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Bereits verlegte Stolpersteine



Ruth Körbchen * 1887

Lange Reihe 111 (Hamburg-Mitte, St. Georg)

1941 Lodz
weiterdeportiert 1942

Weitere Stolpersteine in Lange Reihe 111:
Franz Grünfeld, Günther Pinkus, Johanna Pinkus, Herbert Pinkus

Ruth Gustava Körbchen, geb. 20.10.1887 in Geldern, deportiert am 25.10.1941 ins Getto Lodz und dort am 1.5.1942 ermordet

Lange Reihe 111, St. Georg

Ruth Gustava Körbchen wurde am 20. Oktober 1887 in Geldern geboren.
Ruths Vater, Simon Siegmund Körbchen, war am 21. August 1853 in Vreden, ihre Mutter Anna Körbchen, geborene Stern, am 7. Juni 1861 in Königsberg geboren worden. Beide waren jüdischen Glaubens. Sie hatten am 29. November 1886 in Geldern geheiratet, einer Stadt im Westen des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Simon Siegmund Körbchen arbeitete als Kaufmann, Anna Körbchen als Lehrerin.

In Geldern bekam das Ehepaar Körbchen zwei weitere Kinder: Hans Otto Siegfried, geboren am 20. April 1893, und Friedrich Paul Jacob Körbchen, geboren am 11. Juni 1894.

Seit dem 16. Juli 1895 lebte Ruth Körbchen in Hamburg-Rotherbaum in der Rutschbahn 10 bei ihrer Großmutter Malwine Stern, geborene Ollendorf, geboren am 9. Dezember 1839 in Rawitsch (heute Rawicz) in der preußischen Provinz Posen (heute Polen).

Warum Ruth bei ihrer Großmutter in Hamburg aufwuchs und nicht bei ihren Eltern in Geldern, wissen wir nicht.

Am 28. März 1904 meldete sich Ruth Körbchen aus Hamburg ab und zog zu ihren Eltern, die sich mittlerweile in Berlin niedergelassen hatten. In Berlin ließ sich Ruth Körbchen zur Zahntechnikerin ausbilden. Zu dieser Zeit war Dentist/Dentistin ein Beruf nach handwerklicher Ausbildung im Unterschied zum Zahnarzt/Zahnärztin, die ein Studium erforderte.

1914 zog sie wieder nach Hamburg und wohnte im Kreuzweg 21 zur Untermiete bei einer Familie Weißgerber.

Am 20. Februar 1925 starb ihr Vater Simon Siegmund Körbchen in Berlin-Mitte, Spandauer Straße 27.

1925 zog Ruth Körbchen in die Schmilinskystraße 5-7, Erdgeschoss, im Stadtteil St. Georg. Zuvor hatten in dieser Wohnung ihre Großmutter Malwine Stern und ihre Tochter Käthe, Ruths Tante, gewohnt. Malwine Stern war am 9. Februar 1922, Käthe Stern am 18. Dezember 1925 verstorben.

In der Wohnung war ausreichend Platz, so dass Ruth Körbchen sich dort ein Dentallabor einrichten konnte.

Über Ruth Körbchens Leben in den Jahren 1926 bis 1932, können wir nichts berichten. 1933 erhielten jüdische Zahnärzte und Dentisten in Staatsdiensten Berufsverbot, die übrigen verloren zunächst die Kassenzulassung, 1938 die Approbation. Ruth Körbchen durfte ihre Tätigkeit als Dentistin im eigenen Labor in der Schmilinskystraße 5-7 nicht mehr ausüben. Die Wohnung musste sie aufgeben.

Vermutlich kannte Ruth Körbchen ihren nächsten Vermieter, den Hauseigentümer Dr. Alfons Maria Jakob, geboren am 2. Juli 1884 in Aschaffenburg. 1919 hatte sich der nichtjüdische Mediziner für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Hamburg habilitiert. Dort war er 1924 zum Professor für Neurologie ernannt worden. Alfons Maria Jakob starb am 17. Oktober 1931 in Hamburg. Aus seinem Nachlass hatte seine Witwe Dorothea Jakob das Mietshaus Lange Reihe 111 in St. Georg gekauft und ermöglichte Ruth Körbchen den Bezug einer Wohnung im zweiten Stock.

Laut einem Eintrag im Hamburger Adressbuch eröffnete Ruth Körbchen dort eine Pension. Ein Zimmer vermietete sie am 24. Mai 1940 an Eugen Philipp Bauer. (Eugen Philipp Bauer wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort, siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Den Auftakt zur systematischen Deportation von Jüdinnen und Juden stellte der erste Transport aus Hamburg am 25. Oktober 1941 in das von den Deutschen eingerichtete "Getto Litzmannstadt" im besetzten Lodz dar. Auch Ruth Körbchen erhielt ihren Deportationsbefehl dorthin. Wie alle zur Deportation Befohlenen musste sie sich einen Tag vor dem Deportationstermin im Logenhaus an der Moorweidenstraße einfinden. Dort hatte die Jüdische Gemeinde Doppelstockbetten aufgestellt und für Reiseproviant gesorgt. Am 25. Oktober 1941 verließ der Zug mit 1034 Menschen den Hannoverschen Bahnhof (heute Hafen City) in Hamburg. Er erreichte am nächsten Tag um die Mittagszeit das Getto.

Bereits kurz nach der Gründung des Gettos hatte die deutsche Verwaltung dort eine Textil- und Bekleidungsabteilung eingerichtet. Diese war auch ein wichtiger Lieferant von Textilien, Kleidung und Lederwaren für die deutsche Wirtschaft.

Laut den Unterlagen aus Lodz wurde Ruth Körbchen im Getto eine Wohnung in der Rauchgasse 21 zugewiesen. Die Adresse Rauchgasse 21 und die Berufsbezeichnung "Zahntechnikerin" war auf einer für sie angelegten Karteikarte vermerkt. Ob Ruth Körbchen ihren Beruf im Getto ausüben konnte oder überhaupt eine Arbeitsstelle erhielt, wissen wir nicht.

Am 1. Mai 1942 musste sie die Wohnung in der Rauchgasse 21 verlassen, wurde nach Chelmno (Kulmhof) deportiert und dort ermordet.

In Chelmno (Kulmhof), 70 Kilometer westlich von Lodz, war 1941 das erste nationalsozialistische Vernichtungslager im besetzten Polen errichtet worden. Das Lager Chelmno bestand aus zwei Teilen, dem "Schloss" und dem "Waldlager". Die Ermordung der Menschen fand meist gleich nach der Ankunft im "Schloss" in Gaswagen statt, im "Waldlager" wurden die Ermordeten in von ausgesuchten Deportierten ausgehobenen Massengräbern begraben und verbrannt.

Ruth Körbchen wurde nur 54 Jahre alt.

Zum Schicksal der Familie Körbchen:
Ruths Mutter Anna Körbchen verstarb am 15. November 1943 im Getto Theresienstadt. Ein Stolperstein für sie liegt in Geldern, Bahnhofstraße 9. (siehe: Liste der Stolpersteine in Geldern – Wikipedia)

Ruth Körbchens Bruder Hans Otto Siegfried war am 20. April 1918 im Ersten Weltkrieg gefallen.

Ihr Bruder Friedrich wurde am 16. Juni 1943 nach Theresienstadt und am 23. Oktober 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet. Der Stolperstein liegt in der Bahnhofstraße 9, in Geldern. (siehe: Liste der Stolpersteine in Geldern – Wikipedia)

Stand: Mai 2025
© Bärbel Klein/Benedikt Behrens (†)

Quellen: 1; 4; 5; 6; 9; StaH 213-13 Landgericht Hamburg- Wiedergutmachung 14849 (Ruth Körbchen); 352-10 Gesundheitsverwaltung - Personalakten 244 (Dr. Alfons Maria Jakob); 332-5 Sterbeurkunde 849 Nr. 241/1922 Malwine Stern; 332-5 Sterbeurkunde 894 Nr. 1804/1925 Käthe Stern; 332-5 Sterbeurkunde 8107 Nr. 490/1931 Alfons Jakob; 741-4 Fotoarchiv K 2415 (Hartwicusstraße), K 6404 (Körbchen), K 7025 (Körbchen); Berlin Heiratsurkunde Nr. 646/1918 Otto Hirsch Stern und Mathilde Therese Elsa Ackermann; Berlin Sterbeurkunde Nr. 768/1927 Otto Hirsch Stern; Mail von Ralf Hendrix vom 31.03.2023 mit Unterlagen von Familie Körbchen, Stadtarchiv Geldern, Juden in der Geschichte des Gelderlandes, herausgegeben vom Historischen Verein für Geldern und Umgebung, Seite 378; Mail Renate Mielczarek Unterlagen Ruth Körbchen 17.04.2024 Archiv Lodz; ITS Digital Archive, Arolsen Archives Copy of 1.1.22.1/1203275; SUB Adressbuch SUB Hamburg - Advanced Search - asearch (uni-hamburg.de) folgende Jahre 1925, 1928-1931 und 1934; Alfred Gottwald und Diana Schulle, Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich, Marixverlag, Erschienen 2005; www.ancestry.de (Zugriff 16.02.2022); Alfons Maria Jakob – Wikipedia (Zugriff 08.04.2024).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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