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Liselotte Paetow * 1923
Wackerhagen 17 (Hamburg-Mitte, Hamm)
HIER WOHNTE
LISELOTTE PAETOW
JG. 1923
EINGEWIESEN 1926
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 28.7.1941
HEILANSTALT LANGENHORN
TIEGENHOF
ERMORDET 7.2.1942
Liselotte Paetow, geb. am 11.12.1923 in Reinstorf (Amt Neukloster-Warin, Mecklenburg-Vorpommern), aufgenommen in den damaligen "Alsterdorfer Anstalten" (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 14.6.1935, verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" am 28.7.1941, abtransportiert am 27.11.1941 in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" (polnisch: Dziekanka) bei Gnesen (polnisch: Gniezno), dort gestorben am 7.2.1942.
Wackerhagen 17
Liselotte Frieda Minna (Rufname Liselotte) Paetow war fast 18 Jahre alt als sie am 27. November 1941 mit zusammen mit 31 Frauen und 37 Männern aus der im Norden Hamburgs gelegenen "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" in die "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" (polnisch: Dziekanka) bei Gnesen (polnisch: Gniezno) abtransportiert wurde. Fast alle in diesem Transport waren zuvor Bewohnerinnen und Bewohner der damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) und am 28. Juli 1941 nach Langenhorn verlegt worden, auch Liselotte Paetow.
Die psychiatrische Anstalt Dziekanka in der Nähe von Gnesen war im Oktober 1939 von der deutschen Wehrmacht besetzt worden und hatte die Bezeichnung "Gau-Heilanstalt Tiegenhof" erhalten.
Sie war zwischen 1891 und 1894 knapp zweieinhalb Kilometer von Tiegen entfernt im Regierungsbezirk Posen errichtet worden. Bis 1919 standen Betten für etwa 600 Patienten zur Verfügung. Sie gehörte zu den psychiatrischen Einrichtungen mit den niedrigsten Sterblichkeitsratenweltweit.
Nach der Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht wurde die Anstalt in das Euthanasieprogramm T4 der Nationalsozialisten einbezogen. Bis zum Sommer/Herbst 1941 ermordeten die Deutschen die polnischen Patientinnen und Patienten in mehreren Aktionen. Als die Hamburgerinnen und Hamburger in Tiegenhof eintrafen, traf dieses Schicksal auch sie. Sie wurden durch systematisches Verhungernlassen, durch Überdosierung von Medikamenten sowie durch Verwahrlosung getötet.
In den Unterkünften in Tiegenhof befanden sich separate Tötungszimmer, in denen den wehrlosen und entkräfteten Opfern tödliche Mittel injiziert, als Einlauf eingeführt oder in aufgelöster Form in der Suppe verabreicht wurden.
Liselotte Paetow starb dort am 7. Februar 1942. Es kann als sicher angenommen werden, dass sie ermordet wurde.
Die junge Frau war am 11. Dezember 1923 im mecklenburgischen Reinstorf (Amt Neukloster-Warin) geboren worden. Ihre Eltern, der Arbeiter Hermann Paetow und seine Ehefrau Erna, geborene Schwedt, ließen sich am Ende der 1920er Jahre in einem Hinterhaus in der Straße Wackerhagen im Hamburger Stadtteil Hamm nieder.
Wir wissen weder Näheres über die Familie, über Liselottes Paetows Kindheit und Jugend und kaum etwas über die Behinderung, die zu ihrer Aufnahme in den Alsterdorfer Anstalten am 14. Juni 1935 (nicht 1926, wie auf dem Stolperstein angegeben) geführt hatte. Liselottes Mutter soll zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gelebt haben. Die wenigen noch verfügbaren Informationen sind einer "Erbgesundheitskarteikarte" oder "Sippschaftstafel" über Liselotte Paetow entnommen.
In Hamburg wurde ab 1934 das "Hamburger Gesundheitspassarchiv" zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandsaufnahme" der Bevölkerung aufgebaut. Dafür erstellten auch die Alsterdorfer Anstalten Karteikarten (bezeichnet als "Erbgesundheitskarteikarte" oder "Sippschaftstafel"), auf denen Familienstammbäume und Kurzbeschreibungen der Bewohner in einer durchgängig abwertenden und verurteilenden Sprache festgehalten wurden.
Die wenig aussagekräftige "Erbgesundheitskarteikarte" für Liselotte Paetow ist noch erhalten. Darauf heißt es: "Diagnose: Idiotie mit Epilepsie. Aus dem Krankheitsverlauf: Die Pat.[ientin] indirekt, ängstlich und unruhig, schreit und tobt. Hat keinerlei Schulkenntniss. In der Körperpflege braucht sie Hilfe, ist allein. Echolalie. Nacht nässt sie ein. Zerreißt viel Zeug."
("Idiotie" ist ein nicht mehr gebräuchlicher Begriffe für eine schwere Form der Intelligenzminderung. Echolalie bezeichnet das zwanghafte Nachahmen und Wiederholen von Wörtern, Sätzen oder Geräuschen von Gehörtem ("Papageiensprechen")).
An Liselotte Paetow erinnert ein Stolperstein in der Straße Wackerhagen 17 in Hamburg-Hamm.
Stand: Oktober 2025
© Ingo Wille
Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv, Erbgesundheitskarteikarte Liselotte Paetow, Aufnahmebuch Eintrag Nr. 6982. Zdzisław Jaroszewski (Hrsg.), Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945, Warschau 1993, S. 86-102. Enno Schwanke, Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof – Die nationalsozialistische Euthanasie in Polen während des Zweiten Weltkrieges, Ffm. 2025. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 269-281.

