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Moses Möllerich * 1876

Isestraße 15 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Lodz
ermordet 10.05.1942

Weitere Stolpersteine in Isestraße 15:
Julie Behrens, Rahel Ortheiler

Moses (Moritz) Möllerich, geb. 21.9.1876 in Wolfhagen, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz

Moses Möllerich wurde als drittes Kind in eine wohlhabende jüdische Familie in Wolfhagen hineingeboren. Seine Eltern waren Wolf und Friederike Möllerich, geb. Speyer-Weißenbach. Zur Familie zählten noch vier Schwestern und ein jüngerer Bruder.

Den heute noch lebenden Angehörigen ist Moses Möllerich als Moritz Möllerich bekannt. Auch die 1937 angelegte Kultussteuerkarteikarte der jüdischen Gemeinde Hamburg ist auf Moritz ausgestellt. Die Nationalsozialisten jedoch lehnten seine Bemühungen um eine Eindeutschung des Namens ab: In den Deportations- und Todeslisten des Gettos Lodz findet sich erneut der Name Moses Möllerich. Vermutlich wollte Moses Möllerich mit der Namensänderung Vorurteilen und Repressalien entgehen. Seit wann er sich Moritz nannte, lässt sich nicht rekonstruieren.

Moses Möllerich war verheiratet mit Jette (genannt Jettchen), geborene Würzburger. Sie war am 29.5.1884 in Bieringen/Württemberg als Tochter des Heinrich und der Hanna Würzburger geboren worden. Am 16. Juli 1914 wurde die gemeinsame Tochter Margarete geboren.

Familie Möllerich betrieb ein Eisen- und Baustoffgeschäft in der Schützeberger Straße 39 in Wolfhagen. Im Haus nebenan, in der sogenannten Steinkammer, lebte und arbeitete der jüngere Bruder Josef Möllerich mit seiner Frau Selma und den beiden Kinder Edith und Wolfgang. Auch sie führten ein Geschäft. Zudem übernahmen die Brüder das Geschäft des Vaters "Firma Wolf Möllerich".

Die Akten im Hamburger Staatsarchiv belegen, dass Josef Möllerich federführend war, auch die Zwangsarisierung von Hamburg aus betrieb wie auch die später durchgeführten Zwangsverkäufe der Firma, des Hauses der Eltern in der Burgstraße 10 und weiterer Wiesen- und Gartengrundstücke der Familie.

Über die Zeit, in der Moses Möllerich in Wolfhagen lebte, ist relativ wenig bekannt. Aus den Akten geht lediglich hervor, dass die beiden Brüder dort neben ihren Wohnhäusern in der Schützeberger Straße noch das elterliche Haus in der Burgstraße 10 besaßen. Außer­dem existierte eine Liste mit offenen Forderungen an Wolfhagener Bürger.

Bereits kurz nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler erfolgten auch in Wolfhagen erste antisemitische Maßnahmen: Bereits Ende April 1933 beschloss der Magistrat der Stadt, einen Antrag an die Regierung zu stellen, um die jüdische Schule zu schließen. Drei Tage später wurde der den jüdischen Gemeinden gewährte jährliche Zuschuss um mehr als die Hälfte gekürzt, aus dem unter anderem die Schule finanziert wurde. Ab 1. Mai 1933 mussten die jüdischen Kinder die öffentliche Schule in Wolfhagen besuchen, wo sie offenen Anfeindungen ausgesetzt waren. Am 1. Januar 1934 wurde die Israelitische Schule zu Wolfhagen endgültig geschlossen. Ein Wolfhagener, der die Möllerichs kannte, erinnerte sich, der Jüngste, Wolfgang, sei immer mit Unbehagen und Bauchschmerzen in die Schule gegangen. Boykottaufrufe gegen jüdische Händler und Geschäfte folgten ebenso wie weitere Repressalien und Demütigungen.

Um dem zu entgehen, zogen Moses Möllerich und seine Frau im Mai 1937 von Wolfhagen nach Hamburg, in der Hoffnung, in der Anonymität der Großstadt ein besseres Leben führen zu können. Das Ehepaar bezog eine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses Isestraße 15.

Die Tochter Margarete hatte im Juni 1937 geheiratet und lebte mit ihrem Mann Josef Rosenthal in Wetzlar. Das frischvermählte Ehepaar verbrachte kurz darauf seine Hochzeitsreise in Italien und wurde bei seiner Rückkehr von der Gestapo verhaftet und verhört. Margarete und Josef Rosenthal wurden beschuldigt, Geld aus Deutschland geschmuggelt zu haben. Auch die Eltern von Josef Rosenthal sowie Moses und Jette Möllerich wurden in dieser Angelegenheit vernommen. Am 10. August 1937 verstarb Jettchen Möllerich. In der Familie Rosenthal ist überliefert, dass sie infolge des Gestapoverhörs einen Herzinfarkt erlitt. Sie wurde in Hamburg auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt. Ihr Mann hatte ein Doppelgrab erworben, um später neben seiner Frau beerdigt werden zu können. Seine Grabstelle sollte jedoch leer bleiben.

Nach Jettes Tod zog eine Schwägerin, Rahel Ortheiler, geborene Würzburger, zu Moses Möllerich, um ihm den Haushalt zu führen.

Auch Moses Bruder Josef war mit seiner Frau und den beiden Kindern im Juli 1937 nach Hamburg umgezogen. Sie lebten in der Beneckestraße 26.

Bereits im Dezember 1938 war seitens der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten Hamburg ein "beschränkt verfügbares Sicherungskonto" für Moses Möllerich eingerichtet worden. Die Standardbegründung lautete, wegen "des Verdachtes der Kapitalflucht, auf Grund der Tatsache, dass er jüdischer Abstammung war". Infolgedessen konnte er sein beträchtliches Vermögen nicht länger selbstständig nutzen und verwalten. Sämtliche Einnahmen, z. B. durch die Zwangsverkäufe der Grundstücke in Wolfhagen, wurden auf das Sicherungskonto eingezahlt. Von nun an musste Moses Möllerich das Geld fürs tägliche Leben beantragen. Er machte folgende Ausgaben geltend: Miete 150 RM; Lebensunterhalt 300 RM; Hausangestellte 50 RM; sonstiges 50 RM. Zugestanden wurden ihm monatlich 425 RM seines eigenen Geldes. Jede zusätzliche Ausgabe musste gesondert beantragt werden, wie zum Beispiel die Zahlung einer Fahrkarte für zwei Personen nach Stuttgart und zurück zur Beerdigung des Schwagers Jakob Würzburger. Der letzte Eintrag in den Akten enthält die Benachrichtigung der Devisenstelle, seine Tochter Margarete, verehelichte Rosenthal, sei als Begünstigte aus seiner Lebensversicherung gelöscht worden.

Am 25. Oktober 1941 wurde Moses Möllerich gemeinsam mit seiner Schwägerin Rahel Ortheiler, seinem Bruder Josef und dessen Frau Selma von Hamburg nach Lodz deportiert. Er starb dort, 65-jährig, am 10. Mai 1942. Auch sein Bruder und die beiden Schwägerinnen überlebten die Deportation nicht, sie starben aufgrund der Lebens- und Arbeitsbedingungen oder bei einer Erschießungsaktion.

Nach der sechswöchigen Haft ihres Mannes in Buchenwald, wo dieser nach der Pogromnacht im November 1938 inhaftiert worden war, zog Margarete, die Tochter Moses Möllerichs, mit ihren Schwiegereltern und ihrem Mann nach Frankfurt. Kurz darauf konnte ihr Mann nach London emigrieren. Wenig später gelang es Margarete ihrem Mann zu folgen. Bei der Abfahrt des Zuges traf sie ihren Vater Moses am Kölner Hauptbahnhof zum letzten Mal. Über die Niederlande gelangte sie nach England. Am 2. August 1940 bestieg das Ehepaar ein Schiff nach New York. Kurz nach ihrer Ankunft brachte Margarete dort ihren Sohn Harry zur Welt. Margarete Rosenthal verstarb 1985 in Miami. Ihr Sohn lebt heute in den USA.
Die Kinder Josef Möllerichs konnten mit Kindertransporten im Dezember 1938 gerettet werden. Tochter Edith verstarb im April 1987 in New York, Sohn Wolfgang lebt heute in Maryland.

© Christine Zinn-Lührig

Quellen: 1; 2; 4; 8; StaH, 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 2, Bd. 1; Paul Görlich, Wolfhagen, Geschichte einer nordhessischen Stadt, 1980, S. 347; Stammbaum der Familie Möllerich, erstellt von Enrique Bertoldo Kahn am 18. Juni 2003; E-Mail von Ralph Mollerick v. 27.8.2009, 1.9.2009, 3.9.2009 und 19.10.2009; Auskunft des jüdischen Friedhofs Hamburg am 8.9.2009; Adolf Diamant, Getto Litzmannstadt: Bilanz eines nationalsozialistischen Verbrechens, mit Deportations- und Totenlisten der aus dem Altreich stammenden Juden, Frankfurt 1986.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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