodateien gesprochen von William Bernstein; SUB Adressbuch Hamburg 1910, 1912, 1916, 1930, 1931, 1932, 1940, 1941 und 1942; Zolkiew/Galizien Schowkwa – Wikipedia; Fischmarkt Hamburg - hamburg.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".