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Bereits verlegte Stolpersteine



Hanna Meyer * 1920

Grindelhof 9 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grindelhof 9:
Hilda Gutmann, Ilse Gutmann, John Löwenstein, Paula Meyer, Max Rosenblum, Jenny Rosenblum, Erich Rosenblum

Paula Meyer, geb. Winsen, geb. am 15.5.1890 in Altona, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, für tot erklärt zum 8.5.1945
Hanna Meyer, geb. am 8.8.1920 in Altona, deportiert nach Lodz am 25.10.1941, für tot erklärt zum 8.5.1945
Bernhard Meyer, geb. am 19.1.1891 in Bickern/Gelsenkirchen, Flucht nach Amsterdam 1937, interniert in Westerbork, deportiert nach Sobibor 1943, für tot erklärt zum 8.5.1945
Peter Ferdinand Moritz Meyer, geb. am 5.12.1922, Flucht nach Amsterdam 1939, interniert in Westerbork, deportiert nach Auschwitz 1942, dort ermordet am 17.8.1942

Grindelhof 9

Paula Winsen war die Tochter von Ferdinand und Bertha, geborene Stern. Sie hatte zwei Schwestern namens Clara und Rosa sowie einen Bruder namens Walter.

Am 20. September 1913 heiratete Paula den am 19. Januar 1891 in Bickern im Kreis Gelsenkirchen geborenen Kaufmann Bernhard Meyer auf dem Bezirksamt II in Altona-Ottensen. In dieser Stadt vor den Toren Hamburgs ließ sich das junge Ehepaar zunächst nieder. Drei Kinder machten die Familie komplett: Lotte, geboren am 24. Februar 1914, Hanna, geboren am 8. August 1920, und Peter Ferdinand Moritz, geboren am 5. Dezember 1922. Paula war Hausfrau und kümmerte sich um die Erziehung der Kinder, während Bernhard in der Hamburger Straße in Barmbek das Strickwarenhaus Apolda betrieb und der Familie so ein gesichertes Einkommen verschaffte. Als Inhaber war Bernhard in dem Geschäft stets präsent und bediente die Kunden oft persönlich, wie aus einer Beschreibung von Paulas Schwester Clara, verheiratete Gudemann, hervorgeht. Mit dem Geschäft verdiente Bernhard zwischen 6000 und 8000 Reichsmark (RM) jährlich, was der Familie ermöglichte, eine gut ausgestattete 4-½-Zimmer-Wohnung in der Bismarckstraße 106 in Eimsbüttel zu halten und die drei Kinder auf eine Privatschule zu schicken. In die Wohnung war die Familie am 27. Oktober 1931 eingezogen, nachdem sie zuvor in Othmarschen in der Braunstraße 32 sowie in der Bahnhofsstraße 88 in Altona gelebt hatte.

Zur gutbürgerlichen Einrichtung der Wohnung gehörten echte Orientteppiche und Tafelsilber für den täglichen und festlichen Gebrauch, "das Esszimmer aus schwarzer Eiche, die Schlafzimmer aus Mahagoni, das Wohnzimmer aus Eiche mit Ledersesseln, Schreibtisch, geschnitzten Küchenstühlen und der Bücherschrank".

Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 und die damit einhergehenden Verfolgungsmaßnahmen gegen deutsche und europäische Jüdinnen und Juden betrafen auch Familie Meyer, zerstörten ihre Lebensgrundlage und rissen sie im Laufe der Jahre auseinander.

Die älteste Tochter Lotte hatte eine Ausbildung zur Schneiderin absolviert. Zwischen dem 17. Juli und 19. August 1936 gelang es ihr, 22-jährig, über Holland nach Südafrika auszuwandern. Ein Dokument aus dem Jahr 1938 belegt, dass sie in Kapstadt lebte, wo sie eine Familie gründete und so lange wie möglich Briefkontakt zu ihrer Familie in Holland und Deutschland hielt.

Die Situation in Deutschland verschlechterte sich für die Familie stetig. Bernhard konnte das Geschäft in der Hamburger Straße nicht halten. Zwischen 1930 und 1936 gingen die jährlichen Einnahmen von etwa 21000 RM auf 7000 RM zurück, und zum 1. Oktober 1937 wurde das Geschäft schließlich geschlossen. Ein gutes Jahr später, am 8. Juli 1938, wurde das Strickwarenhaus Apolda durch einen Beschluss "von Amts wegen" aus den Handelsregistern gelöscht. Bernhard Meyer war ein Opfer der fortschreitenden "Arisierung" der deutschen Wirtschaft geworden und wanderte noch im November 1937 nach Holland aus. Seine Adresse in Amsterdam lautete Krammerstraße 30. Wegen des für Ausländerinnen und Ausländer geltenden Arbeitsverbots gelang ihm nicht, sich eine neue Existenz aufzubauen, sodass er von Unterstützungszahlungen leben musste.

Nach Bernhards Flucht zogen Paula, Hanna und Peter zusammen mit Paulas Schwester Rosa in die Bogenstraße 15 im Hamburger Grindelviertel. Paula strebte im Sommer 1938 für Peter ebenfalls eine Auswanderung an. Ein entsprechendes Dokument datiert vom 13. August. Der Junge sollte – womöglich wie seine Schwester über Holland – zu seinem Onkel, Paulas Bruder Walter Winsen, nach Johannesburg ziehen und dort im Oktober eine Lehre beginnen. Eine Schiffspassage, die Peter ebenso wie nötige Kleidungsstücke als Schenkung von dem Verwandten Martin Gudemann aus Hildesheim erhalten hatte, war für den 5. Oktober des Jahres gebucht. Außer seinem Fotoapparat nahm Peter nur Kleidung und Bettzeug mit. Als Gegenwert für das Reisegut sollten 374 RM Dego-Abgabe entrichtet werden – eine Auswanderungssteuer, die Juden auferlegt wurde, um ihnen vor der Auswanderung noch Geld abzupressen. In seinem Ausreiseantrag bat Peter darum, ihnen diese Sonderabgabe zu erlassen, da seine Familie völlig mittellos sei.

Es gelang Peter, von Hamburg aus zunächst Holland zu erreichen. Dort befand er sich noch im Februar 1939, als ihm weiteres Auswanderungsgut nachgesandt wurde, unter anderem 83 Bücher, 28 Schulhefte und Schreibzeug. Südafrika sollte er allerdings nicht erreichen. Seine letzte selbst gewählte Adresse war die Millestraat 32II in Amsterdam. Paula und Hanna blieben in Hamburg zurück.

Anfang 1940 zogen beide aus der Bogenstraße als Untermieter von Max Rosenblum in den Grindelhof 9 II. Aufgrund der immer beengteren Wohnverhältnisse hatten sie die Möbel aus der Bismarckstraße längst veräußern müssen. Vom 12. Februar 1940 datiert ein erster Brief von ihnen aus der Wohnung im Grindelhof. Paula, die kein Einkommen hatte, bekam als Unterstützung von ihrer Schwiegermutter die Hälfte von deren Kriegswitwenrente aus der Zeit des Ersten Weltkrieges geschickt. Ab dem 19. September 1941 mussten die Frauen als "Volljüdinnen" den "Judenstern" tragen, der sie weithin als Jüdinnen erkennbar und ihr Leben somit noch schwerer machte.

Wenige Wochen später, zum 25. Oktober 1941, erhielt Paula den Deportationsbefehl. Hannas Name hingegen befand sich auf einer Liste von 200 Juden und Jüdinnen, die an dem Transport nur dann teilnehmen sollten, falls es unter den 1000 vorgesehenen Opfern Ausfälle gab. Das muss eingetreten sein oder Hanna entschied sich bewusst, ihre Mutter zu begleiten. Letztlich nahm sie an dem Transport teil, der am 25. Oktober um 10.10 Uhr vom Hannoverschen Bahnhof abging und am folgenden Tag gegen 11 Uhr im Getto Lodz eintraf. Von dort kam am 11. April 1942 eine letzte Nachricht von Hanna, die noch immer mit Paula zusammen war. Danach verliert sich die Spur der beiden Frauen.

Sie wurden im Rahmen des von der Tochter Lotte angestrengten Wiedergutmachungsverfahrens mit Kriegsende auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Einiges ist zum weiteren Lebensweg des Ehemanns Bernhard und des Sohnes Peter bekannt. Nach Kriegsbeginn war es Bernhard unmöglich, zu Paula und Hanna Briefkontakt zu halten, wie er in einem seiner letzten Briefe an Lotte zum Ausdruck brachte. Ab dem 2. Mai 1942 mussten Jüdinnen und Juden auch in Holland den "Judenstern" tragen. Am 15. Juli 1942 wurde Peter in Amsterdam verhaftet und ins "Durchgangslager" Westerbork gebracht. Noch am gleichen Tag wurde er weiter nach Auschwitz deportiert, wo er die Häftlingsnummer 4747 erhielt. Bernhard muss gewusst haben, wo Peter sich befand, da er Lotte über das Rote Kreuz aus Westerbork schrieb, er habe seit dem Tag seiner Verhaftung keine Nachricht mehr von Peter "aus Birkenau" erhalten. Peter starb dort am 16. oder 17. August 1942.

Bernhard selbst wurde, wie es sich an den Daten zweier Briefe an Lotte ergibt, zwischen dem 7. April und 19. Mai 1943 nach Westerbork gebracht und blieb dort ungefähr einen Monat, ehe er als "Jude" nach Sobibor deportiert wurde. Seither gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Hier widersprechen sich einige Daten in den Akten. Während es von Bernhard noch einen Brief aus Westerbork vom 19. Mai 1943 geben soll, wurde er angeblich dem Transport nach Sobibor am 18. Mai zugeteilt.

Paulas Schwester Clara Gudemann überlebte den Krieg in New York.

Stand: Juli 2017
© Anne Lena Meyer

Quellen: 1; 2, 314-15 Oberfinanzpräsident Fvg 7087; 8; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 40116; digitales Archiv ITS Bad Arolsen, Teilbestand 1.2.1.1, Dokument ID 11198251 – Transportlisten Gestapo; ebd. Teilbestand 1.2.1.1, Dokument ID 11198203 – Transportlisten Gestapo; ebd. Teilbestand 1.2.1.1, Dokument ID 11198231 – Transportlisten Gestapo; National Archives of the Netherlands, 2.04.58, inv. 130 and others; www.dokin.nl/deceased-children/peter-ferdinand-moritz-meyer-born-5-dec-1922 (letzter Aufruf: 22.5.2016); www.joodsmonument.nl/en/page/169333/bernard-meijer (letzter Aufruf: 22.5.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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