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Otto Popert * 1883
Eppendorfer Weg 189 (Eimsbüttel, Hoheluft-West)
HIER WOHNTE
OTTO POPERT
JG. 1883
EINGEWIESEN 1918
HEILANSTALT LANGENHORN
‚VERLEGT‘ 27.11.1941
‚HEILANSTALT‘
TIEGENHOF / GNIEZNO
ERMORDET 5.5.1942
Otto Adolph Popert, geb. 24.5.1883 in Hamburg, aufgenommen am 5.7.1915 in der damaligen Irrenanstalt Friedrichsberg, seit etwa 1918 in der Staatskrankenanstalt Langenhorn, abtransportiert am 27.11.1941 in die "Gauheilanstalt Tiegenhof" (Dziekanka),
gestorben am 5.5.1942 in Tiegenhof (Gniezno)
Eppendorfer Weg 189 (Eimsbüttel)
Otto Adolph Popert wurde am 24. Mai 1883 in Hamburg-Rotherbaum, An der Verbindungsbahn 8, geboren. Seine Eltern, das jüdische Ehepaar Julchen Popert, geborene Lion und der Kaufmann Philipp (Felipe) Popert, hatten vor Otto sechs Kinder bekommen.
Julchen Popert, geborene Lion, war am 20. September 1840 in Wittenburg (Mecklenburg) zur Welt gekommen, ihr Ehemann, Philipp Popert am 20. September 1825 in Goldingen im Kurland (heute Lettland). Der Zeitpunkt ihrer Heirat ist nicht genau bekannt, wird jedoch 1865 oder früher gewesen sein, denn das erste Kind, Carlota wurde am 26. August 1866 geboren. Es kam wie auch die folgenden drei Kinder, Frederica, geboren am 10. Januar 1868, Juanita, geboren am 24. Mai 1872, und Fernando, geboren am 9. November 1873, in Caracas zur Welt. Alfred Ludwig, geboren am 26. März 1876, und Alexander Nathan, geboren am 4. Februar 1881, wurden in Hamburg geboren.
Philip Popert hatte bereits vor der Eheschließung die venezolanische Staatsbürgerschaft erworben, so dass auch die Kinder, also auch Otto Adolph, venezolanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wurden.
Aus den Geburtsorten der Kinder und den Meldekarteien wissen wir, dass die Familie bis etwa 1874 in Caracas, Venezuela, und danach in Hamburg lebte. Sie wohnte laut Hamburger Adressbuch in den 1870er Jahren in der Bundesstraße 10, danach in den Colonnaden 46. Philipp Popert, der im Adressbuch seit etwa 1880 als Rentier (Rentner) oder Privatier (jemand, der von seinem Vermögen lebt) bezeichnet wurde, hatte dennoch als Makler in der Hamburger Börse den Börsenstand Pf. 6 B inne. Eventuelle Börsengeschäfte, ob Handel mit Wertpapieren, Getreide oder Versicherungen, sind nicht überliefert.
Offenbar wechselte die Familie nach Otto Adolph Poperts Geburt wieder nach Südamerika. Otto Adolph lebte nach seiner Geburt bis 26. September 1884 und vom August 1889 bis März 1893 mit seinen Eltern in Venezuela. Die Familie kam um die Jahrhundertwende nach Hamburg zurück und wohnte zunächst kurzzeitig zur Untermiete in der Schumannstraße in Altona, dann in der Straße Falkenried 53, 1902 im Eppendorfer Weg 252 und schließlich ab 1904 in der Wrangelstraße 40. Hier starben Philipp Popert am 6. Juni 1905 und seine Witwe Julchen am 11. Februar 1907.
Otto Adolph Popert reiste in den 1910er Jahren erneut nach Amerika. Nach einem Wählerverzeichnis des Stadt Sacramento, Kalifornien, nahm er dort von 1912 bis 1914 seinen Wohnsitz. Wir wissen nicht, aus welchem Grunde er aus den USA nach Hamburg zurückkehrte und in welchem psychischen Zustand er sich befand. Jedenfalls wurde Otto Adolph Popert am 5. Juli 1915 wegen einer nicht näher bezeichneten "Geistesstörung" Patient der damaligen "Irrenanstalt Friedrichsberg" und ab etwa 1918 der "Staatskrankenanstalt Langenhorn".
Wir wissen weder Näheres über sein Leben vor diesen Anstaltsaufenthalten noch über Einzelheiten seines Lebens in den Anstalten. Eine Patientenakte existiert nicht mehr.
Er war wohl nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Der jüngere Bruder Alexander Nathan Popert verwaltete ab 1925 das Vermögen seines Bruders von annähernd 30.000 RM, das das Ehepaar Popert seinem Sohn Otto Adolph hinterlassen hatte, als dessen bestellter Pfleger.
Aus Langenhorn waren bereits im September 1940 jüdische Patientinnen und Patienten abtransportiert und in der Tötungsanstalt Brandenburg ermordet worden. Hier blieb Otto Adolph Popert noch verschont.
Am 27. November 1941 wurden 32 Frauen und 37 Männer aus der inzwischen "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" genannten Einrichtung in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" bei Gnesen, abtransportiert. Unter ihnen befand sich Otto Adolph Popert.
Die in der früheren preußischen Provinz Posen gelegene Anstalt Tiegenhof war zwischen 1891 und 1894 knapp zweieinhalb Kilometer von Gnesen entfernt errichtet worden. Sie gehörte zu den psychiatrischen Einrichtungen mit den niedrigsten Sterblichkeitsziffern weltweit. Als Folge des Ersten Weltkrieges kam das Gebiet zur Republik Polen. Die psychiatrische Anstalt Tiegenhof hieß nun "Dziekanka", Gnesen wurde "Gniezno". Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 wurde das Gebiet um Gnesen in das Deutsche Reich eingegliedert. Im Oktober 1939 wurde die Anstalt Dziekanka umbenannt in "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" und in das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten einbezogen. Insgesamt wurden aus der "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" mit drei Transporten am 14., 20. und 27. November 1941 in mehreren Transporten mehr als 200 Menschen in die "Gauheilanstalt Tiegenhof" "verlegt". Das Hamburger Gedenkbuch Euthanasie nennt 206 Personen. Fast alle wurden durch Verhungernlassen und/oder Verabreichung von überdosierten Medikamenten wie Luminal, Skopolamin und Chloralhydrat ermordet.
Otto Adolph Popert starb am 5. Mai 1942 angeblich an "allgemeiner Körper- und Kreislaufschwäche". Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Otto Adolph Popert keines natürlichen Todes starb.
Nach den Eintragungen im Aufnahmebuch der Anstalt wurde sein Leichnam am 9. Mai 1942 beigesetzt.
Das Schicksal der Geschwister
Carlota Popert, Otto Adolphs älteste 1866 in Caracas geborene Schwester, heiratete am 28. August 1890 den am 25. Juni 1862 in Eschingen bei Landau geborenen ebenfalls jüdischen Kaufmann Ludwig Kern.
Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, Fernando Carlos, geboren am 5. August 1891 in Hamburg, Eleonore Hermine, geboren am 3. Dezember 1892 in Hamburg, Bundesstraße 18, Manfred Robert, geboren am 11. April 1894 in Hamburg, Bundesstraße 18, Emil Friedrich, geboren am 25. April 1899 in Wandsbek, Minnie Kern, geboren am 24. August 1907 (Geburtsort unbekannt).
Über diese Familie ist nur bekannt, dass sie rechtzeitig Deutschland verließ und sich in den USA ansiedeln konnte. Carlota Kern starb im Jahre 1933, Ludwig Kern im Jahre 1948.
Juanita Popert, geboren 1872 in Caracas, heiratete am 15. September 1896 in Hamburg den in London ansässigen ebenfalls jüdischen Leopold Warschauer. Dieses Paar hatte zusammen vier Kinder, Alfred Victor, Frieda, Fritz und Margaret. Diese Familie emigrierte rechtzeitig aus Deutschland und lebte in Middlesex, England. Einzelheiten über diese Familie kennen wir nicht.
Der 1873 in Caracas geborenen Bruder Fernando Popert starb am 7. April 1882 in der elterlichen Wohnung An der Verbindungsbahn 8 im Alter von acht Jahren.
Der 1876 in Hamburg geborene Alfred Ludwig Popert soll 1925 in Kensingtorn England gestorben sein.
Der 1881 geborene Bruder Alexander Nathan Popert heiratete am 24. März 1917 die nichtjüdische evangelische Lehrerin Elsa Emilie Johanna Bauer, geboren am 23. Januar 1890 in Altona, und trat zur protestantischen Konfession über. Aus der Ehe ging am 25. März 1928 der Sohn Alfredo Popert hervor.
Alexander Nathan Popert arbeitete als Angestellter in verschieden Ex- und Importunternehmen, ab 1911 als Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Firma Alejandro Popert, seit 1917 als Generalbevollmächtigter bzw. als Prokurist der Ex- um Importfirma Oscar Meyer & Co.
Im Jahre 1938 wurde er als Jude zum Austritt aus der Firma gezwungen.
Als ausländischer Staatsbürger wurde er am 3. November 1942 interniert, d.h. festgenommen und über das Polizeigefängnis Hütten in Hamburg-Neustadt ins Internierungslager Laufen in Oberbayern überstellt.
Elsa Popert und der Sohn Alfredo blieben währenddessen in der Wohnung in Hamburg-Eppendorf, Löwenstrasse 50. Wie Alexander Nathan besaßen auch dessen Ehefrau Elsa und der Sohn Alfredo die venezolanische Staatsangehörigkeit. Dadurch geschützt, durften alle drei am 20. Januar 1945 Deutschland verlassen. Über die Schweiz und Frankreich gelangten sie von Marseille aus mit dem schwedischen Rote Kreuzschiff " Gripsholm " nach New York und von dort weiter nach Venezuela.
Stand: Januar 2025
© Ingo Wille
Quellen: Adressbuch Hamburg (diverse Jahrgänge); StaH 332-5 Standesämter 2000 Geburtsregister Nr. 746/1881 (Alexander Nathan Popert), 6262 Geburtsregister Nr. 369/1890 (Elsa Emilie Johanna Bauer), 8913 Geburtsregister Nr. 867/1876 (Alfred Ludwig Popert), 8977 Geburtsregister Nr. 2395/1883 (Otto Adolph Popert), 9065 Geburtsregister Nr. 1065/1891 (Fernando Carlos Kern), 9077 Geburtsregister Nr. 1938/1892 (Eleonore Hermine Kern), 9097 Geburtsregister Nr. 712/1894 (Manfred Robert Kern), 13246 Geburtsregister Nr. 235/1899 (Emil Friedrich Kern), 8546 Heiratsregister Nr. 286/1890 (Ludwig Kern/Carlota Popert), 8578 Heiratsregister Nr. 428/1896 (Leopold Warschauer/Juanita Popert), 9564 Heiratsregister Nr. 82/1917 (Alexander Nathan Popert/Elsa Emilie Johanna Bauer), 7782 Sterberegister Nr. 835/1882 (Fernando Popert), 9657 Sterberegister Nr. 1340/1905 (Philipp Popert), 9669 Sterberegister Nr. 400/1907 (Julchen Popert), 232-1 Vormundschaftsbehörde D 81 Bd 1 und Bd 2 (Otto Adolph Popert), 314_15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) R 1939 Nr. 2146 (Alejandro Nathan Popert), 332-8 Meldewesen (diverse Jahrgänge), 351-11 Amt für Wiedergutmachung 5206 (Alejandro Nathan Popert), 522-01 Jüdische Gemeinde 0992_b Kultussteuerkarten. Standesamt Gnesen Sterberegister Nr. 208/1943 (Otto Adolph Popert). Institut für Geschichte und Ethik der Medizin (UKE/IGEM) Hamburg, Archiv, Aufnahmebuch 1915.

