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Ernst Marten * 1908
Wandsbeker Chaussee 277 (Wandsbek, Eilbek)
HIER WOHNTE
ERNST MARTEN
JG. 1908
EINGEWIESEN 1920
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 28.7.1941
HEILANSTALT LANGENHORN
27.11.1941 ‚HEILANSTALT‘
TIEGENHOF / GNIEZNO
ERMORDET 8.4.1942
Ernst Karl Joachim Marten, geb. 30.8.1908 in Hamburg, am 30.4.1920 aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute evangelische Stiftung Alsterdorf), am 28.7.1941 in die "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn und am 27.11.1941 in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" (polnisch Dziekanka) bei Gnesen (polnisch Gniezno) verlegt, dort verstorben am 8.4.1942
Wandsbeker Chaussee 277 (Eilbek)
Ernst Karl Joachim (Rufname Ernst) Marten wurde am 30. August 1908 in der Wohnung seiner Mutter, der unverheirateten Arbeiterin Sofia Dorothea Köhler (geboren am 28. Juli 1882 in Hamburg), in der Straße Rossberg 5 in Hamburg-Eilbek geboren. Er trug zunächst den Namen seiner Mutter, bis sein leiblicher Vater, der Kutscher Ernst Detlof Siegmund Max Marten, und seine Mutter am 15. März 1910 in Hamburg die Ehe schlossen. An diesem Tag erklärte Ernst Marten sen. Ernst Marten jun. zu seinem Sohn, der dadurch den Status eines ehelichen Kindes und den Nachnamen Marten erhielt. Sein Vater, von Beruf Steinschleifer, war am 12. Dezember 1887 in Ludwigslust geboren und lebte zur Zeit der Eheschließung auch noch dort. Das Ehepaar Marten ließ sich mit seinem Sohn nach der Heirat in der Wandsbeker Chaussee 277 nieder.
Der Sohn Ernst Marten wurde am 30. April 1920 als knapp Zwölfjähriger in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt. Seine Krankenakte ist nicht mehr verfügbar. Die wenigen anderen Lebensdaten sind dem Aufnahmebuch der Alsterdorfer Anstalten entnommen.
Ernst Marten lebte 21 Jahre in den Alsterdorfer Anstalten, bis er am 28. Juli 1941 zusammen mit mindestens 49 anderen Männern zunächst in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" überführt wurde. Drei Tage später folgte ihnen ein Transport von mindestens 20 Frauen dorthin.
Michael Wunder, der die Geschichte der ermordeten Alsterdorfer Patienten aufgearbeitet hat, wies darauf hin, dass die Transporte, die überwiegend aus besonders schwachen und nicht arbeitsfähigen Menschen bestanden, nach sogenannten Meldebögen zusammengestellt worden waren, die die Anstalt zuvor an die "Euthanasie"-Zentrale in der Tiergartenstraße 4 in Berlin geschickt hatte. Pastor Lensch, damals Leiter der Alsterdorfer Anstalten, hatte dann von der Gesundheitsbehörde Hamburg eine entsprechende Liste der Transportteilnehmer erhalten. Der Gesundheitssenator Ofterdinger hatte ihm versichert, es handele sich lediglich um eine Verlegung, um die Alsterdorfer Anstalten zu entlasten und die in Langenhorn leerstehenden Betten sinnvoll zu nutzen.
Dennoch machte sich Aufregung unter den Insassen breit, als die grauen Busse der GeKraT (Gemeinnützige Krankentransport Gesellschaft) auf das Gelände der Alsterdorfer Anstalten fuhren. Durch die kirchlichen Proteste gegen die Euthanasie, die zu diesem Zeitpunkt reichsweit ihren Höhepunkt erreicht hatten, und Hinweise aus süddeutschen und ostdeutschen Anstalten waren die Tötungsaktionen durchaus auch unter den Pflegerinnen und Pflegern der Alsterdorfer Anstalten und über diese auch teilweise den Anstaltsinsassen bekannt. Deshalb verfasste Lensch ein Rundschreiben an alle Pflegekräfte, in dem er den Abtransport als "Verwaltungsakt" darstellte, der mit "anderen Maßnahmen nichts zu tun hat". Die Pflegekräfte mussten den Empfang dieses Rundschreibens quittieren.
Trotz der Begründung wurde Ernst Marten vier Monate später in einem Transport von 66 Männern und Frauen aus Langenhorn in die "Gau-Heilanstalt" Tiegenhof (Dziekanka) bei Gnesen (Gniezno) verlegt. (Vier der insgesamt 70 Alsterdorfer Patienten waren vor dem Transport in Langenhorn gestorben.)
Insgesamt wurden aus der "Heil- und Pflegeanstalt" Langenhorn zwischen dem 26. September und dem 27. November 1941 in mehreren Transporten mehr als 200 Menschen in die "Gauheilanstalt" Tiegenhof abtransportiert.
Die ehemalige psychiatrische Anstalt Dziekanka in der Nähe von Gnesen war im Oktober 1939 von der deutschen Wehrmacht besetzt worden und hatte die Bezeichnung "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" erhalten. Bis zum Sommer/Herbst 1941 ermordeten die deutschen Besatzer die polnischen Patientinnen und Patienten in mehreren Aktionen. Als die Hamburger Patientinnen und Patienten eintrafen, wurden auch sie getötet durch systematisches Verhungernlassen, durch Überdosierung von Medikamenten sowie durch Verwahrlosung. In den Tiegenhofer Unterkünften befanden sich separate Tötungszimmer, in denen den wehrlosen und entkräfteten Opfern tödliche Mittel injiziert, eingeführt oder in Suppe aufgelöst verabreicht wurden.
Ernst Marten lebte in der Anstalt Tiegenhof nur noch knapp fünf Monate, er starb am 8. April 1942 mit 33 Jahren. In der Sterbeurkunde vom 17. April 1942 wird angegeben: "Marasmus bei Idiotie". Marasmus ist ein Auszehrungs- und Entkräftungsprozess, der über Monate bis Jahre hinweg verläuft. Die Sterbeursache verdeutlicht, dass Ernst Marten grob vernachlässigt wurde und schlicht verhungert ist.
Von seinen 33 Lebensjahren hatte Ernst Marten 22 Jahre in verschiedenen Anstalten teils unter menschenunwürdigen Bedingungen verbracht. Der Stolperstein zur Erinnerung an ihn befindet sich in der Wandsbeker Chaussee 277, wo er vor der Anstaltseinweisung lebte.
Stand: September 2024
© Karin Gutjahr
Quellen: StaH 332-5 Standesämter, 2019 Geburtsregister Nr. 3102/1882 (Sofia Dorothea Köhler),
113440 Geburtsregister Nr. 2290/1908 (Ernst Karl Joachim Marten), 6479 Heiratsregister Nr. 50/1910 (Sofia Dorothea Köhler/Ernst Detlef Siegmund Max Marten); Urząd Stanu Cywilnego (Standesamt) Gniezno, Sterberegisterauszug Nr. 162/1942 (Ernst Karl Joachim Marten); Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 269 ff.; Enno Schwanke, Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof, Frankfurt/M. 2015, S. 101 ff.

