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Friedrich Zerrenner, 1938
Friedrich Zerrenner, 1938
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Friedrich Zerrenner * 1897

Großneumarkt 45 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
FRIEDRICH ZERRENNER
JG. 1897
EINGEWIESEN 1907
ALSTERDORFER ANSTALTEN
‚VERLEGT‘ 7.8.1943
HEILANSTALT EICHBERG
WEILMÜNSTER
ERMORDET 19.12.1943

Friedrich Zerrenner, geb. 19.8.1897 in Hamburg, eingewiesen am 18.11.1907 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten, verlegt am 7.8.1943 in die Landesheilanstalt Eichberg, ermordet am 19.12.1943 in der Landesheilanstalt Weilmünster

Großneumarkt 45, (früher Kirchenstraße 5)

Friedrich Zerrenner war das älteste der Kinder des Ehepaares Heinrich Arnold Friedrich Zerrenner (geb. 2.7.1868, gest. 3.4.1951) und Wilhelmine Auguste Jacobine, geb. Clausen (geb. 14.11.1870, gest. 5.2.1953), die nach ihrer Geburt am Leben geblieben waren. Sieben seiner Geschwister sollen an "Lebensschwäche" verstorben sein. Die Eltern hatten kurz vor Friedrichs Geburt am 27. Februar 1897 in Hamburg geheiratet, beide wohnten damals im Gängeviertel im Rademachergang 57.

Friedrichs Vater war Schauermann (Hafenarbeiter) und stammte aus Lengerich im Tecklenburger Land. Seine Mutter kam aus Pulvermühlen in Schleswig, sie war Arbeiterin. Die familiären und finanziellen Verhältnisse waren schwierig. Friedrichs Eltern lebten immer mal wieder getrennt. Am 16. August 1907 wurde ihnen durch die Vormundschaftsbehörde das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Diese brachte sie "anderweitig" unter. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes hielt es für erwiesen, dass Friedrichs Vater, der kein regelmäßiges Einkommen hatte, "dem Trunke ergeben sei" und die Erziehung der Kinder im "hohen Grade" vernachlässige. Die Eltern wurden sehr negativ beurteilt.

Am 18. November 1907 kam Friedrich aus der "öffentlichen Waisenpflege" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf). Der überweisende Arzt beschrieb den damals erst zehnjährigen Jungen als "durchaus kindisch", hielt ihn für "idiotisch" und fand es unbegreiflich, wie Friedrich, der eine Hilfsschule besuchte, überhaupt mitgekommen sein konnte.

In "Alsterdorf" besuchte Friedrich dann die Spielschule. Seine dortige Lehrerin vermerkte in einer Beurteilung, dass er "Fortschritte" mache und durch seine "guten Antworten" zeige, dass er sich Mühe gebe, das Auswendiglernen bereite ihm allerdings Schwierigkeiten. Friedrich Zerrenner machte mehrere Infektionskrankheiten durch, oft musste er stationär behandelt werden.

Aber nach einem Bericht wurde er 1925 als "Hilfsjunge" beschäftigt, führte sich gut, war selbstständig und hielt in seiner Abteilung Ordnung. In seiner Freizeit half er freiwillig beim "Karbolfahren" (Karbol veraltete Bezeichnung für Phenol, ist eine organische Verbindung, die damals zur Beleuchtung diente (Leuchtgas)).

Im Alter von 40 Jahren, Ende 1937, wurde Friedrich Zerrenner als für den Waffendienst "völlig untauglich" erklärt. Fünf Monate später, am 13. Mai 1938, erfolgte seine Zwangssterilisation im Universitätskrankenhaus Eppendorf.

Ab August 1942 fielen seine Beurteilungen deutlich negativer aus. Nun hieß es u. a.: Er sei "nicht imstande, eine geregelte Beschäftigung auszuüben; treibt sich meist planlos auf dem Anstaltsgelände umher" und "kann zu nichts herangezogen werden, wird leicht erregt, wenn er von anderen gehänselt wird, auf Sauberkeit und Ordnung, sowohl des Körpers als auch der Kleidung, muss bei ihm besonders geachtet werden."

Friedrich Zerrenner gehörte am 7. August 1943 zu den 76 männlichen Patienten, die in die Landesheilanstalt Eichberg im Rheingau abtransportiert wurden. Die 1849 als Heil- und Pflegeanstalt gegründete hessische Anstalt diente in der ersten Phase der "Euthanasie" als Zwischenstation für die Weiterverlegung in die benachbarte Tötungsanstalt Hadamar.

Friedrich Zerrenner starb allerdings nicht am Eichberg, sondern befand sich am 13. Oktober 1943 unter den elf Patienten, die in die ebenfalls als Sammelstelle eingerichtete Landesheilanstalt Weilmünster verlegt wurden.

Dort, wie in der Einrichtung am Eichberg, gingen die Tötungen auch nach dem offiziellen Stopp der "Euthanasie" im August 1941 weiter. Die häufigste Todesursache war Unterversorgung, herbeigeführt durch pflegerische Vernachlässigung, Hungerrationen und die Verabreichung überdosierter Medikamente.

Friedrich Zerrenner starb am 19. Dezember 1943, knapp einen Monat nach seiner Ankunft in der Landesheilanstalt Weilmünster. Angeblich an Epilepsie.

Stand: August 2017
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 2432 u 2876/1897; StaH 332-5 Standesämter 2886 u 149/1897; StaH 332-5 Standesämter 13402 u 774/1900; StaH 332-5 Standesämter 7963 u 892/1903; StaH 332-5 Standesämter 9691 u 3048/1909; Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf V 120 Friedrich Zerrenner; Wunder/Genkel/Jenner: schiefen Ebene; https://de.wikipedia.org/wiki/Phenol (Zugriff 7.8.2017); www.ancestry.de (Sterbeurkunde von Friedrich Zerrenner am 19. Dezember 1943 in Weilmünster (Zugriff 7.8.2017).

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