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Bereits verlegte Stolpersteine



Jenny Belmonte (geborene Simon) * 1860

Eppendorfer Weg 62 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1942 Theresienstadt
tot 13.05.1944

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Weg 62:
Gustav Abendana Belmonte, Alfred Belmonte, Paul Belmonte, Salomon Belmonte, Wilibald Belmonte

Gustav Abendana Belmonte, geb. am 13.8.1891 in Hamburg, inhaftiert im KZ Fuhlsbüttel 1938/1939, deportiert nach Theresienstadt am 19.7.1942, deportiert nach Auschwitz am 16.10.1944

Jenny Belmonte, geb. Simon, geb. am 21.12.1860 in Altona, deportiert nach Theresienstadt am 19.7.1942, dort gestorben am 13.5.1944

Alfred Belmonte, geb. am 4.9.1895 in Hamburg, ermordet am 29.4.1939 im KZ Fuhlsbüttel

Paul Belmonte, geb. am 2.6.1894 in Hamburg, ermordet am 29.4.1939 im KZ Fuhlsbüttel

Salomon Belmonte, geb. am 29.9.1890 in Hamburg, ermordet am 30.4.1939 im KZ Fuhlsbüttel

Wilibald Belmonte, geb. am 27.9.1892 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Eppendorfer Weg 62

Die portugiesisch-jüdische Familie Belmonte, deren Vorfahren möglicherweise schon seit dem 17. Jahrhundert in Hamburg ansässig waren, ist nicht untypisch für alteingesessene, wohlhabende Hamburger Juden, deren Assimilationsprozess mit sozialem Aufstieg einherging. Salomon Abendana Belmonte (geb. 1843), promovierter Jurist, wurde Rechtsanwalt, Kaufmann sowie Journalist und Chefredakteur der Zeitschrift "Die Reform", war Mitglied der Loge "Ferdinande Caroline" und gehörte bis zu seinem Tod im Jahre 1888 der Hamburgischen Bürgerschaft an. Darüber hinaus bekleidete er das Amt eines Vorstandsmitgliedes in der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Sein Bruder Michael Abendana Belmonte (geb. 1855, gest. 1939) betätigte sich erfolgreich im Finanzwesen und gründete eine Bank, die er – später zusammen mit seinem Sohn Willibald – bis 1938 in bester Hamburger Lage am Jungfernstieg 30 betrieb. Auch Michael Belmonte gehörte dem Vorstand der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde an, deren Synagogen in der Markusstraße bzw. in der Innocentiastraße 37 lagen. Die Eltern von Salomon Abendana Belmonte und Michael Belmonte hießen Salomon Abendana Belmonte und Brayne Belmonte, geb. Wagner.

Michael Belmonte und Jenny Simon heirateten am 20. Juni 1889. Aus der Ehe gingen fünf Söhne hervor: Salomon Abendana (geb.1890), Gustav Abendana (geb. 1891), Wilibald Abendana (geb. 1892), Paul Philipp Abendana (geb. 1894) und Alfred Isaac Abendana (geb. 1895), die sich später als Kaufleute betätigten. Als die Söhne geboren wurden, wohnte die Familie in der Marienstraße 59 in St. Pauli, der heutigen Simon-von-Utrecht-Staße. Um die Jahrhundertwende lebte die Familie dann in der Schanzenstraße 62. 1905 wurde die Ehe geschieden.

Die Brüder und ihr Vater Michael Abendana Belmonte waren bis in die 1930er Jahre Inhaber verschiedener Firmen, wobei Privat- und Geschäftsadressen nach den Angaben in den Adressbüchern nicht eindeutig zu unterscheiden sind.

1934/35 waren die Brüder Alfred und Paul Belmonte aus der Schanzenstraße 62 in die Schäferkampsallee 11 gezogen, gleichzeitig Anschrift ihrer Privatadresse sowie ihrer Firma P(aul) und A(lfred) Belmonte. Der Vater Michael Belmonte lebte mit ihnen in der Schäferkampsallee 11. Seine Bank hatte ihre Räume im Haus Jungfernstieg 30, wo sich auch eine von Paul und Alfred Belmonte betriebene Kommissionsniederlassung befand. Beide Firmen wurden 1938 in den Neuen Wall 54/60 verlegt. Für die Wohnung in der Schäferkampsallee beschäftigten Vater und Söhne die jüdische Haushälterin Bertha Simon (geb. 12.11.1862), die am 10.3.1943 nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie noch im selben Jahr im Alter von 81 Jahren verstarb.

Was konnten die Belmontes, die fünf erwachsenen, nicht unvermögenden, im Banken- und Geschäftsleben stehenden Söhne "in den besten Jahren" in der bedrängten Situation des Jahres 1938 noch unternehmen, um ihren Ruin aufzuhalten? Als Bankiers dürften sie in der Lage gewesen sein, abzuschätzen, welche Folgen die restriktiven Maßnahmen der Devisenstellen nach sich zogen, auswanderungswilligen Juden durch Steuern, Abgaben und "Sicherungsanordnungen" ihr Vermögen bzw. die freie Verfügung darüber zu entziehen. In einem Prüfungsbericht der Oberfinanzdirektion im November 1938 über die Familie hieß es: "Auswanderungsabsichten sind nicht festgestellt worden". Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Belmontes versucht hätten, die Devisengesetzgebung zu umgehen, etwa indem sie illegal Geld ins Ausland transferierten. Gleichwohl überwachten die Devisenstellen die Bankiers und andere "kapitalfluchtverdächtigen Personen" besonders scharf.

Gegen Michael Belmonte wurde im September 1938 eine "Sicherungsanordnung" erlassen, die sich auf den Inhalt seiner Bankschließfächer bezog, über die er fortan nur noch mit Genehmigung der Devisenstelle Hamburg verfügen durfte. Zuvor hatte die Zollfahndung die Schließfächer, die die Belmontes bei den Banken unterhielten, durchsucht und die vorgefundenen Wertpapiere auf gesperrte Depots bei der Vereinsbank und bei der Deutschen Bank übertragen. Das geht aus einem Schreiben vom Oktober 1938 hervor, mit dem die Devisen- von der Zollfahndungsstelle über einen sogenannten Kapitalfluchtverdacht gegen Michael und Wilibald Belmonte unterrichtet wurde. Darüber hinaus regte die Zollfahndung die Anordnung einer Devisenprüfung an. Damit wollte man sich des Privatvermögens von Willibald Belmonte bemächtigen, was zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht möglich war, da zwischen seinem Firmen- und Privatvermögen noch nicht unterschieden werden konnte. Wegen der unterstellten Devisenvergehen wurde im Dezember 1938 auch gegen Wilibald Belmonte eine "Sicherungsanordnung" erlassen. Nachfragen bei seinen Banken ergaben jedoch keinerlei Hinweise auf "Unregelmäßigkeiten". Seine Aktien im Depot der Vereinsbank waren ohnehin schon für das Finanzamt Hamburg-Neustadt gesperrt und bei der Deutschen Bank unterhielt er kein Privatdepot.

Der Novemberpogrom hatte für die Familie Belmonte gravierende Konsequenzen. Die Schließung der Firma Michael Belmonte stand kurz bevor, sie trat nach einem Aktenvermerk "mit dem 31.12.38 in Liquidation". Alfred und Salomon Belmonte gehörten zu den 900 Männern, die – meist aus wohlhabenden jüdischen Familien stammend – infolge des Pogroms ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht und später ins KZ Sachsenhausen verschleppt wurden. Im Januar 1939 wurden sie entlassen, vermutlich deshalb, weil die Familie Auswanderungsvorbereitungen (für sie) getroffen hatte. Zur Auswanderung kam es jedoch nicht mehr. Die Zollfahndung leitete im April 1939 ein Ermittlungsverfahren wegen "dringenden Verdachts der Zuwiderhandlung gegen das Devisengesetz", u.a. gegen die Inhaber des Bankgeschäftes Michael Belmonte ein. Wilibald und Gustav Belmonte wurden verhaftet und vernommen. Einzelheiten über die Zuwiderhandlung gehen aus den Akten nicht hervor. Anzunehmen ist, dass die Familie den als strafbar geltenden Versuch unternommen hatte, - wohlgemerkt eigene – Gelder oder Waren ins Ausland zu transferieren. Im Juli erschien in der Hamburger Presse ein Artikel, der weitere Aufschlüsse liefert. Darin hieß es, die Brüder Gustav und Wilibald Belmonte hätten gegen die Anordnung verstoßen, ihren Besitz an Edelmetallen bei einer öffentlichen Ankaufsstelle des Reiches abzuliefern. Ihnen werde vorgeworfen, "eine goldene Uhr mit Kette, Manschettenknöpfe und Bestecke" nicht abgeliefert, sondern versucht zu haben, diese über Mittelsmänner nach Holland zu transferieren. Die Brüder wurden zu sechs bzw. zehn Wochen Gefängnis und einer Geldstrafe von je 200 RM verurteilt.

Vorgeschobene Gründe für die Verfolgung und Erniedrigung bezogen sich aber nicht nur auf das Geschäftsgebaren der männlichen Familienmitglieder, sondern auch auf die ganz persönliche Lebensführung. In den Akten hat sich ein Vernehmungsprotokoll aus dem April 1939 erhalten. Wilibald musste sich einer demütigenden Befragung unterziehen, in der ihm "Rassenschande" mit einer Prostituierten vorgeworfen wurde und er im Detail Auskünfte zu seinen sexuellen Praktiken geben musste.

In Zusammenhang mit den eingeleiteten Ermittlungsverfahren ist auch die Verhaftung der Familie Ende April 1939 durch die Gestapo zu sehen: Am 26., 27. und 28. April wurden alle Belmonte-Brüder sowie ihre Mutter Jenny Belmonte von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel gebracht. Nach den Erinnerungen Max Plauts, dem Geschäftsführer des Jüdischen Religionsverbandes, wurden lediglich drei der Brüder verhaftet, ein vierter soll geflohen sein. Max Plaut nahm an einer Tagung teil, als er – vermutlich von der Gestapo – angerufen wurde und man ihm mitteilte: "’Die drei Belmonte-Brüder sind tot. Die haben sich erhängt.’(…) Die waren auch tatsächlich alle drei am Fensterkreuz erhängt worden." Unter der Aufsicht der Gestapo wurden die Leichen der Brüder Alfred, Paul und Salomon Belmonte von jüdischen Gemeindemitgliedern gewaschen. "Die Körper waren fürchterlich zugerichtet von Schlägen. Mit Werkzeugen müssen die geschlagen worden sein, sie waren alle drei bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet worden." Die Gestapo stellte die Totenscheine aus. Als Todesursache wurde bei allen "Selbstmord durch Erhängen" angegeben. Obwohl die Brüder vermutlich am selben Tage zu Tode gefoltert worden waren, hatte die Gestapo unterschiedliche Sterbedaten eingetragen: Alfred und Paul Belmonte starben danach am 29. April 1939 im Suhrenkamp 98, ihr Bruder Salomon einen Tag später. Im Suhrenkamp 98 befindet sich heute die Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel. Michael Belmonte überlebte den Mord an seinen Söhnen nur um wenige Tage. Am 1. Mai 1939 starb er im Alter von 83 Jahren im Israelitischen Krankenhaus – möglicherweise in Folge eines Selbstmordversuches. Im Sterberegister ist als Todesursache Sklerose und Pneumonie eingetragen. Die Liquidation seiner Firma wurde im September 1940 vom Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen durch die Einsetzung eines Liquidators, des Wirtschaftsprüfers Heinrich Mäurer, forciert. Von dem Verfahren betroffen waren auch Jenny Belmonte und ihre Söhne Gustav und Wilibald, letzterer als Mitinhaber der Firma. Aus einem Schreiben des Liquidators geht hervor, dass die Firma über einen großen Besitz an Wertpapieren verfüge und eine Trennung von Geschäfts- und Privatpapieren noch immer nicht erfolgt sei. Deshalb schlage der Prüfer vor, die "Sicherungsanordnung" auf sämtliche Wertpapiere, die der Firma Michael Belmonte gehörten, auszudehnen. Fünf Monate später, Ende Februar 1941, war die Entflechtung des Vermögens abgeschlossen, so dass der Wirtschaftsprüfer die Beendigung der Liquidation der Firma Michael Belmonte anzeigen konnte. Inzwischen war auch eine "Sicherungsanordnung" gegen Gustav Belmonte ergangen.

Das Adressbuch von 1942 verzeichnet Jenny und Wilibald Belmonte noch unter Eppendorfer Weg 62, obwohl die Eintragung längst veraltet war. Wilibald Belmonte war bereits am 8. November 1941 nach Minsk deportiert worden. Im Juli 1942 wurden eine Geige und eine Schreibmaschine aus seinem Besitz öffentlich versteigert. Ab Mai 1942 wohnte Gustav Belmonte in der Rutschbahn 25 a, Haus 1, vermutlich zusammen mit seiner Mutter, die 1942 unter dieser Adresse gemeldet war. Bei dem Gebäude handelte es sich um ein "Judenhaus". Jenny und Gustav Belmonte wurden am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Die tragische Geschichte der Familie Belmonte zeigt nicht nur, dass auch alteingesessene, verdiente, wohlhabende jüdische Familien von der Enteignungspolitik des NS-Regimes daran gehindert wurden, auszuwandern, sondern dass gerade sie besonders unnachgiebig verfolgt wurden.

Zum Lebenslauf von Gustav Abendana Belmonte erfahren wir noch einiges aus den Akten: auf St. Pauli geboren, besuchte er dort die Realschule und verließ diese mit dem Einjährigen. Danach machte er eine kaufmännische Lehre bei einer Hamburger Firma und ging einige Jahre bis zum Kriegsbeginn 1914 als Handlungsgehilfe nach Berlin zu der Firma Orenstein & Koppel. Dann kam er zur Firma Schaefer & Scael nach Düsseldorf und wurde 1915 Soldat. Er nahm am Russlandfeldzug teil und kehrte Ende 1915 nach Deutschland zurück. wo er bei der Reichspost in Düsseldorf Arbeit als Postaushelfer fand. Anschließend arbeitete er bis 1919 bei der Düsseldorfer Geldschrankfabrik Peltz, wo er bis 1920 blieb. Später kehrte er zu seinem Vater nach Hamburg zurück und war vorübergehend in dessen Bankgeschäft tätig. Gustav Abendana hatte aber musische Interessen und war vermutlich nie wirklich zufrieden mit seinen kaufmännischen Berufen. Er trug sich mit Gedanken eines MUsikstudiums und unterzog sich einer Ausbildung als Schauspieler und Sänger. 1929 – im Alter von 38 Jahren – übernahm er verschiedene Handelsvertretungen, wobei er lange Zeit von seinem Vater, bei dem er zuletzt auch wohnte, finanziell unterstützt wurde. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung und Vernehmung gab er als Beruf Vertreter für Öle und Fette an. Aus einem Reisepassprotokoll aus dem Jahr 1924, als Gustav Abendana Belmonte einen Reisepass für Dänemark und Schweden beantragt hatte, ergeben sich Hinweise auf seine äußere Gestalt: Er war mittelgroß, hatte ein längliches Gesicht, dunkelbraune Augen und schwarze Haare.

Gustav Abendana Belmonte überlebte die entsetzlichen Haftbedingungen in Theresienstadt, den Hunger und die Strapazen. Doch dem Weitertransport im Oktober 1944 nach Auschwitz entkam er nicht. Dieser Transport am 16. Oktober 1944, der ungefähr 1500 Menschen umfasste, wird auch als "Künstlertransport" bezeichnet. Bis dahin hatten die Nationalsozialisten die Künstler in Theresienstadt für propagandistische Zwecke benutzt, um Theresienstadt als jüdische Mustersiedlung präsentieren zu können. Viele Musiker und Komponisten, die an der Oper Brundibar mitgewirkt hatten, wurden mit diesem Transport in den Tod geschickt.

Stand: April 2023
© Susanne Lohmeyer, Astrid Louven

Quellen: 1;2;4;5; StaH 213-11, 60402; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen, 140; StaH 231-7 Handelsregister, HRA 11 444 Firma Michael Belmonte; StaH 332-5, 2231 + 4111/1890; StaH 332-5 Standesämter 2258 + 3429/1891; StaH 332-5, 2289 + 3914/1892; StaH 332-5, 2344 + 2192/1894; StaH 332-5, 2375 + 3015/1895; StaH 332-5, 9907 + 228/1939; StaH 332-5, 9907 + 229/1939; StaH 332-5, 9907 + 230/1939; StaH 332-5, 1103 + 273/1939; StaH 332-5_8543; StaH 332-8 Meldewesen A24 Bd. 318 Nr. 23355; StaH 351-11 AfW AZ 130891, AZ 051055; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 992e 2 Band 5 Deportationslisten; Hamburger Anzeiger 52 (1939), Nr. 170 (24.7.1939), S. 11; Michael Studemund-Halévy, Die Hamburger Nachkommen des Amsterdamer Kaufmanns Jacob Israel Belmonte, in: Festschrift 25 Jahre Galerie Morgenland Geschichtswerkstatt Eimsbüttel, S. 141ff; Auskunft Archiv Sachsenhausen; Gedenkbuch Konzentrationslager Fuhlsbüttel; Totenlisten Fuhlsbüttel, Dokumentenhaus Neuengamme, Liste vom 24.6.1987 und 27.2.1987; WdE, Erinnerung Dr. Max Plaut; "Wo Wurzeln waren S.142ff; Gräber auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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