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Luise von der Heide (geborene Lorenz) * 1905
Geschwister-Scholl-Straße 131 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
HIER WOHNTE
LUISE
VON DER HEIDE
GEB. LORENZ
JG. 1905
EINGEWIESEN 1942
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 29.6.1943
HEILANSTALT HADAMAR
ERMORDET 29.6.1944
Luise von der Heide, geb. Lorenz, geb. am 23.2.1905 in Altona, aufgenommen in der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" am 11.1.1943, verlegt in die "Landesheilanstalt Hadamar" bei Limburg am 29.6.1943, dort gestorben am 29.6.1944
Geschwister-Scholl-Straße 131 (früher Niendorfer Straße 131)
Luise Ella Margot von der Heide (Rufname Luise) wurde am 23. Februar 1905 in der damals preußischen Stadt Altona (heute ein Hamburger Bezirk) geboren. Ihre Mutter Marie Sophie Elisabeth Behrens, geboren am 4. März 1883 in Hermannsburg in der Südheide, war zu dieser Zeit noch nicht verheiratet, sodass Luise zunächst den Nachnamen ihrer Mutter erhielt. Nach Marie Behrens‘ Eheschließung am 28. August 1915 mit dem Bürogehilfen Anastasius Roman Lorenz, geboren am 27. Februar 1890 in Crone an der Brahe im damaligen Kreis Bromberg (heute Koronowo, Powiat Bydgoszcz, Polen), gab dieser dem Kind gemäß dem damaligen § 1706 BGB seinen Familiennamen. Luise Behrens trug fortan den Nachnamen Lorenz. Nach ihren späteren Angaben hatte sie die Volksschule mit gutem Erfolg besucht und anschließend eine zweijährige Handelsschule absolviert und bis zu ihrer Eheschließung acht Jahre bei der Handelskammer Hamburg als Sekretärin gearbeitet.
Sie heiratete am 13. Juni 1931 in Altona den am 18. November 1906 in Hamburg geborenen Klempner und Installateur Alfred von der Heide. Das Paar ließ sich zunächst in der damaligen Alsenstraße 36a in Altona nieder und wohnte ab 1934 in der Niendorfer Straße 21 in Eppendorf. 1931 und 1935 kamen zwei Kinder zur Welt.
Alfred von der Heide betrieb dort einige Jahre eine Klempnerwerkstatt. Im Hamburger Adressbuch ist er ab 1937 in der Niendorfer Straße 141 und ab 1941 in der Niendorfer Straße 131 (heute Geschwister-Scholl-Straße in Eppendorf) verzeichnet. Seit 1941 war er laut Hamburger Adressbuch bei den Vereinigten Deutschen Metallwerken in Groß Borstel als Monteur tätig. Die Vereinigten Deutschen Metallwerke waren einer der größten Hamburger Rüstungsbetriebe mit etwa 3000 Beschäftigten, darunter viele Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen (siehe auch Biografien über Kinder von Zwangsarbeiterinnen unter www.stolpersteine-hamburg.de, Sportallee/Ecke Weg beim Jäger).
Am 21. Juli 1942 beantragte Alfred von der Heide die Ehescheidung. Zur Begründung seines Scheidungsbegehrens führte er an, seine Ehefrau habe seit längerer Zeit die ihr durch die Ehe obliegenden Verpflichtungen in immer stärkerem Maße verletzt. Sie habe weder für die Reinlichkeit des gemeinsamen Haushaltes noch für die Kinder und für seine Mahlzeiten gesorgt. Zudem habe sie die dem Haushalt zustehenden Obstzuteilungen und Nahrungsmittel nicht eingekauft, sondern verfallen lassen, obwohl sie hierfür ausreichend Geld erhalten habe. Die entsprechenden Nährmittelkarten habe sie in den Abfalleimer geworfen oder Dritten überlassen.
Ein vom Landgericht angefordertes medizinisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Luise von der Heide vorgeworfenen Verfehlungen zwar zu einer tiefen Zerrüttung der Ehe geführt hätten, diese jedoch als Ausdruck ihrer geistigen Erkrankung zu betrachten seien und daher keine Eheverfehlungen darstellten.
Das Gutachten vom Dezember 1942 stammt von Hans Bürger-Prinz, NSDAP-Mitglied und von 1936 an zunächst kommissarischer, später Leiter der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Nach der Verlegung der Klinik an das Universitätskrankenhaus Eppendorf blieb er deren Leiter.
Am 12. Oktober 1942 wurde Luise von der Heide auf Basis eines Attestes des Distriktarztes Max Moltrecht in die damalige Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität Hamburg eingewiesen. Sie habe den Eindruck einer Geistesgestörten gemacht und sich zunehmend selbst vernachlässigt. Bei ihrer Aufnahme gab sie an, dass ihre Ehe glücklich gewesen sei. Von ihrem Mann sei sie für den Haushalt immer gelobt worden.
Die Kinder waren zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung sieben und elf Jahre alt.
Alfred von der Heide bestätigte, dass die Ehe in den ersten Jahren sehr gut gewesen sei. Seine Frau habe einen ordentlichen, guten Charakter gehabt und den Haushalt durchaus zu seiner Zufriedenheit geführt, wenn auch nicht perfekt. Es habe ihr jedoch an der Pünktlichkeit gemangelt. Er habe sich dennoch sehr gut mit ihr verstanden. Lediglich in erotischer Hinsicht sei sie etwas kühl und zurückhaltend gewesen. Bei der Geburt des zweiten Kindes im Jahr 1935 habe man festgestellt, dass seine Frau mit Lues infiziert sei. Der Arzt habe damals eine ererbte Übertragung der Geschlechtskrankheit vermutet, doch das, so Alfred von der Heide, sei nicht mit Bestimmtheit festgestellt worden. In den letzten Jahren sei seine Ehefrau zunehmend geschwätzig gewesen. Sie habe viel in der Nachbarschaft herumgesessen und den Haushalt vernachlässigt. Zunächst sei ihre Intelligenz so gut wie früher geblieben, doch ab etwa 1940 sei auch diese "schlechter geworden". Als er selbst Militärdienst leisten musste, sei seine Frau ganz gleichgültig gewesen, habe sich um nichts gekümmert und alles laufen lassen.
Bei ihrer Aufnahme in der psychiatrischen Klinik soll sich Luise von der Heide in einem "körperlich recht reduzierten Allgemeinzustand" befunden haben. Sie wurde als "gleichgültig, stumpf, affektflach und dement" wahrgenommen. Zudem soll sie "hochgradige Vergesslichkeit und Intelligenzausfälle" gezeigt haben.
Die durchgeführten Untersuchungen führten zu der Diagnose Taboparalyse. (Taboparalyse ist eine Bezeichnung für die Kombination von Rückenmarksschwindsucht und progressiver Paralyse im Rahmen einer auf das zentrale Nervensystem übergreifenden Syphilis. Diese Erkrankung kann sowohl neurologische als auch psychiatrische Symptome hervorrufen.)
Trotz Malariakur und weiterer medizinischer Maßnahmen wurde angenommen, dass eine vollständige Wiederherstellung der früheren, inzwischen durch den jahrelangen Krankheitsprozess zerstörten Persönlichkeit nicht mehr zu erwarten sei. Bürger-Prinz kam zu dem Ergebnis, dass die Behandlung lediglich das weitere "Fortschreiten des dementativen Prozesses" aufhalten könne. Er hielt es für wahrscheinlich, dass die Pflegebedürftigkeit dauerhaft bestehen bleiben würde.
Über weitere medizinische Bemühungen enthält die Patientenakte keine Angaben. Mit der Bemerkung "Dementativer und vegetativer Abbau" wurde Luise von der Heide am 11. Januar 1943 mit einem Sammeltransport in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn gebracht und von dort am 29. Juni 1943 in einem Transport mit 50 Frauen in die Landes-Heil- und Erziehungsanstalt Hadamar im Kreis Limburg verlegt.
Zu diesem Zeitpunkt war Luise von der Heide immer noch verheiratet. Das Scheidungsurteil wurde am 11. Oktober 1943 rechtskräftig.
Eine kurze Notiz vom Anfang des Jahres 1944 beschrieb Luise von der Heide in Hadamar als regelmäßige Arbeiterin. Am 27. Juni 1944 teilte die Anstalt ihrem Vater mit, dass bei seiner Tochter "ein ganz plötzlicher Verfall eingetreten" sei. "Sie muss dauernd zu Bett liegen und ist unrein. Seit gestern zeigen sich schwere Krampfanfälle. Die Patientin ist benommen. Wegen Herzschwäche ist Lebensgefahr nicht ausgeschlossen."
Luise von der Heide starb am 29. Juni 1944 in Hadamar angeblich an Marasmus und Paralyse.
Die Anstalt in Hadamar war zwischen Januar 1941 und März 1945 (Einmarsch der US-amerikanischen Truppen) keine herkömmliche Heil- und Pflegeanstalt. Von Januar bis August 1941 war Hadamar eine von sechs Tötungsanstalten der "Aktion T4". Danach verloren die Patientinnen und Patienten ihr Leben nicht mehr durch Gas, sondern durch überdosierte Medikamente, gezielte Mangelernährung und unterlassene medizinische Versorgung. Mehr als 14.500 Personen wurden im Rahmen der NS-"Euthanasie" in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Sie waren für die Weiterführung des Krieges als "unnnütz" und zunehmend als "Ballast" gebrandmarkt. Nach der Aufnahme in Hadamar waren die Überlebenschancen verschwindend gering. Nur in Ausnahmefällen überlebten die Menschen länger als ein paar Wochen oder Monate. Ein heute bekanntes Auswahlkriterium für den Zeitpunkt der Tötung der Menschen war ihre noch vorhandene Arbeitsfähigkeit.
Das auf dem Stolperstein angegebene Einweisungsjahr 1942 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn ist nicht korrekt, da die tatsächliche Einweisung erst am 11. Januar 1943 erfolgte.
Stand: August 2025
© Ingo Wille
Quellen: Adressbuch Hamburg (mehrere Jahrgänge);
StaH 332-5 Standesämter 14578 Geburtsregister Nr. 520/1905 (Luise Ella Margot Lorenz),
13701 Heiratsregister Nr. 359/1931 (Alfred von der Heide/ Luise Ella Margot Lorenz),
352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Nr. 30970 (Luise von der Heide). Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 335 ff., 492f.


