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Odette Lepineux * 1944
Weg beim Jäger 150 (Ehemaliges Zwangsarbeitslager Sportstraße 10) (Hamburg-Nord, Groß Borstel)
ZWANGSARBEITSLAGER SPORTSTRASSE 1943 – 1945
VEREINIGTE DEUTSCHE METALLWERKE
FRAUEN IN ZWANGSARBEIT
IN DER ´AUSLÄNDERKINDER-PFLEGESTÄTTE` 30 KINDER
VERNACHLÄSSIGT – UNTERERNÄHRT – ERMORDET
ODETTE LEPINEUX
GEB. 4.12.1944
TOT 1.3.1945
Weitere Stolpersteine in Weg beim Jäger 150 (Ehemaliges Zwangsarbeitslager Sportstraße 10):
Maisel Aerenhouts, Umberto Bianchini, Roxane Brumaud, Edieviene De Boever, Liliane Delier, Valentin Denisovs, Josiane Dheilly, Max Ernst Duvert, Guy Guillard, Wladimir Hejenka, Erster Zwilling Huczak, Zweiter Zwilling Huczak, Kristine Iwanows, Jinrich Josef Jansen, Hala-Elka Jerekyte, Raymond Robert Lagrange, Alain Lejeune, Ignatz-Marjans Lipomann, Mädchen Mahaudeau, Danielle Josette Rocco, Claudette Suzanne Roere, Robert André Sainsère, Monika Schirck, Nastja Slywinska, Aldi Marka Starkis, Ramas Simas Straganskini, Jan Timanovs, Wladimir Warschewa, Jury Waschtenko
Odette Lepineux, geb. am 4.12.1944 in Hamburg, verstorben am 1.3.1945 in Hamburg
Sportallee / Ecke Weg beim Jäger (Groß Borstel)
ehemals Lager Sportstraße, Lager der Deutschen Arbeitsfront (DAF)
Vereinigte Deutsche Metallwerke AG, Zweigniederlassung Hamburg (VDM)
Odette Lepineux kam am 4. Dezember 1944 in Hamburg zur Welt. Ihre Eltern, Virginia Lepineux, geb. van der Meersche, geb. am 29.3.1903 in Bruxelles, und Raould Lepineux, geb. am 20.12.1899 in Mont-Lucon/Frankreich, waren römisch-katholischen Glaubens. Aus ihrer Heimat Frankreich verschleppt, musste Virginia Lepineux in Hamburg-St. Pauli als "Küchenhilfe" im Fremdenheim, Reeperbahn 154, Zwangsarbeit leisten.
Im zweiten Monat ihrer Schwangerschaft wurde sie am 2. Mai 1944 in Haft genommen und musste über zwei Monate bis zum 10. Juli 1944 im Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel einsitzen. Der Grund dafür konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. In der Ausländermeldekartei ist für Raould Lepineux angegeben "lebt getrennt".
Am 14. Juli 1944 wurde Virginia Lepineux im Restaurant Köhler, Lilienstraße 36, als "Küchenhilfe" eingesetzt, am 21. August 1944 kam sie in das Lager Bei den Kirchhöfen 31, zur Zwangsarbeit für die Blohm & Voss KG, Schiffbau, und/oder die Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW). Im achten Monat ihrer Schwangerschaft erfolgte am 10. Oktober 1944 ihre Verlegung nach Hamburg-Groß Borstel in das Lager Sportstraße zur Zwangsarbeit in der Küche für die Deutsche Arbeitsfront (DAF), Vereinigte Deutsche Metallwerke AG (VDM). Einen Monat vor der Geburt ihres Kindes kam Virginia Lepineux am 5. November 1944 in die Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst.
Acht Tage nach der Entbindung kehrte sie mit ihrer Tochter Odette am 12. Dezember 1944 zurück in das Lager Sportstraße. Dort musste Odette die kurze Zeit ihres Lebens verbringen. Die Ernährungs- und Lebensbedingungen waren für sie völlig unzureichend.
Innerhalb der nächsten Monate wurde Odette in das Hilfskrankenhaus Wintermoor, Ehrhorn/Krs. Soltau, eingeliefert. Dort verstarb sie am 1. März 1945 um 8:45 Uhr. Im Sterberegister ist als Todesursache angegeben "Seborrhroische Dermatis" (chronisch-entzündlicher, schuppender Hautauschlag).
Für ihre Eltern ist verzeichnet "wohnhaft: Hamburg-Großborstel D.A.F. Lager". Des Weiteren findet sich der Eintrag: "eingetragen auf schriftliche Anzeige der Krankenhaus-Sonderanlagen, Aktion Brandt – Anlage Wintermoor". Dies deutet darauf hin, dass Odette durch gezielte Vernachlässigung, durch Verhungernlassen oder durch eine Überdosis von Medikamenten getötet wurde, wie auch einige Säuglinge aus dem "Lager Tannenkoppel" in Langenhorn.
Odette wurde 2 Monate, 3 Wochen und 4 Tage alt.
Dreizehn Tage nach ihrem Tod fand ihre Beisetzung am 14. März 1945 auf dem Friedhof Ohlsdorf statt, Grablage: Q 39, Reihe 9, Nr. 28. Ihr Grab ist nicht mehr erhalten. Ende des Jahres 1959 wurde es zusammen mit mindestens 146 Gräbern der Kinder von Zwangsarbeiterinnen auf Areal Q 39 eingeebnet.
Virginia Lepineux wurde nach Hamburg-Barmbek verlegt und am 12. April 1945 im Lager Rübenkamp, ein unbewachtes Lager der DAF, registriert. In einem der dort ansässigen Betriebe leistete sie Zwangsarbeit, entweder in der Arbeitsgemeinschaft Eisen und Metall, bei Eggert & Voss, Bauunternehmen, bei Eduard Wulff, elektrische Licht- und Kraftanlagen, oder im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort e. V.
Erläuterungen:
Bei der von Karl Brandt, Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, geleiteten und nach ihm benannten "Aktion Brandt" wurden ab 1943 Patientinnen und Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten in andere Pflegestätten und Ausweichkrankenhäuser verlegt, offiziell um Bettenplätze für die zunehmende Anzahl von Kriegsverletzten freizumachen. Vielfach wurden sie dort durch gezielte Vernachlässigung, Verhungernlassen oder eine Überdosierung von Medikamenten getötet. Die "Aktion Brandt" wird deshalb als "regionalisierte Euthanasie" oder als "dezentrale Euthanasie" bezeichnet. Sie stand in der Nachfolge der "T 4-Aktion", der gezielten "Euthanasie"-Ermordung von psychiatrischen Patientinnen und Patienten, die auf Grund des Widerstandes von Kirchenvertretern beider Konfessionen, von Teilen der Bevölkerung und einiger Anstalten im August 1941 offiziell eingestellt worden war.
Karl Brandt wurde im Jahre 1947 bei dem Nürnberger "Ärzteprozess" als einer der Hauptverantwortlichen der NS-"Euthanasie"-Verbrechen zum Tode verurteilt und im Jahr darauf hingerichtet.
Die "Krankenhaus-Anlage-Wintermoor” wurde 1942/43 als Hamburger Ausweichkrankenhaus aufgebaut: Zwangsarbeiter, sowjetische Kriegsgefangene und italienische Militärinternierte errichteten es unter der Leitung der "Organisation Todt" (OT), einer paramilitärisch gegliederten Sonderorganisation des NS-Staates, die kriegswichtige Bauprojekte durchführte. Nach dem Unfalltod ihres Gründers und Organisators Fritz Todt im Februar 1942 wurde die Leitung der OT Albert Speer, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, übertragen. Elf sowjetische Kriegsgefangene von etwa 100 Kriegsgefangenen des Außenlagers StaLag (Stammlager) Sandbostel, die in einer Holzbaracke in Ehrhorn untergebracht waren und beim Aufbau des Krankenhauses Wintermoor ums Leben kamen, sind namentlich bekannt. Polnische Zwangsarbeiterinnen arbeiteten im Krankenhausbetrieb in der Küche und als Reinigungskräfte.
Stand: Juli 2025
© Margot Löhr
Quellen: Standesamt Hamburg-Uhlenhorst, Geburtsregister Nr. 2114/1944 Odette Lepineux; Standesamt Ehrhorn, Sterberegister 58/1945 Odette Lepineux; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939–1945, 741-4 Fotoarchiv, K 4597; StaH 332-8 Meldewesen, Hausmeldekartei, 741-4 Fotoarchiv, K 2357 Sportstraße DAF Lager; ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of Krankenhausliste Frauenklinik Finkenau 2.1.2.1 / 70646029, Geburtsurkunde 2.2.2.3 / 76995859, Sterbeurkunde 2.2.2.4 / 77092332; ITS Archives, Bad Arolsen Copy of 2.1.2.1 / 70639597 Namenliste verstorbener französischer Staatsbürger, Stadt Hamburg; http://www.zwangsarbeit-in-hamburg.de, eingesehen 18.2.2016; https://archiv-winter moor.de/allgemein/zwangsarbeit, eingesehen 12.1.2017; http://www.gedenkorte-europa.eu/de_de/ar ticle-organisation-todt-ot.html, eingesehen 12.1.2017; Archiv Friedhofsverwaltung Ohlsdorf, Beerdigungsregister 1945.