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Ruth Wolfsohn (geborene Tuteur) * 1919
Abendrothsweg 19 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
HIER WOHNTE
RUTH WOLFSOHN
GEB. TUTEUR
JG. 1919
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Abendrothsweg 19:
Edith Behrend, Clara Zipora Böhm, Dora Guttentag, Ella Guttentag, Marianne Lehmann, Ruth Weigert, Elise Wiesenthal, Werner Wolfsohn, Clara Wolfsohn
Ruth Wolfsohn, geb. Tuteur, geb. am 2.11.1919 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Abendrothsweg 19 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)
Ruth Tuteur wurde am 2.11.1919 als Tochter von Eugen Tuteur (*31.1.1870 Mannheim) und Hedwig, geb. Salomon, (*9.12.1884 Hamburg) in Hamburg geboren (Biografien siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Die Eltern hatten am 11. Mai 1904 in Hamburg geheiratet, am 28. März 1920 – relativ kurz nach der Geburt von Ruth - wurde die Ehe geschieden, da der Vater eine Beziehung zu seiner späteren Lebensgefährtin Olga Stahlmann unterhielt.
Eugen Tuteur war Inhaber einer Sackfabrik mit Geschäften im Im- und Export. Zur Familie gehörten die beiden älteren Brüder Edgar (*9.4.1905 Hamburg) und Harald Richard (*1.9.1911 Hamburg). Während Edgar Tuteur später bei der Firma Sorveglianza SAI in Neapel beschäftigt war, arbeitete Harald Richard in der Firma seines Vaters in Hamburg mit.
Ruth Tuteur lebte mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter Charlotte Salomon, geb. Lehmann, in Hamburg in der Hamburger Straße 201a auf der 1. Etage.
Zuerst hatte Ruth Tuteur eine nicht-jüdische Schule besucht, wechselte aber wegen des antijüdischen Verhaltens von Lehrern und Mitschülern Ostern 1936 auf die Talmud-Thora-Oberrealschule neben der Bornplatz-Synagoge. Hier legte sie im März 1938 ihr Abitur ab. (Nach 1933 nahm die bis dahin als reine Jungenschule geführte Talmud-Thora-Schule auch Mädchen auf, 1939 wurde sie mit der Israelitischen Töchterschule zusammengelegt.)
Danach besuchte sie vermutlich eine jüdische Handels- und Haushaltsschule. Sie betrieb 1939 ihre Auswanderung nach London. Jedes einzelne Kleidungsstück, jeder mitzunehmende Gegenstand musste in einer Liste aufgeführt und genehmigt werden. Der Bericht des Sachverständigen der Devisenstelle vom 7. August 1939 hielt fest: "Es ist ein Posten gebrauchter Wäsche (aus Beständen der Mutter) und einige wertmäßig nicht ins Gewicht fallende Gegenstände vorhanden. Die Antragstellerin will als Hausangestellte nach England gehen. Sie ist außerordentlich reichhaltig mit Garderobe und sonstigen Oberbekleidungsstücken versehen. ... Es sind einige zum Zwecke der Auswanderung angeschaffte und einige vorhanden gewesene Gegenstände im Besitz der Antragstellerin. Die Schreibmaschine soll angeblich für eine spätere Berufswechslung gebraucht werden."
Einem Schreiben von Ruth Tuteur vom Juni 1941 ist zu entnehmen: "Ich stand im August 1939 vor meiner Auswanderung nach England. Mir wurde damals von der Devisenstelle die Mitnahme meines Umzugsgutes nur bewilligt unter der Bedingung, dass ich eine Abgabe von Rm 500,- an die Deutsche Golddiskontbank, Berlin, zu leisten hatte. Durch den Ausbruch des Krieges wurde meine Ausreise zu nichte …".
Eine Emigration nach Großbritannien war nicht mehr möglich. So bat Ruth Tuteur um die Rückerstattung des bereits gezahlten Betrages, denn "Ich befinde mich augenblicklich in finanziell bedrängten Verhältnissen, da ich mich von dem Lohn, den ich als Fabrikarbeiterin verdiene (Wochenlohn ca Rm 20,- netto) ernähren muss." Sie musste inzwischen schlecht bezahlte Zwangsarbeit in einer Gemüseverwertungsfabrik leisten.
Am Donnerstag, dem 6. November 1941, heiratete Ruth Tuteur in Hamburg den 13 Jahre älteren Werner Wolfsohn, geboren am 21. September 1906 in Hamburg (Biografie siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Ihre Mutter Hedwig Tuteur und ihre Großmutter Charlotte Salomon waren die Trauzeugen.
Während auf der Deportationsliste für Ruth "Studentin" und für Werner "Vertreter" als Beruf angegeben ist, führt die Heiratsurkunde beide Ehepartner als "Arbeiterin" bzw. "Arbeiter" auf, so dass man davon ausgehen kann, dass beide zu diesem Zeitpunkt zur Zwangsarbeit verpflichtet gewesen waren.
Der Donnerstag war ein unüblicher Hochzeitstag, das Datum ist einzig und allein durch die bevorstehende Ausweisung aus Hamburg bedingt. Werner Wolfsohn hatte die Nachricht bekommen, dass er sich für Samstag, den 8. November 1941, zur "Evakuierung" einfinden sollte. Er gehörte zu den 960 jüdischen Bürgern, die an diesem Tag aus Hamburg deportiert wurden.
In der Deportationsliste ist Ruth Wolfsohn mit Nummer 47 unter den 61 Personen zu finden, die sich "freiwillig zur Evakuierung gemeldet haben". Ihre Bereitschaft zur "Evakuierung" muss Ruth noch vor der Heirat erklärt haben, denn auf der Liste erscheint sie mit dem Familiennamen Tuteur und der Adresse Hamburger Straße 201a.
Ruth wollte den Weg ins Unbekannte mit Werner Wolfsohn zusammen gehen. Wahrscheinlich hofften sie, als Eheleute nicht getrennt zu werden und zusammen leben zu können. In Minsk verlieren sich ihre Spuren.
Die Mutter von Werner Wolfsohn, Clara Wolfsohn, wurde am 18. November 1941 ebenfalls nach Minsk deportiert. An sie erinnern Stolpersteine im Abendrothsweg 19 und Grindelberg 45.
Mit demselben Transport vom 18. November 1941 wurden auch die Mutter von Ruth Wolfsohn, Hedwig Tuteur, geb. Salomon, und deren Mutter Charlotte Salomon, geb. Lehmann, nach Minsk deportiert. Für Hedwig Tuteur liegt ein Stolperstein in der Hamburger Straße 199-205.
An den Vater von Ruth Wolfsohn, Eugen Tuteur, erinnert ein Stolperstein in der Grillparzerstraße 4. Er war am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert worden.
Die Brüder von Ruth Wolfsohn, geb. Tuteur, überlebten den Holocaust: Edgar Tuteur in New York und Harald Richard Tuteur in Buenos Aires.
Ruth Wolfsohns Bruder Edgar überlebte den Holocaust in New York, während sein Schwiegervater Hermann Glass 1943 in Theresienstadt starb (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Ruth Wolfsohns Bruder Harald Richard Tuteur konnte sich nach Buenos Aires retten.
Stand: Februar 2025
© Christiane Stephani
Quellen: StAH 351-11_43264; 314-15_Fvg 5718; 332-4_579; 351-11_43264; Michael Tuteur: Tuteur family-tree, Selbstverlag, 5. Auflage 2020, private Veröffentlichung; Adressbuch Hamburg 1941; https://agora.sub.uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/view?did=c1:898557&p=2951;
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411108-49.jpg.