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Bereits verlegte Stolpersteine



Sara Thoma (geborene Simon) * 1893

Brauerknechtgraben 53 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
SARA THOMA
GEB. SIMON
JG. 1893
DEPORTIERT 1941
RIGA-JUNGFERNHOF
ERMORDET

Sara Thoma, geb. Simon, geb. 19.8.1893 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof

Brauerknechtgraben 53

Sara Thoma wurde am 19.8.1893 im Pilatuspool 40 in der Hamburger Neustadt als Sara Simon geboren. Auch ihr Vater Jacob Simon (geb. 12.11.1864) kam in Hamburg zur Welt und wurde wie schon der Großvater Nehemias Simon (geb. 24.1.1840, gest. 10.8.1930), als Milchhändler tätig. Die Mutter Johanna/Hanna, geb. Susmann (geb. 20.6.1864), Tochter des Boten Joel Susmann und Sara, geb. Hirsch, stammte aus Elmshorn und hatte den Beruf der Köchin erlernt. Das Ehepaar hatte am 12. November 1890 in Hamburg geheiratet.

Sara war das zweite ihrer fünf Kinder. Der Bruder Max Simon wurde am 15.7.1891 geboren, Siegfried Simon am 5.7.1895 (gestorben am 21. März 1918 als Soldat in Sankt Quentin infolge einer Gasvergiftung), John am 14.1.1898 und Jeanette am 10.12.1899.

1902/1903 gab der Vater Jacob Simon seine Milchhandlung auf, die er zuletzt im Alten Steinweg 57 betrieben hatte. Wahrscheinlich rentierte sie sich nicht mehr. Im Anschluss verzeichnen ihn die Hamburger Adressbücher als "Arbeiter", bis er 1915 eine Tätigkeit als "Kontorbote" fand. 1930 trat Jacob Simon als "Beamter" (die Bezeichnung war damals nicht auf den Staatsdienst beschränkt, hier bedeutete sie, dass er unkündbar war) in die Beerdigungsbrüderschaft der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ein. Daraus lässt sich wohl schließen, dass Familie Simon ein jüdisch-orthodoxes Leben führte. Die Beamten hatten darauf zu achten, dass die Religionsgesetze bei den Bestattungen eingehalten wurden.
Auch der Einzug der Familie 1908 in eine Stiftswohnung im Lazarus-Samson-Cohen-Eheleute und Levy-Hertz-Eheleute-Stift im Neuen Steinweg 78, Hinterhaus Nr. 7 (heute ein Nachkriegsbau, Neuer Steinweg 20) deutete bereits darauf hin, da dort nur Bewerber aufgenommen wurden, die nach jüdischen Ritualgesetzen lebten.

Sara Simon besuchte sicherlich die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße. Eine Berufsausbildung, wie bei ihrer Schwester Jeanette, die als Verkäuferin tätig wurde, ist nicht überliefert. Trotz der orthodoxen Lebensweise heiratete Sara Simon am 23. November 1917 den nichtjüdischen aus einer katholischen Familie in Herzogenweiler in Baden stammenden Schlosser Hugo Thoma (geb. 16.8.1880). Ihr Vater Jacob Simon war einer der Trauzeugen. Die Eltern von Hugo Thoma, Nepomuk und Karoline Thoma, geb. Neugart, die in ihrer Heimat eine Gastwirtschaft betrieben hatten, lebten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Sara und Hugo Thoma wohnten nach der Eheschließung in der Fuhlentwiete 18. 1933 in dem Jahr, in dem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, zog das kinderlose Ehepaar in den Brauerknechtgraben 53, in die dritte Etage.

Am 14. Februar 1938 starb Saras Vater Jacob Simon im Israelitischen Krankenhaus. Im darauffolgenden Jahr, am 3. Juni 1939, dann auch ihr Ehemann Hugo Thoma an einer nicht näher erklärten "innere[n] Ursache". Nach den Begriffen der Nationalsozialisten hatte Sara Thoma in einer "privilegierten Mischehe" gelebt. Mit dem Tod ihres Mannes verlor sie jedoch den Schutz, den ihr ein "arischer" Ehepartner zunächst noch geboten hatte. Ihre Wohnung im Brauerknechtgraben gab sie noch im selben Jahr auf, ob aus finanziellen Gründen, oder gezwungenermaßen, ist nicht überliefert. Sara Thoma zog zu ihrer verwitweten Mutter Hanna Simon in die Stiftswohnung in den Neuen Steinweg zurück.

Zu diesem Zeitpunkt hatten zwei ihrer Geschwister, John Simon und Jeanette, verheiratete Wolfsohn, Deutschland bereits verlassen. Sara Thoma unternahm offenbar bis dahin keinen Versuch, Deutschland zu verlassen und seit Kriegsbeginn am 1. September 1939 reduzierten sich die Zielländer, in die sie hätte flüchten können, vorausgesetzt sie hätte die finanziellen Mittel dafür gehabt.

Im Oktober 1941 begannen die Großtransporte der Hamburger Jüdinnen und Juden in den Osten. Sara Thoma erhielt ihren Deportationsbefehl für den 6. Dezember 1941 nach Riga. Da die "Räumungsaktion", die Erschießung der lettischen Juden im überfüllten Getto Riga durch die SS noch nicht beendet war, wurde der in das nahe bei Riga gelegene, heruntergekommene "Gut Jungfernhof" umgeleitet, wo die Deportierten im strengen Winter in den provisorisch eingerichteten Scheunen und Viehstellen untergebracht wurden. Ob Sara Thoma bis zum Frühjahr überlebte und im März 1942 bei der Auflösung des Lagers während der "Aktion Dünamünde" im Wald von Bikernieki erschossen wurde, oder noch ins Getto Riga überführt wurde, ist nicht überliefert. Sie wurde auf Ende des Jahres 1945 für tot erklärt.

Ihre Mutter Hanna Simon musste nach dem Abtransport von Sara Thoma die Wohnung verlassen. Das ehemaligen Lazarus-Samson-Cohen-Eheleute und Levy-Hertz-Eheleute-Stift im Neuen Steinweg 78, hatte den Nationalsozialisten als sogenanntes Judenhaus und als Sammelstelle für die vorrangegangenen Deportationen in die Gettos nach Lodz und Minsk gedient. Die Hinterhäuser befanden sich zwar noch im Besitz des Jüdischen Religionsverbandes, wie der offizielle Name der Jüdischen Gemeinde nun lautete, mussten aber geräumt werden. Die Vorderhäuser, früher ebenfalls Stiftwohnungen, waren bereits verkauft "und anderweitig besetzt".

Hanna Simon fand Aufnahme bei ihrem Sohn Max Simon im nahegelegenen Hertz-Joseph-Levy-Stift am Großneumarkt 56, dass weiterhin als "Judenhaus" fungierte. Max Simon hatte mit seiner Familie zuvor am Grindelstieg 1 gewohnt. Als langjähriger Angestellter der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) war er 1936 als Jude mit gekürzten Versorgungsbezügen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Als jetziger Mitarbeiter des Jüdischen Religionsverbandes war er mit seiner zweiten Frau Johanna, geb. Rosenbaum (geb. 21.9.1895 in Altona), und ihrem gemeinsamen Sohn Adolf (geb. 25.9.1921) von der Deportationsliste am 6. Dezember 1941 nach Riga wieder gestrichen worden.
Das galt jedoch nicht für seinen ältesten Sohn Herbert Siegbert Simon (geb. 3.8.1915), der aus der ersten Ehe mit der am 25. April 1918 verstorbenen Lola Laetitia Simon, geb. von Halle (geb. 8.10.1893) stammte.
Herbert Siegbert Simon, seine Frau Betty/Bertha, geb. Levy (geb. 15.2.1913 in Berlin), und Sohn Uri (geb. 14.7.1940) wohnhaft im Grindelstieg 4, mussten sich am Tage vor ihrer Deportation an der Sammelstelle im Logenhaus an der Moorweide einfinden. Am 6. Dezember 1941 wurden sie mit weiteren 753 Personen vom Hannoverschen Bahnhof (heute Lohsepark, HafenCity) nach Riga geschickt.

Der nächste aus der Familie, der seinen Evakuierungsbefehl erhielt, war Max Simon’ jüngster Sohn Adolf Simon. Einen Tag vor seinem Abtransport am 10. Juni 1942 heiratete er die Krankenschwester Gerda Schwarz, (geb. 18.8.1919 in Wien). Gerda war nach der Volkszählung im Mai 1939 noch in Breslau (heute Wroclaw/ Polen) im Israelitischen Krankenhaus in der Hohenzollernstraße 96 gemeldet. Auf der Deportationsliste steht sie mit der Berufsbezeichnung "Schwester" und der Adresse Schlachterstraße 40/42, wo sie vermutlich im Jüdischen Altenheim, ebenfalls als "Judenhaus" genutzt, arbeitete. Für Adolf Simon, der eine Ausbildung zum Elektrotechniker absolviert hatte, wurde als Beruf "Packer" angegeben, wahrscheinlich musste er Zwangsarbeit in einer Fabrik leisten. Adolf und Gerda Simon wurden am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Der Vater Max Simon wurde mit seiner Frau Johanna und seiner Mutter Hanna Simon, am 19. Juli 1942 in das "Altersgetto", auch "Vorzugsgetto" genannt, nach Theresienstadt deportiert. Dort starb Hanna Simon am 8. Februar 1944. Max Simon wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert, Johanna Simon folgte am 4. Oktober 1944. Auch sie haben nicht überlebt.

Max Simon’ ältester Sohn Herbert Siegbert Simon überlebte das Getto Riga und das KZ Stutthof, das Arbeitslager Bochumer Eisen- und Hüttenwerke AG (Außenlager von Buchenwald) und das KZ Buchenwald. Seine Frau Betty Simon und Sohn Uri gehörten zu den Jüdinnen und Juden, die am 26. März 1942 im Wald von Bikernieki erschossen wurden.
Herbert Siegbert Simon kehrte 1945 nach seiner Befreiung nach Hamburg zurück, gründete noch einmal eine Familie und wanderte 1950 in die USA aus. Er verstarb am 11. September 1983 in New York. 1987 hinterlegte seine zweite Frau Hildegard Simon, geb. Löb, (geb. 6.3.1923), ein Gedenkblatt für Betty und Uri Simon in Yad Vashem, der Gedenkstätte in Israel.

Wie erwähnt, waren zwei Geschwister von Sara Thoma emigriert: Der jüngste Bruder John Simon hatte 1926 Helene/Leni Freundlich (geb. 14.8.1899, gest. 11.9.1991 USA) geheiratet. Das Ehepaar hatte mit seinem Sohn Hugo (geb. 18.1.1922) in der Schlankreye 73 und zuletzt wieder im Neuen Steinweg 78 gewohnt. John Simon war als "Beamter" im Tempelverband der Jüdischen Gemeinde und als Inspektor der Neuen Beerdigungsgesellschaft beschäftigt gewesen. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 war er verhaftet worden. Nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen war es ihm mit seiner Familie am 22. Dezember 1938 gelungen, nach Shanghai zu emigrieren. Im April 1939 hatte er in Dairen (heute Dalian)/ Kwantung Mandschukuo, eine Beschäftigung in einer Bonbonfabrik gefunden, wo er chinesische Arbeiter beaufsichtigte. John Simon starb am 9. Dezember 1945 in Dairen nach einer Operation wegen eines Leberabszesses.

Auch der jüngeren Schwester Jeanette Wolfson, seit 1927 mit dem kaufmännischen Angestellten Fritz Wolfson (geb. 3.12.1901 in Strelitz/ Alt Mecklenburg, gest. 28.4.1977 USA) verheiratet, war die Flucht nach Shanghai, gelungen, für das kein Visum zur Einreise verlangt wurde. Fritz Wolfson war ähnlich wie sein Schwager John Simon als Gemeindeangestellter bei der Israelitischen Beerdigungsbrüderschaft tätig. Am 19. Juni 1938 war er verhaftet worden, vermutlich im Rahmen der "Aktion Arbeitsscheu Reich" (auch "Juni-Aktion" genannt), bei der auch Juden erfasst worden waren, denen in der Vergangenheit Bagatelldelikte angelastet worden waren. Nach seiner Entlassung am 24. Dezember 1938 aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen emigrierten Jeanette und Fritz Wolfson mit ihrer Tochter Renate (geb. 24.5.1929, gest. 6.11.2017) im März 1939 nach Shanghai. Ihre letzte Unterkunft in Hamburg hatten sie in der Pension von Louise Simon in der Peterstraße 33 (siehe Louise Simon www.stolpersteine-hamburg.de) gefunden. Jeanette Wolfson starb am 6. Oktober 1992 in St. Louis, Missouri, USA.

Zur Erinnerung an Max und Johanna Simon, ihren Sohn Adolf Simon und Schwiegertochter Gerda Simon wurden Stolpersteine in der Grindelallee 46 verlegt. Der Grindelstieg wurde in der Nachkriegszeit überbaut und existiert heute nicht mehr.

Stand: September 2025
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 3; StaH 332-5 Standesämter 2763 u 1251/1890; StaH 332-5 Standesämter 1103 u 311/1891; StaH 332-5 Standesämter 2258 u 3028/1891; StaH 332-5 Standesämter 2316 u 3107/1893; StaH 332-5 Standesämter 2373 u 2342/1895; StaH 332-5 Standesämter 6290 u 2855/1895; StaH 332-5 Standesämter 13174 u 2577/1899; StaH 332-5 Standesämter 13176 u 3918/1899; StaH 332-5 Standesämter 3267 u 266/1915; StaH 332-5 Standesämter 3302 u 432/1917; StaH 332-5 Standesämter 787 u 492/1918; StaH 332-5 Standesämter 8743 u 858/1920; StaH 332-5 Standesämter 1105 u 246/1939; StaH 351-11_942 (Simon, Johanna); StaH 351-11_40465 Teil 1 (Simon, Herbert Siegbert); 351-11_40465 Teil 2 (Simon, Herbert Siegbert); StaH 351-11 AfW 33935 (Lissauer-Wulf, Irma); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; ancestry: Sterbeurkunde Nehemias Simon am 10.8.1930, Urkunden-Nr. 406; Sterbeurkunde Julie Simon am 27.6.1902, Urkunden-Nr. 948; Sterbeurkunde Lola Laetitia Simon, geb. von Halle am 25.4.1918, Urkunden-Nr. 948; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Uri Simon (Gedenkblatt) (Zugriff 9.12.2018); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Bertha Simon (Gedenkblatt) (Zugriff 9.12.2018); Auskunft von Sarah Kopelman-Noyes, United States Holocaust Memorial Museum Washington/USA, E-Mail vom 9.12.2018; diverse Hamburger Adressbücher; https://todesortriga.lv/card/herbert-siegbert-simon/ 3/2240 Archiv, Auszug aus der Aussage des Herbert Siegbert Simon, S. 66; https://www.dasjuedischehamburg.de/inhalt/deportationen (Zugriff 9.12.2018); https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_411206.html (Zugriff 9.12.2018).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe "Recherche und Quellen".

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