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Franziska Sarfaty (geborene Weening) * 1903
Innocentiastraße 37 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
FRANZISKA
SARFATY
GEB. WEENING
JG. 1903
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 27.8.1943
Weitere Stolpersteine in Innocentiastraße 37:
Prof. Friedrich Adler, Zerline Adler, Kaethe (Käte) Pincus, Martin Pincus, Abraham Sarfaty, Joseph Sarfaty, Rosa Sarfaty, Israel Abraham Sarfaty, Annette Sarfaty, Ruth Klara Sarfaty, Benjamin Sarfaty, Henriette M. Schmid, Fritz Weinstein, Gertrud Weinstein
Abraham Sarfaty (Sarfatij), geb. 17.11.1899 in Amsterdam, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Franziska (Franzisca) Sarfaty (Sarfatij), geb. Weening, geb. 30.1.1903 in Amsterdam, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Joseph Sarfaty (Sarfatij), geb. 26.12.1926 in Hamburg, Flucht 1938 in die Niederlande, interniert im "Kamp Westerbork", deportiert 18.5.1943 nach Sobibor, ermordet 21.5.1943
Rosa Sarfaty (Sarfatij), geb. 30.9.1930 in Hamburg, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Israel Abraham Sarfaty (Sarfatij), geb. 31.7.1932 in Hamburg, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Annete (Anette) Sarfaty (Sarfatij), geb. 12.6.1935 in Hamburg, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Benjamin Sarfaty (Sarfatij), geb. 29.10.1937 in Hamburg, Flucht 1938 aus Hamburg in die Niederlande, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Ruth Klara Sarfaty (Sarfatij), geb. 10.7.1940 in Amsterdam, am 24.7.1943 interniert im "Kamp Westerbork", am 24.8.1943 deportiert nach Auschwitz, ermordet am 27.8.1943
Innocentiastraße 37 (Eimsbüttel)
Der am 17. November 1899 in Amsterdam geborene Abraham Sarfaty (Sarfatij) lebte seit März 1923 in Hamburg. Er übte den Beruf des Kantors (Vorbeter oder Vorsänger) an der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde zu Hamburg aus.
Die Synagoge der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde befand sich seit 1855 in der Marcusstraße 36/38 (heute Markusstraße) in der Hamburger Neustadt. Ihre Mitgliederzahl war nach der Mitte des 19. Jahrhunderts auf weit unter 300 zurückgegangen, die Gemeinde drohte zu überaltern. Deshalb wurden neue sephardische Mitglieder aus Dänemark, Portugal, Marokko, aus mittel- und südamerikanischen Ländern sowie aus dem benachbarten Holland angeworben. Die seit langem bestehenden Beziehungen zu sephardischen Gemeinden in den Niederlanden mögen dazu beigetragen haben, dass Abraham Sarfaty und seine Ehefrau Franziska, geborene Weening, geboren am 30. Januar 1903 in Amsterdam, im Frühjahr 1923 dem Ruf nach Hamburg folgten.
Das Ehepaar Sarfaty wohnte in der Straße Hütten 86, nur fünf Gehminuten von der Synagoge in der Marcusstraße entfernt. Hier kamen ihre Kinder Joseph am 26. Dezember 1926 und Rosa am 30. September 1930 zur Welt.
Etwa 1931 zog die Familie von der Neustadt in die Brahmsallee 6 im Grindelviertel, das mehr und mehr zum Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg geworden war. Die Familie nahm wieder einen Wohnsitz in der Nachbarschaft einer Einrichtung der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde. In dem Wohnhaus Hallerstraße 45 befand sich schon länger eine Synagoge, die während der kalten Jahreszeit genutzt wurde.
Als Mitte der 1930er Jahre kaum noch Gemeindemitglieder in der Neustadt wohnten, erwiesen sich die Unterhaltskosten für die Synagoge in der Marcusstraße für die nur noch etwa 150 Mitglieder zählende Gemeinschaft als zu hoch. Der Gemeindevorstand vermietete die Synagoge an die Deutsch-Israelitische Gemeinde. Eine neue Synagoge wurde in einer gemieteten Villa in der Innocentiastaße 37 eingerichtet und am 14. März 1935 eingeweiht. Sie diente der kleinen Gemeinde bis 1939 als religiöse Heimstatt.
Dorthin verlegten auch Abraham Sarfaty und seine Familie ihren Wohnsitz. Zu den in der Neustadt geborenen Kindern kamen drei weitere hinzu: Israel Sarfaty, geboren am 31. Juli 1932, Annete Sarfaty, geboren am 12. Juni 1935 und Israel Benjamin Sarfaty, geboren am 29. Oktober 1937.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fand in Deutschland ein reichsweiter Pogrom statt. Organisierte Schlägertruppen setzten jüdische Geschäftshäuser, Gotteshäuser und andere Einrichtungen in Brand. Tausende Jüdinnen und Juden wurden misshandelt, verhaftet oder getötet. Schon vorher hatte der nationalsozialistische Staat immer weiter ausgreifende diskriminierende Maßnahmen gegen jüdische Menschen ergriffen. Schon diese für Jüdinnen und Juden fortgesetzte Eskalation wird in der Familie Sarfaty zur ernsthaften Erwägung einer Rückkehr in ihre niederländische Heimat geführt haben. Tatsächlich flüchtete die Familie am 10. November 1938 nach Amsterdam. Der Entschluss dürfte jählings durch den Novemberpogrom gefasst worden sein, denn die Portugiesisch-Jüdische Gemeinde meldete der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten am 12. Dezember 1938, dass Abraham Sarfaty noch Zahlungsverpflichtungen für Kolonialwaren, Obst, Gemüse, Brotwaren, Kaffee, Tee, Milch, Butter und Wäscheeinkäufe im Umfang von 551,50 RM hinterlassen hatte, die mit seinen offenen Gehaltsansprüchen ausgeglichen werden sollten.
Über das Leben der Familie Sarfaty in den Jahren nach der Flucht in die Niederlande wissen wir nur, dass am 10. Juli 1940 in Amsterdam ein weiteres Kind, Ruth Klara Sarfaty, zur Welt kam.
Am 10. Mai 1940 hatte die deutsche Wehrmacht die Niederlande überfallen und das Königreich besetzt. Schon vorher war das "Zentrale Flüchtlingslager Westerbork" von der niederländischen Regierung als Auffanglager für Juden insbesondere aus Deutschland und Österreich eingerichtet worden. Nun übernahmen die Deutschen das Lager und machten daraus das "Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork".
Am 24. Juli 1943 wurde die gesamte Familie Sarfaty in Westerbork interniert, der älteste Sohn Joseph bereits am 20. April 1943. Er wurde am 18. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor im Osten Polens deportiert und dort ermordet. Alle anderen mussten die Reise in den Tod am 24. August 1943 antreten. Sie wurden am 27. August 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet.
Stand: Oktober 2024
© Ingo Wille
Quellen: Hamburg Adress- und Telefonbücher 1924 bis 1938, StaH 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 3052 (Abraham Sarfatiy); Auskunft per email des Herinneringscentrum Kamp Westerbork vom 4. Juli 2022. Stein, Irmgard: Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hamburg 1984, S. 43. Ina Lorenz und Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/1939, Bd. I, S: 425 ff.