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James Wiener * 1873
Isestraße 80 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
JAMES WIENER
JG. 1873
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.12.1942
further stumbling stones in Isestraße 80:
Alfred Beer, James Lewie, Clara Wiener
James Wiener, geb. 24.7.1873 in Altona, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt
Isestraße 80 (Harvestehude)
Da von James Wiener keine Akten und nur sehr wenige Einzeldokumente in den Archiven aufzufinden sind, können wir sein Leben nur mit wenigen biografischen Angaben nachzeichnen.
James Wiener wurde 1873 in Hamburgs noch preußischer Nachbarstadt Altona geboren. Seine Eltern, beide jüdisch, waren der in Altona geborene Nathan Wiener (1828-1914) und die aus Hamburg stammende Sophie Wiener, geb. Braunschweiger (1836-1901), Tochter des Schuhmachers Meyer Braunschweiger. James‘ Geschwister waren teils deutlich älter als er: Meyer (Martin) Wiener (geb. 25.5.1860 Altona) 13 Jahre und Bertha Wiener (geb. 8.12.1868 in Altona) fünf Jahre.
Den Adressbucheinträgen ist zu entnehmen, dass James Wiener seine ersten zwölf Lebensjahre in Altona-Altstadt in der Großen Mühlenstraße (heute Amundsenstraße) verbrachte. Nur wenige Schritte entfernt lagen die Synagoge in der Kleinen Papagoyenstraße und die Israelitische Gemeindeschule in der Grünestraße 5, die James vermutlich besuchte.
Die Familie zog im Oktober 1885 rund 2 km weiter östlich über die Landesgrenze nach Hamburg und wohnte dort in der Neustadt in der Wexstraße 28 (1885-1898) und der Wexstraße 16 (1898-1900). Der Vater war als selbständiger Kaufmann in der Firma "N. Wiener Manufacturwarenhandlung" tätig. Um welche manuell produzierten Waren es sich handelte, ließ sich auch anhand des Branchenverzeichnisses im Adressbuch nicht ermitteln. Im Altonaer Mercur vom 30. Mai 1869 war eine kurze amtliche Bekanntmachung des Amtsgerichts Altona abgedruckt: "Zufolge Verfügung vom 27. des Monats ist heute in unser Firmen Register unter No. 857 eingetragen: der Kaufmann Nathan Wiener zu Altona. Ort der Niederlassung: Altona. Firma: N. Nathan."
Auch Sohn James wurde Kaufmann.
1900/1901 lebten die Eltern von James Wiener kurzzeitig am Großneumarkt 53; zuletzt wohnte der verwitwete Vater Nathan Wiener in der Heinrich-Barth-Straße 3 Parterre im Stadtteil Rotherbaum zur Untermiete bei dem Koch Samuel Lazarus (1860-1931) und dessen Ehefrau Caroline Lazarus, geb. Kohn (geb. 1864 in Ungarn), die im Erdgeschoss ein "Kochinstitut" betrieb.
Im Dezember 1898 heiratete James Wiener die fünf Jahre jüngere Clara Grünthal (geb. 6.4.1878 in Hamburg), Trauzeugen bei der standesamtlichen Hochzeit waren die Väter der Brautleute.
Die beiden Kinder des jungen Paares, Max J. Wiener (geb. 22.2.1900) und Siegfried Wiener (4.4.1905), kamen in Hamburg zur Welt.
Möglicherweise handelte James Wiener vor dem Ersten Weltkrieg mit Getreide- und Mühlenfabrikaten (1899) bzw. besaß eine Kleie-Grosshandlung (1906) – dies lassen Adressbucheinträge vermuten. 1903 erwarb er das Hamburger Bürgerrecht. Im Hamburger Adressbuch wurde er 1917 und 1918 als Geschäftsführer notiert, 1919 lautete seine Berufsangabe Disponent. Im Juni 1919 eröffnete er die Ledergroßhandlung James Wiener & Co., wie dies sein Schwager Gustav Grünthal bereits 1901 mit einem Partner getan hatte.
An der Kommanditgesellschaft von James Wiener war Kaufmann Abraham Jacob Abrahamssohn (1867-1922) als Compagnon (Partner) mit einer Kapitaleinlage von 25.000 Reichsmark beteiligt. Nach dessen Tod in der Zeit der Inflation übernahm die Witwe seine Kommanditisten-Anteile. Durch die Inflation verloren sie aber ihren Wert. 1926 wurde ein Konkurs mangels Masse vom Amtsgericht abgelehnt, d.h. auch das Privatvermögen von James Wiener reichte nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu begleichen. Auch Ende der 1920er Jahre lief das Geschäft schlecht, 1930 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht.
Die Wohnadressen von James und Clara Wiener lassen sich nur lückenhaft rekonstruieren, da die Hamburger Einwohnermeldeunterlagen 1943 verbrannten und James Wiener in den Adressbüchern nach der Eheschließung nicht mit seinem vollen Vornamen abgedruckt wurde. 1909 lebten sie in der Weidenallee 69 (Eimsbüttel), das Mietshaus gehörte der Schwiegermutter und weiteren Angehörigen der Grünthal-Familie. Für beantragte Reisepässe zur Nutzung im Inland wurde 1916 bis 1926 für ihn die Wohnadresse Weidenallee 25 IV. Stock notiert. Auch 1931 wurde diese Adresse im Hamburger Telefonbuch angegeben. Ab 1934 wohnte Familie Wiener in der Isestraße 80.
Kurz nacheinander starben seine Schwester Bertha Gosschalk mit 51 Jahren (1920) und sein Bruder Martin Wiener mit 61 Jahren (1922). Die Schwester wurde auf dem Jüdischen Friedhof Hamburg-Ohlsdorf beerdigt.
Aus den 1920er/ 1930er Jahren existieren keine Dokumente oder Schilderungen über James und Clara Wiener oder ihre mittlerweile erwachsenen Kinder. Mit dem Beginn des NS-Regimes begann für den jüdischen Kaufmann James Wiener eine Abfolge aus staatlicher Behinderung, Boykott und Schmähungen. Mit "Arierparagraphen" wurden in Vereinen, Verbänden und Verwaltungen Jüdinnen und Juden ausgeschlossen. Per Gesetz wurde zwischen "arischen" Vollbürgern und "Nichtariern" ohne gesellschaftliche Rechte im Deutschen Reich unterschieden. Welche Maßnahmen im Einzelnen das Ehepaar trafen, wissen wir nicht.
Ab September 1938 musste der Sohn Siegfried Wiener eine Zuchthausstrafe wegen "Rassenschande" in Bremen und Celle absitzen. Sein Vater James Wiener reichte ab Dezember 1939 Unterlagen für seine Ausreise bei der Devisenstelle ein, zuerst für Chile und später für Palästina. James und Clara Wiener hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten, ihren Sohn bei der Ausreise zu unterstützen. Die Jüdische Gemeinde half in dieser Situation. Am 10. Dezember 1940 stellte die "Kommission für das Fürsorgewesen des Jüdischen Religionsverbandes Hamburg" in der Beneckestraße 2 aus ihren Beständen Kleidungsstücke, ein Paar Schuhe und einen Koffer für die Ausreise von Siegfried Wiener zur Verfügung, der so als einziger der Familie überlebte.
Ihrer Schwiegertochter Frieda Wiener, die im Dezember 1931 ihren Sohn Max J. Wiener geheiratet hatte, halfen sie nach dessen Emigration so gut es ging. Auf Friedas Kultussteuerkartei war vermerkt: "wird von Schwiegereltern unterhalten, 5.12.40". Doch das Schuhreparaturgeschäft von Max und Frieda Wiener konnte durch die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben", die ab 1. Januar 1939 galt, nicht mehr betrieben werden.
Anscheinend verdiente sich der mittlerweile im Rentenalter befindliche James Wiener durch Schreibarbeiten für Ausreisewillige etwas Geld hinzu. So erstellte er noch am 28. Oktober 1941 als Bevollmächtigter für Constanze Mathiason ein "Umzugsgutverzeichnis" und füllte den "Fragebogen für die Versendung von Umzugsgut" aus. Ein aktualisierter "Fragebogen für Auswanderer" mit dem Ausreiseziel fehlte in der Akte aber ebenso wie eine Reaktion der Devisenstelle. Drei Tage zuvor hatte der erste Deportationszug Hamburg verlassen, zeitgleich mit dem Auswanderungsverbot für Jüdinnen und Juden.
James und Clara Wiener waren als über 65jährige von den ersten Deportationen noch zurückgestellt. Sie wurden am 15. Juli 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert, wo James Wiener am 25. Dezember 1942 an den Lagerbedingungen starb.
Clara Wiener wurde am 15. April 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert und ermordet.
Ihr Sohn Max J. Wiener war im November 1938 ins KZ Sachsenhausen verschleppt und mit der Verpflichtung entlassen worden, Deutschland schnellstmöglich zu verlassen. Er emigrierte im Juli 1939 allein nach Antwerpen/ Belgien. Nach der Okkupation Belgiens durch die deutsche Wehrmacht wurde er nach Frankreich deportiert und ab Mai 1940 in den Lagern Saint Cyprien und Drancy interniert. Am 12. August 1942 wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Seine Ehefrau Frieda Wiener wurde von Hamburg aus am 11. Juli 1942 zusammen mit dem achtjährigen Sohn ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. An Max J. Wiener, seine Ehefrau Frieda Wiener, geb. Cohen (geb. 20.6.1903 in Hamburg) und ihren Sohn John Max Wiener (geb. 10.12.1933 in Hamburg) erinnern Stolpersteine vor dem Haus in der Isestraße 92.
Seine Nichte Hilda Gutmann, geb. Wiener, geschiedene Sielcer (geb. 3.10.1892 in Hamburg) wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Lodz deportiert, wo sie am 17. Februar 1942 starb. An sie erinnert ein Stolperstein vor dem Haus Grindelhof 9.
© Björn Eggert
Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 231-7 (Handelsregister), A1 Bd. 88 (James Wiener & Co., A 21276); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 8356 (Siegfried Wiener); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 7509 (Karoline Lazarus geb. Kohn mit Tochter Emmy Asbahr); 332-5 (Standesämter), 2817 u. 1525/1893 (Heiratsregister 1893, Lazarus Gosschalk u. Bertha Wiener); StaH 332-5 (Standesämter), 8591 u. 577/1898 (Heiratsregister 1898, James Wiener u. Clara Grünthal); StaH 332-5 (Standesämter), 485 u. 232/1901 (Sterberegister 1901, Sophie Wiener); StaH 332-5 (Standesämter), 8625 u. 750/1903 (Heiratsregister 1903, Abraham Jacob Abrahamssohn u. Agathe Norden); StaH 332-5 (Standesämter), 705 u. 631/1914 (Sterberegister 1914, Nathan Wiener); StaH 332-5 (Standesämter), 748 u. 180/1916 (Sterberegister 1916, Lazarus Gosschalk); StaH 332-5 (Standesämter), 826 u. 699/1920 (Sterberegister 1920, Bertha Gosschalk geb. Wiener); StaH 332-5 (Standesämter), 855 u. 211/1922 (Sterberegister 1922, Meyer Wiener); StaH 332-5 (Standesämter), 8107 u. 49/1931 (Sterberegister 1931, Samuel Lazarus); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 15 (Bürger-Register 1899-1905 Q-Z, James Wiener am 4.5.1903 Hamburger Bürger E I 503); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei Hamburg 1892-1925, Rollfilm K 7169 (Nathan Wiener, Meyer Wiener); StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Bd. 137 (Reisepassprotokoll 6665/1916, James Wiener); StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Bd. 155 (Reisepassprotokoll 10954/1917, James Wiener); StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Bd. 176 (Reisepassprotokoll 17322/1918, James Wiener); StaH 332-8 (Meldewesen), A 24 Bd. 340 (Reisepassprotokoll 15432/1926, James Wiener); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 27542 (Frieda Wiener geb. Cohen); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), James Wiener, Max James Wiener, Frieda Wiener geb. Cohen, Witwe Lazarus Gosschalk (= Bertha Gosschalk geb. Wiener); StaH 741-4 (Fotoarchiv), A 264 (Mikrofilm von 242-1 II), Siegfried Wiener Untersuchungshaft 1938; Bundesarchiv Berlin, R 1509 (Reichssippenamt), Volks-, Berufs-, u. Betriebszählung am 17. Mai 1939 (James Wiener und Clara Wiener, Hamburg, Isestr. 80; Frieda Wiener geb. Cohen u. John M. Wiener, Hamburg, Isestr. 92); Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberverzeichnis (Witwe Bertha Gosschalk geb. Wiener, Bundesstr. 35, gestorben 29.12.1920, Grablage ZY 11 Nr. 532); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (James Wiener & Co., A 21276); Hamburger Börsenfirmen, 1926, S. 1113 (James Wiener & Co. KG, gegr. 1919, Leder-Großhandlung, Kielerstr. 25); Altonaer Mercur, 30.5.1869 (Kaufmann Nathan Wiener in Firma N. Wiener); Hamburger Echo 1.11.1893 (Aufgebote Standesamt Nr. 2: Lazarus Gosschalk u. Bertha Wiener); Altonaer Adressbuch (Nathan Wiener) 1867-1877, 1880-1882, 1885; Hamburger Adressbuch (N. Wiener, Wexstr. 16) 1900, 1901; Hamburger Adressbuch (J. Wiener, Weidenallee 25), 1917-1919; Telefonbuch Hamburg 1920 (James Wiener & Co, Ledergroßhdlg., Kieler Str. 25); Hamburger Telefonbuch 1931 (James Wiener, Lederhdlr, Weidenallee 25); Telefonbuch Hamburg 1939 (James Wiener, Vertr. in Leder, Isestr. 80); https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch (James Wiener, Clara Wiener geb. Grünthal, Max J. Wiener, Frieda Wiener geb. Cohen, John M. Wiener); www.stolpersteine-hamburg.de (Clara Wiener geb. Grünthal, Hilda Gutmann geb. Wiener, Constanze Mathiason, Martha Nathansen).