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Bereits verlegte Stolpersteine



Bertha Weber * 1910

Prätoriusweg 5 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)


HIER WOHNTE
BERTHA WEBER
JG. 1910
EINGEWIESEN 1935
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 28.7.1941
HEILANSTALT LANGENHORN
27.11.1941 ‚HEILANSTALT‘
TIEGENHOF / GNIEZNO
ERMORDET 26.12.1941

Berta Weber, geb. 24.7.1910 in Altona, aufgenommen am 8.4.1935 in den "Alsterdorfer Anstalten" (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf), verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn" am 28.7.1941, weiterverlegt in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" (Dziekanka) bei Gnesen (Gniezno, Polen) am 27.11.1941, ermordet am 26.12.1941

Prätoriusweg 5

Berta Martha Magdalena (Rufname Berta) Weber wurde am 24. Juli 1910 als drittes von fünf Schwestern in der damals noch selbstständigen preußischen Stadt Altona (heute Hamburg) geboren. Ihre Eltern, der katholische Arbeiter Emil Weber, geboren am 16. Februar 1885 in Schweimheim (Bezirk Unterelsass, heute Schwenheim, Frankreich) und die evangelische Arbeiterin Clara Christina Pauline Reese, geboren am 15. August 1881 in Altona, heirateten am 3. September 1910. Der leibliche Vater erkannte Berta am 10. Dezember 1910 vor dem Altonaer Standesbeamten als sein Kind an. Damit galt Berta als ehelich und trug von nun an den Nachnamen Weber.

Auch Berta Webers ältere Schwestern Lilly, geboren am 16. Januar 1904, und Hilma, geboren am 7. März 1906, beide geboren in Altona, trugen zunächst den Nachnamen Reese ihrer damals noch unverheirateten Mutter. Emil Weber erkannte auch sie als eheliche Kinder an. Bertas jüngere Schwestern Ella Elfriede Hedwig, geboren am 10. September 1911, und Klara, geboren 1919, kamen während der Ehe ihrer Eltern zur Welt.

Die Familie nahm ihren ersten Wohnsitz in der Kleinen Gärtnerstraße 47 (heute Stresemanstraße) in Altona. Sie zog 1919 nach Hamburg-Eimsbüttel und wohnte fortan im Prätoriusweg 5. Emil Weber war dem Hamburger Adressbuch zufolge als Schiffbauer, dann als Badewärter tätig.

Näheres über Berta Webers Schwestern ist ebensowenig bekannt wie über ihre Kindheit und Jugend. Berta wurde am 8. April 1935 in den damaligen "Alsterdorfer Anstalten" (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Dies ergibt sich aus dem Aufnahmebuch der "Alsterdorfer Anstalten" und aus einer sog. Erbgesundheitskarteikarte (Sippschaftstafel), die für das ab 1934 aufgebaute Hamburger Gesundheitspassarchiv zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandsaufnahme" der Bevölkerung angelegt wurde. Berta Webers Patientenakte existiert nicht mehr.

Nach den wenigen Eintragungen auf der Karteikarte war Berta Weber durch das Down Syndrom beeinträchtigt, das damals abwertend als "mongoloide Idiotie" bezeichnet wurde. Zudem soll sie an den Folgen einer Gehirnhautentzündung gelitten haben. Angeblich war sie dadurch in allem verlangsamt und machte einen "trägen und schläfrigen Eindruck". Ihre Sprache sei undeutlich gewesen. Sie habe sich nicht beschäftigen können und auch kein Interesse an ihrer Umgebung gezeigt.

Am 28. und 31. Juli 1941 wurden mindestens 50 Männer und 20 Frauen aus den Alsterdorfer Anstalten in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" überführt, unter ihnen am 28. Juli 1941 auch Berta Weber.

Aus der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" gingen in kurzer Folge am 14. November 1941, am 20. November 1941 und am 27. November 1941 drei Krankentransporte in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" bei Gnesen (Dziekanka, Gniezno) ab. Dem letzten dieser Transporte gehörten fast nur die aus Alsterdorf stammenden Frauen und Männern an, so auch Berta Weber

Diese Transporte, die überwiegend aus besonders schwachen und nicht arbeitsfähigen Menschen bestanden, waren auf der Grundlage von Meldebögen der Anstalten an die Euthanasie-Zentrale in der Tiergartenstraße 4 in Berlin zusammengestellt worden.

Die in den 1890er Jahren knapp zweieinhalb Kilometer von Gnesen und etwa 50 Kilometer von Posen entfernt errichtete psychiatrische Heilanstalt erhielt nach dem Übergang des Gebietes an den wieder erstandenen Staat Polen den Namen "Dziekanka". Sie gehörte zu den psychiatrischen Einrichtungen mit den niedrigsten Sterblichkeitsziffern weltweit. Nach der Besetzung der Anstalt durch die deutsche Wehrmacht im Oktober 1939 hieß sie "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" und wurde in das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten einbezogen. Michael Wunder spricht in dem Buch "Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr" von 1.172 im Tiegenhof ermordeten Patientinnen und Patienten allein für die Zeit vom 7. Dezember 1939 bis 12. Januar 1940. Nach dem offiziellen Stopp der "Euthanasie"-Morde mit Gas im August 1941 wurde, wie in anderen Anstalten im besetzten Polen, die staatlich organisierte Tötung von Menschen mit Behinderungen und psychischer Erkrankung durch Hungerrationen und überdosierte Medikamente fortgesetzt, auch in der "Gau-Heilanstalt Tiegenhof".
Insgesamt wurden aus der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" zwischen dem 26. September und dem 27. November 1941 in mehreren Transporten mehr als 200 Menschen in die "Gauheilanstalt Tiegenhof" abtransportiert. In dem "Hamburger Gedenkbuch Euthanasie" lassen sich 206 Personen nachweisen.

Fast alle Frauen und Männer des Hamburger Transports kamen durch Verhungernlassen und/oder Verabreichung von überdosierten Medikamenten wie Luminal, Skopolamin und Chloralhydrat ums Leben. Berta Weber starb am 26. Dezember 1941 mit Sicherheit keines natürlichen Todes.

Auf dem Stolperstein zur Erinnerung an Berta Weber wurde ihr Vorname wie in allen behördlichen Dokumenten "Bertha" geschrieben. Ihr Geburtsregistereintrag enthält jedoch die Schreibweise "Berta". Deshalb wurde ihr (Ruf-) Vorname hier ohne "h" geschrieben.

Stand: Juni 2025
© Ingo Wille

Quellen: Adressbücher Hamburg und Altona mehrere Jahrgänge; StaH 332-5 Standesämter 6211 Geburtsregister Nr. 1267/1880 (Maria Anna Caroline Reese), 6231 Geburtsregister Nr. 1574/1884 (Carl Christian August Reese), 6249 Geburtsregister Nr. 2589/1887 (Georgine Josephine Wilhelmine Reese), 6274 Geburtsregister Nr. 763/1892 (Georg Heinrich Wilhelm Reese), 114054 Geburtsregister Nr. 1790/1910 (Berta Martha Madalena Reese), 114299 Geburtsregister Nr. 1800/1911 (Ella Elfriede Hedwig Weber), 5897 Heiratsregister Nr. 1126/1886 (Carl Christian Ernst Reese/Permilla Svensdotter); Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv, Erbgesundheitskarteikarte Bertha Weber. Zdzisław Jaroszewski (Hrsg.), Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945, Warschau 1993, S. 86-102. Enno Schwanke, Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof – Die nationalsozialistische Euthanasie in Polen während des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/M. 2025. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 269 ff. Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 75, 288, 490.

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