Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Philippine Levy (geborene Grün) * 1879
Großneumarkt 38 (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
PHILIPPINE LEVY
GEB. GRÜN
JG. 1879
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET
Philippine Levy, geb. Grün, geb. 2.1.1879 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 23.10.1944 nach Auschwitz
Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 46/47)
Bedingt durch den Ersten Weltkrieg wurde Philippine Levy schon nach vierjähriger Ehe Witwe. Ihr Ehemann Hermann Levy verstarb an Ruhr am 5. November 1916 im Kriegslazarett 54 in Üsküb in Mazedonien. Ihre damals 3-jährige Tochter Senta musste Philippine fortan allein aufziehen.
Als Philippine und Hermann Levy am 14. Oktober 1912 in Hamburg geheiratet hatten, war sie als Kindermädchen tätig und wohnte im Grindelhof 27, möglicherweise bei ihren Arbeitgebern. Hermann Levy, geboren am 1. September 1884 hatte zum Zeitpunkt der Eheschließung mit seinem Vater, dem Boten Adolf Levy (geb. 2.1.1859) und dessen zweiter Frau Gidelchen, geb. Goldschmidt, verw. Rothschild (geb. 7.2.1849 in Bebra, gest. 28.1.1920), im Grindelhof 75 gelebt. Seine Mutter Scheindel, geb. Walach (geb. 22.10.1856), war bereits mit 32 Jahren am 12. September 1892 verstorben. Hermann Levy arbeitete in einer Fabrik und wechselte dann zum "Staatlichen Hafen- und Straßenbau".
Philippine und Hermann Levy fanden eine Wohnung Beim Schlump 28, Haus 4, wo ihre Tochter Senta am 17. November 1913 zur Welt kam. Hermann Levy wurde dann zum Jäger-Bataillon der 4. Kompanie eingezogen.
Philippine Levy war als zweites von sechs Kindern in der 1. Marienstraße Platz 21, Haus 4 (ab 1900 Marienstraße) geboren worden. Ihre Eltern, der Schneider Jacob Grün (geb. 12.7.1822), in Gross-Karoly in Ungarn geboren, und Amalie, geb. Liepmann (geb. 24.10.1847), die am 5. Februar 1877 in Wandsbek heirateten, lebten zum Zeitpunkt des Todes ihres Schwiegersohnes nicht mehr. Jacob Grün war am 12. Juni 1887 in der Wohnung in der Peterstraße 51 gestorben, Amalie Grün starb am 6. Juni 1912.
Philippine Levy erhielt zunächst Unterstützung von der Hinterbliebenenfürsorge der Deutsch-Israelitischen Gemeinde, bis sie eine "Kriegsrente" bezog. Da sie die Wohnung Beim Schlump 28 nicht halten konnte, zog sie im April 1917 in eine mietfreie kleine Zweizimmerwohnung im jüdischen Lazarus-Gumpel-Stift, Schlachterstraße 46/47. Sie fand Arbeit in der Küche der Talmud Tora Schule am Grindel, bis sie an einer Lungentuberkulose erkrankte. Ihr Hausarzt Isidor Nemann (s. www.stolpersteine-hamburg.de) bescheinigte ihr: "die bescheidene und zarte Frau kann keine schwere Arbeit mehr leisten". Philippine Levy wurde erwerbsunfähig und bezog Fürsorgeleistungen.
Während ihres Aufenthaltes in der Lungenheilanstalt Edmundsthal-Siemerswald in Geesthacht (1896 von dem Hamburger Reeder Edmund Siemers gegründet), fand Tochter Senta Aufnahme im jüdischen Waisenhaus.
Senta besuchte von 1919 bis 1929 die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße 35 und erhielt im Anschluss eine kaufmännische Ausbildung in der Firma Haberer & Co., Schopenstehl 15, wo sie 1932 nach ihrer Lehrzeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht übernommen wurde. Sie begann dann eine Ausbildung zur Kindergärtnerin an der Staatlichen Kinderpflegerinnenschule in der Feldbrunnenstraße 46. Dort wurde sie, als einzige jüdische Schülerin, zum Ziel antisemitischer Äußerungen: Durch ihre Anwesenheit könnten die Fächer Gesundheitslehre, Rassentheorie und Staatsbürgerkunde nicht richtig unterrichtet werden. Eine ehemalige Lehrerin bestätigte ihr viele Jahre später, im Oktober 1933 sei eine telefonische Anweisung der Schulbehörde ergangen, Senta zu beeinflussen, die Schule zu verlassen, da sie zum Abschlussexamen im Frühjahr 1934 ohnehin nicht mehr zugelassen werde. Senta verließ die Schule und ging als Lehrschwester ins Israelitische Krankenhaus in Frankfurt am Main. Eine Ausbildung mit Staatsexamen blieb ihr verwehrt.
Nach Hamburg zurückgekehrt, wohnte Senta zur Untermiete in der Haynstraße 13 bei Frau Marcus. Sie arbeitete in ihrem erlernten Beruf als Kontoristin bei der Firma Theiner & Janowitzer, Bleichenbrücke 10 in der Muster- und Einkaufsabteilung, bis sie dort wenige Wochen nach dem Novemberpogrom, am 29. Dezember 1938, von den "arischen" Angestellten unter Androhung, sie von der Gestapo abholen zu lassen, aufgefordert wurde, die Firma unverzüglich zu verlassen. Der Firmeninhaber Richard Janowitzer befand sich zu dieser Zeit auf einer Geschäftsreise in Südamerika und kehrte aufgrund der Ereignisse in Deutschland nicht nach Hamburg zurück. Die Firma wurde dann "arisiert". Auch Senta bemühte sich nun um ihre Emigration. Bis 1933 hatte sie der Sozialistischen Arbeiterjugend angehört, war Mitglied des Arbeiterschwimmvereins "Vorwärts" gewesen und gehörte zu einer linksgerichteten jüdischen Jugendgruppe. Einige ihrer früheren Kameraden waren bereits verhaftet worden, und so lebte sie in ständiger Angst, "dass mein Name noch auf einer Mitgliederliste gefunden werden könnte, was auch für mich eine Verhaftung zur Folge gehabt hätte".
Am 13. März 1939 ging sie in die Hachschara-Einrichtung "Gut Winkel" bei Spreenhagen in Brandenburg, um sich mit anderen jüdischen Jugendlichen in einer landwirtschaftlichen Ausbildung auf ein Leben in Palästina vorzubereiten. Am Abend des 13. Oktober 1939 verließ sie nach eigener Aussage mit etwa 200 Personen "Gut Winkel". Über Wien und die Donau gelangte sie nach viermonatiger Irrfahrt nach Palästina, wo sie ohne die nötigen Papiere illegal in das britische Mandatsgebiet einwanderte. Während der Überfahrt auf dem Dampfer "Hilda" versuchte Senta unter "schwersten Bedingungen", als Krankenschwester zu helfen. "Wir waren im Kohlenbunker untergebracht, durften am Tage das Deck nicht betreten, und als wir vor Rumänien lagen, fiel die Außentemperatur auf minus 25 Grad." Nach ihrer Ankunft in Palästina wurde sie mit weiteren Flüchtlingen in Athlit sechs Wochen interniert. Bis 1942 hielt Senta über das Rote Kreuz Kontakt zu ihrer Mutter.
Philippine Levy lebte seit 1935 im Pflegeheim der Jüdischen Gemeinde in der Schäferkampsallee 29 in Eimsbüttel. Ihr Schwiegervater Adolf Levy nahm sich dort am 24. Januar 1940 durch einen Sturz aus dem Fenster das Leben.
Philippine Levy wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, gemeinsam mit ihrer Cousine, der pensionierten Lehrerin Louise Grün (s. www.stolpersteine-hamburg.de). Am 23. Oktober 1944 kam Philippine Levy mit einem Transport nach Auschwitz, wo sie wahrscheinlich gleich nach der Ankunft ermordet wurde.
Währenddessen hatte sich Senta Levy in Kirjat Motzkin, in der Nähe von Haifa, niedergelassen und mit ihrer Freundin, Else Davidsohn, (geb. 1903 in Berlin, gest. 2006 in Hamburg), die sie während der Überfahrt kennengelernt hatte, eine kleine Wäscherei eröffnet, die sie dann achtzehn Jahre betrieben. 1958 kehrten sie nach Deutschland zurück. Senta Levy verstarb 1999 im Alter von 85 Jahren in Hamburg. Für ihren Großvater Adolf Levy wurde in der Schäferkampsallee 29 ein Stolperstein verlegt.
Stand: März 2017
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 3; 5; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1453 (Levy, Philippine); StaH 351-11 AfW 38718 (Levy, Senta); StaH 351-11 AfW 6897 (Ehmke, Emilie); StaH 332-5 Standesämter 1914 u 5767/1877; StaH 332-5 Standesämter 2026 u 1141/1882; StaH 332-5 Standesämter 2082 u 4197/1884; StaH 332-5 Standesämter 2127 u 2196/1886; StaH 332-5 Standesämter 225 u 1894/1887; StaH 332-5 Standesämter 327 u 3638/1892; 332-5 Standesämter 2812 u 464/1893; StaH 332-5 Standesämter 8683 u 354/1912; StaH 332-5 Standesämter 8014 u 545/1912; StaH 332-5 Standesämter 8033 u 783/1916; StaH 332-5 Standesämter 8059/1920; 332-5 Standesämter 8167 u 71/1940; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 477 Statistik der während des Weltkrieges unterstützten Personen; StaH 332-8 Meldewesen K 6508; zu Davidsohn in: Seggelke: erlebt!, S. 27-32; https://www.geesthacht.de/index.phtml?La=1&sNavID=1801.32&object=tx%7C17.68.1 (Zugriff 7.10.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".


