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Maria Schön
Maria Schön
© StaH

Maria Schön (geborene Tessner) * 1902

Lübecker Straße 49 a (Hamburg-Nord, Hohenfelde)


HIER WOHNTE
MARIA SCHÖN
GEB. TESSNER
JG. 1902
EINGEWESEN 1938
HEILANSTALT LANGENHORN
‚VERLEGT‘ 16.8.1943
‚HEILANSTALT‘
AM STEINHOF / WIEN
ERMORDET 3.12.1945

Maria Schön, geb. Tessner, geb. 17.9.1902 in Ohra (Danzig), eingewiesen am 27.10.1937 in die Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität (Friedrichsberg), danach mehrfach verlegt, am 16.8.1943 abtransportiert nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof"), dort gestorben am 3.12.1945

Lübecker Straße 49a (Hohenfelde)

Die am 17. September 1902 in Ohra, einem späteren Stadtteil von Danzig, geborene katholische Maria Anna (Rufname Maria) Tessner war mit dem Kaufmann Hans Berthold Christian Schön, geboren am 23. Dezember 1897 in Rostock, verheiratet. Ihre Eltern sind uns nicht bekannt. Nur von ihrer Mutter kennen wir den Anfangsbuchstaben des Vornamens und den Nachnamen, M. Tessner.

Zur Zeit ihrer Aufnahme in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Hansischen Universität (Friedrichsberg) lautete Maria Schöns Wohnadresse Hohenfelde, Lübecker Straße 49a.

Aufgrund der Diagnose "Nervenleiden" eines niedergelassenen Arztes befand sich Maria Schön im Oktober 1937 wenige Tage im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg zur Beobachtung. Sie berichtete bei ihrer Aufnahme, sie sei seit drei oder vier Jahren verheiratet. Ihr Vater sei bereits gestorben, die Mutter lebe in Berlin. Sie selbst sei eines von sieben Geschwistern. Weiteres ist uns über Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter nicht bekannt.

Bei der Anamnese im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg gab Maria Schön weiter an, 1934 wegen einer Bauchhöhlenschwangerschaft in der Frauenklinik Ebenezer in Barmbek (Holsteinischer Kamp/Friedrichsberger Straße) behandelt worden zu sein.

Laut einem Gutachten des stellvertretenden Direktors der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn aus dem Jahre 1943 für das spätere Scheidungsverfahren waren bei Maria Schön schon 1936 geistige Störungen beobachtet worden. Sie sei depressiv gewesen und habe sich belästigt gefühlt, habe Stimmen gehört, und es seien bei ihr Geruchshalluzinationen aufgetreten. Ob sich diese Bemerkungen auf ärztliche Untersuchungen oder auf Angaben ihres Ehemannes stützten, blieb in dem Gutachten offen.

Dr. Cramer, Arzt im Krankenhaus St. Georg, veranlasste Maria Schöns Verlegung am 27. Oktober 1937 in die Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität (Friedrichsberg) "wegen auffallend psychischer Veränderung (Suicidgefahr)". Hier erhielt sie die Diagnose "Schizophrenie", die durch eine Insulinschock- und eine Cardiazolschocktherapie behandelt wurde. (Anfang der 1930er-Jahre wurden Schocktherapien in die psychiatrische Behandlungspraxis eingeführt. Die durch Insulin- oder Cardiazol ausgelösten Krampfanfälle sollten bis dahin als unheilbar geltende Patientinnen und Patienten von ihren Psychosen heilen. Heute sind diese Behandlungen in der damaligen Form aus dem psychiatrischen Alltag verschwunden.)
Beide Behandlungsmethoden blieben erfolglos, so dass Maria Schön am 6. April 1938 in die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn verlegt wurde. Sie galt hier als abweisend, habe auf Fragen nicht geantwortet und "vor sich hin gebrütet".

Ihre besorgte Mutter erkundigte sich 1938 bei der Anstalt Langenhorn mehrmals, ob eine Entlassung ihrer Tochter aus der Anstalt möglich sei. Sie erhielt die Mitteilung, dass dies nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Ehemannes erfolgen könne.

Maria Schön gehörte wohl zu den "ruhigen, nicht gefährlichen, weiblichen Geisteskranken", die nach einem Vertrag aus dem Jahre 1935 von der der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn in das Diakonische Erziehungs- und Pflegeheim Anscharhöhe in Hamburg-Eppendorf übernommen werden konnten. Der Wechsel in die Anscharhöhe fand am 17. Februar 1939 statt.

Aus dem oben erwähnten Gutachten aus dem Jahre 1943 wissen wir, dass Hans Berthold Christian Schön die Scheidung von seiner Ehefrau betrieb. Der Ausgang des Verfahrens, das höchstwahrscheinlich mit der Ehescheidung endete, ist in den verfügbaren Dokumenten nicht festgehalten.

Zur Zeit der schweren Luftangriffe auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") lebten in der Anscharhöhe etwa 60 ehemalige Langenhorner Patientinnen. Am 6. August 1943 wurde der überwiegende Teil nach Langenhorn zurückverlegt. Ihre genaue Zahl kennen wir nicht. Zu ihnen gehörte auch Maria Schön.

Am 16. August wurden 72 Frauen und Mädchen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn und 228 Frauen und Mädchen aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" (auch bekannt als Anstalt "Am Steinhof") abtransportiert. In dem Transport befanden sich neben Maria Schön weitere 48 Frauen, die kurz vorher von der Anscharhöhe nach Langenhorn zurückgebracht worden waren.

Bei ihrem Aufenthalt in der Wiener Anstalt soll sich Maria Schön ähnlich wie in Langenhorn verhalten haben. Sie galt als zeitlich und örtlich mangelhaft orientiert, ließ Fragen unbeantwortet, machte verlegene Bewegungen mit den Händen und zeigte lebhaftes Grimassieren. Dieses Verhalten wurde bis November 1945 wiederholt und im Wesentlichen unverändert dokumentiert.

Maria Schöns Gewicht, das bei der Ankunft in Wien ohnehin nur 49 kg betragen hatte, war während ihres Aufenthaltes auf 35 kg zurückgegangen. Ab Mitte November 1945 litt sie angeblich an Durchfall. Am 2. Dezember hieß es: "Verfällt zusehends". Einen Tag später, am 3. Dezember 1945, starb Maria Schön. Als Todesursachen wurden "Schizophrenie, klinische Ruhr, Inanitiation" (Abmagerung auf unter 80 % des Normalgewichts) in die Patientenakte eingetragen.

Die Anstalt in Wien war während der ersten Phase der NS-"Euthanasie" vom Oktober 1939 bis August 1941 eine Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz. Nach dem offiziellen Ende der Morde in den Tötungsanstalten wurde in bisherigen Zwischenanstalten, also auch in der Wiener Anstalt selbst, massenhaft weiter gemordet: durch Überdosierung von Medikamenten und Nichtbehandlung von Krankheit, vor allem aber durch Nahrungsentzug. Bis Ende 1945 kamen von den 300 Mädchen und Frauen aus Hamburg 257 ums Leben.

Stand: Februar 2025
© Ingo Wille

Quellen: StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalten Abl. 1/1995 Nr. 24834 (Maria Schön); Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bestand Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, Patientenakte Maria Schön. Peter von Rönn, Der Transport nach Wien, in: Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 425 ff.;
Zu Schocktherapien:
https://www.200.uk-erlangen.de/de/geschichte/momentaufnahmen-des-universitaetsklinikums-erlangen/anfaenge-der-schocktherapie/index.html (Zugriff am 21.1.2015).

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