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Knabe Dub * 1945
Randowstraße gegenüber Nr. 14 (am Gedenkstein) (Altona, Lurup)
HIER GEBOREN
KNABE DUB
GEB. JANUAR 1945
MUTTER IN ZWANGSARBEIT
KZ-AUSSENLAGER EIDELSTEDT
NACH DER GEBURT
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Randowstraße gegenüber Nr. 14 (am Gedenkstein):
Knabe Domaracka, Alice Dubova, Julianna Malinowska, Marianne Taus
Der Knabe ohne Vornamen Dub, dessen Mutter Alice Dubova hieß, kam im Januar 1945 in Hamburg zur Welt, ermordet als Neugeborener
Alice Dubova, geb. Glatterova, geb. 26.4.1912 in Lucenec/Benesov, verstorben am 1.3.1945 in Hamburg
Gedenkstein gegenüber Randowstraße 14 (heute Hamburg-Lurup)
ehemals KZ Außenlager Eidelstedt - Friedrichshulder Weg
Die Mutter des Neugeborenen, Alice Dubova, geb. Glatterova, wurde am 26.4.1912 in Lucenec/Benesov geboren, das bis 1918 zum Königreich Ungarn gehörte, danach zur Tschechoslowakei, von 1938 bis 1945 wieder zu Ungarn und heute im Staatsgebiet der Slowakei liegt. Sie war jüdisch und die Tochter von Augusta, geb. Herczova, und Josef Glatter. Ihr Ehemann, der Reibungstechniker Pavel Dub, geb. am 18.6.1911 in Benesov, entstammte ebenfalls einer jüdischen Familie und war der Sohn von Hermina, geb. Steinerova, und Rudolf Dub. Alice und Pavel wohnten 1938 in Prag XI, Havlickova 987.
Nach tschechischem Namensrecht hätte ihr Sohn den Nachnamen Dub getragen.
Im Dezember 1941 wurden Alice und Pavel im Getto Theresienstadt inhaftiert. Zweieinhalb Jahre später erfolgte am 15. Mai 1944 ihre Deportation nach Auschwitz. Als sie dort getrennt wurden, war Alice Dubova schwanger. Ihr Ehemann Pavel Dub wurde in Auschwitz ermordet.
Alice Dubova gehörte zu einer Gruppe jüdischer tschechoslowakischer und ungarischer Frauen aus dem KZ Auschwitz, die für einen Arbeitseinsatz selektiert und am 17. Juli 1944 nach Hamburg verbracht wurden, zunächst in das Lager Dessauer Ufer zur Zwangsarbeit im Hafengebiet, dann in das Frauenlager Wedel. Am 27. September 1944, am Jom Kippur, dem Versöhnungstag und höchsten jüdischen Feiertag, erfolgte ihre Verlegung in das Außenlager Eidelstedt des KZ-Neuengamme, direkt neben dem Güterbahnhof, heute Friedrichshulder Weg.
Die Frauen mussten Schwerstarbeit leisten: Bombenschutt wegräumen, Deiche bauen, Zementsäcke und Backsteine schleppen und Behelfsbauten für die ausgebombten Hamburger*innen errichten. Ihr Lagerkommandant war der berüchtigte SS-Mann Walter Kümmel. Er soll stets eine Gummipeitsche bei sich getragen und die Frauen geschlagen haben.
Alice, genannt "Lisa", Dubova hatte ihre Schwangerschaft in Auschwitz und auch noch in Hamburg geheim halten können, ständig in der Angst zurückverlegt zu werden, wenn dies bekannt werden würde. (Möglicherweise hatte sie bei ihrem Aufenthalt im Lager Dessauer Ufer miterlebt, dass die zwei jüdischen tschechischen Frauen, Ruth Huppert und Berta Reich, wegen ihrer Schwangerschaft drei Tage nach ihrer Ankunft von dort in ein KZ zurückgeschickt worden waren.)
Etwa Mitte Januar brachte Alice Dubova im Lager Eidelstedt einen gesunden Knaben mit Hilfe der "Lagerärztin" Ruzena Zimmerova und der "Häftlingskrankenschwester" Luise Haarburger, alias Wassermann, zur Welt. SS-Mann Walter Kümmel soll laut Zeitzeuginnenaussagen den neugeborenen Knaben in einem Wasserkübel ertränkt, ihn in einen Abfallkübel geworfen und dann von einer Totgeburt gesprochen haben, so wie er es auch mit dem neugeborenen Sohn der einen Monat zuvor niedergekommenen Mitgefangenen Ruzena Domaracka (siehe stolpersteine-hamburg.de) getan habe. Im Hamburger Sterberegister sind Geburt und Tod beider Knaben nicht eingetragen worden.
Alice Dubova gehörte zu den 14 Todesopfern eines Straßenbahnunglücks vom 1. März 1945: Auf dem Rückweg von einem Arbeitseinsatz in der Stadt war ein großes, von Bomben zerstörtes Mietshaus am Steindamm auf die Straßenbahn gestürzt. Ihre Beisetzung fand am 12. März 1945 auf dem Friedhof Ohlsdorf statt, Grabanlage Bp 74, Reihe 55, Nr. 24, im Sammelgrab mit zwei unbekannten Toten und mit Frieda Siegelmann, ebenfalls ein Opfer des Straßenbahnunglücks. Heute gehört die Grabstätte zum Grabareal "Opfer verschiedener Nationen". Eine Grabsteinplatte mit ihren darauf eingemeißelten Namen erinnert dort noch heute an sie, jedoch Alice, wie im Sterberegister und nicht wie in den Prager Dokumenten verzeichnet, mit der männlichen Form des Nachnamens "Dub".
Viel zu spät wurde nach dem Krieg in einem Untersuchungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg wegen Ermordung der beiden Neugeborenen von Ruzena Domaracka und Alice Dubova im Außenlager Eidelstedt Anklage gegen Walter Kümmel erhoben. Seine Beteiligung an den Tötungen der Neugeborenen wurde vom Gericht nur als Beihilfe zum Mord gewertet. In der Urteilsverkündung hieß es: Kümmel seien keine niedrigen Beweggründe nachzuweisen – und das Verbrechen sei seit 1960 verjährt. Kümmel wurde 1982 freigesprochen.
In einer Fernsehsendung über das Lager Eidelstedt äußerte sich Kümmel selbst zu den Anschuldigungen und sagte, dass es im Lager Eidelstedt keine Möglichkeit gegeben habe, die Kinder unterzubringen, wörtlich: "Deshalb haben die ja schließlich auch draufgedrungen, die sollten umgebracht werden, die Kinder. Das war’n Geheimbefehl!"
Von der Zwangsarbeit profitierende Betriebe:
Stadt Hamburg
Saar-Bauindustrie AG Saarlautern, Zweigstelle Hamburg, Schauenburgerstraße 15
Großunternehmen für den gesamten Hoch- und Tiefbau, Beton- und Eisenbetonbau, Bergwerks- und Hüttenbauten.
Stand: Februar 2025
© Margot Löhr
Quellen: StaH 131-1 II, 518 Listen der während des Zweiten Weltkrieges in Hamburg verstorbenen und beigesetzten ausländischen Zivilarbeiter, S. 153, S. 156; StaH 213-12, 0003 Band 001–011 Staatsanwaltschaft Landgericht, Fotoarchiv 741-4, A 81/3–81/5; Archiv Friedhofsverwaltung Ohlsdorf Buch G, S. 281/06/07; StaH 332-5 Standesämter, Sterberegister 10707 u.118/1945/1950 Alice Dub; StaH 332-5 Standesämter, Sterberegister 10705 u. 37/1945/1949; Ruth Elias, Die Hoffnung erhielt mich am Leben, München 1988. http://www.zwangsarbeit-in-hamburg.de, eingesehen 17.2.2016; https://www.hamburg.de/clp/dabeige wesene-suche/clp1/ns-dabeigewesene/onepage.php?BIOID=102&qN=Kümmel, eingesehen 16.7.2017; Hédi Fried, Nachschlag für eine Gestorbene, Hamburg 1995, S. 138 ff; https://www.holocaust.cz/databa ze-dokumentu/dokument/101115-dubova-alice-zadost-o-vydani-cestovniho-pasu/; Nationalarchiv Prag > Polizei-Direktion Prag > 1931-1940 > D > Dubová Alice (signatura D 1345/33), https://www.holocaust.cz/databaze-dokumentu/dokument/109694-dubova-gertruda-zadost-o-vydani-cestovniho-pasu/; Nationalarchiv Prag > Polizei-Direktion Prag > 1931-1940 > D > Dubová Gertruda (signatura D 1345/40), eingesehen 10.1.2018; Fernsehsendung NDR III 1982, "KZ gleich nebenan" von Barbara Schönfeld.